10.02.2023 | Deutscher Bundestag / 20. WP / Sitzung 86 / Tagesordnungspunkt 26

Christiane SchenderleinCDU/CSU - Technikfolgenabschätzung - Algorithmen in digitalen Medien

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Sehr geehrte Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Filterblasen, Echokammern und zunehmende Polarisierung der öffentlichen Meinung sind laut medialen Debatten Folgeerscheinungen der wachsenden Nutzung des Internets und der sozialen Medien als primäre Informationsquellen. Uns allen sind die Onlinekampagnen in Großbritannien, die letztlich zum Brexit geführt haben, im Gedächtnis geblieben. Die Radikalisierung mehrerer Hundert Menschen im Jahr 2021, die den Sturm auf das Kapitol in Washington verübten, begann in sozialen Netzwerken, und auch Kräfte aus diesem Hohen Haus nutzen die Onlinemedien und ‑dienste, um unsere Gesellschaft weiter zu polarisieren und zu fragmentieren.

Der hier vorliegende Bericht zur Technikfolgenabschätzung – „Algorithmen in digitalen Medien und ihr Einfluss auf die Meinungsbildung“ – analysiert ein Phänomen, das die Medienlandschaft in den vergangenen Jahren tiefgreifend verändert hat. Algorithmen spielen aufgrund der Flut an Informationen in den digitalen Medien eine immer größere Rolle und haben einen bedeutenden Einfluss auf die Meinungsbildung. Sie bestimmen, welche Informationen und Inhalte wir sehen und welche nicht. Sie beeinflussen unsere Entscheidungen, Vorlieben und Überzeugungen auf subtile Weise.

Der vorliegende Bericht fokussiert sich insbesondere auf die Bedeutung von Informationsintermediären. Das sind Dienste, die durch Selektion, Aufbereitung und Präsentation Aufmerksamkeit für Inhalte generieren. Das geschieht unabhängig davon, ob es sich dabei um eigene oder fremde Inhalte handelt. Bekannte Intermediäre sind Suchmaschinen und soziale Netzwerke. Obwohl das Thema bereits seit mehreren Jahren umfangreich medial diskutiert wird, zeigt sich hier: Das Phänomen ist noch nicht ausreichend erforscht, und es bedarf weiterer Daten.

Betont werden muss: Eine Selektion durch Algorithmen ist nicht per se auf eine Manipulation ausgelegt. Aus Betreibersicht ist ihr Einsatz nachvollziehbar. Sie verlängern in der Regel die Verweildauer der Nutzer und unterstützen dabei, individuell zugeschnittene Angebote zu unterbreiten. Auch Nutzer können von einer algorithmischen Selektion profitieren. Neue Informationen, Perspektiven und der Zugang zu Nischenthemen können durch eine selektive Aufarbeitung erschlossen werden. Entgegen der eingangs beschriebenen Annahme können Publikumsrelevanz von bisher wenig beachteten Themen und ein Einblick in das Meinungsklima auch außerhalb des eigenen Umfeldes erzeugt werden. Während die geschilderten Risiken und Probleme in der öffentlichen Debatte oftmals omnipräsent sind, werden die Chancen und Vorteile häufig vernachlässigt.

Der zweite wesentliche Aspekt ist, dass die Untersuchungen zeigen: Die individuellen Nutzerpräferenzen haben einen deutlich stärkeren Effekt auf die Meinungsbildung als die algorithmische Personalisierung von Informationsangeboten. Vereinfacht gesagt: Meine persönlichen Kontakte, meine Präferenzen spiegeln sich auch in meiner Meinungsbildung im Netz wider.

Dennoch leiten sich aus dem Bericht verschiedene Handlungsfelder für die Politik ab.

Erstens. Die aktuellen Medienstaatsverträge decken das Problem nicht ausreichend ab.

Zweitens. Es bedarf einer Bewusstseinsstärkung der Nutzer, dass ihnen unterbreitete Vorschläge einer algorithmischen Selektion unterliegen. Neben einer Stärkung der Medienkompetenz können hierfür verpflichtende Hinweise nötig sein.

Drittens. Es muss eine Möglichkeit zur Abkehr von personalisiertem Content hin zu ungefilterten Inhalten geben.

Für mehr Transparenz und Akzeptanz können Informationsintermediäre die Algorithmen für ihre Vorschläge auch veröffentlichen, zum Beispiel in einer Mediathek. Insbesondere im Bereich von nichtwerbefinanzierten Angeboten wie dem öffentlich-rechtlichen Rundfunkt sollte das als Chance verstanden werden.

Abschließend: Unser Ziel als CDU/CSU-Bundestagsfraktion ist es, die Spaltung und Polarisierung unserer Gesellschaft zu stoppen und ihr entschieden entgegenzutreten. Dazu kann eine Reglementierung von Algorithmen in digitalen Medien ein Schritt sein. Wir sind bereit, jeden Beitrag zum Kampf gegen Fake News, Manipulation und Desinformation zu leisten.

(Beifall bei der CDU/CSU)

Es folgt Daniel Schneider für die SPD-Fraktion.

(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN und der FDP)


Daten
Quelle Deutscher Bundestag, Nutzungsbedingungen
Quellenangabe Deutscher Bundestag via Open Parliament TV
Abgerufen von http://dbtg.tv/fvid/7551078
Wahlperiode 20
Sitzung 86
Tagesordnungspunkt Technikfolgenabschätzung - Algorithmen in digitalen Medien
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