10.02.2023 | Deutscher Bundestag / 20. WP / Sitzung 86 / Tagesordnungspunkt 27

Lars RohwerCDU/CSU - Housing-First-Ansatz in der Wohnungslosenhilfe

Lade Interface ...
Anmelden oder Account anlegen






Glück auf, Frau Präsidentin! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Die Wahrheit ist immer obdachlos – so ein dänisches Sprichwort. Auch bei der Obdachlosigkeit gibt es eben nicht diese eine Wahrheit. Obdachlosigkeit ist ausgesprochen vielschichtig. Es gibt so viele Varianten und Gründe für Obdachlosigkeit, wie es verschiedene Wahrheiten gibt und oft eben nicht die eine Wahrheit – mal abgesehen von der Mathematik; denn eins plus eins bleibt zwei. Trotzdem ist der Ansatz „Unterkunft zuerst!“ ein vielversprechender und auch ein guter Ansatz.

Wir begrüßen Ihre Initiative des Antrags zum Housing-First-Konzept. Auch wir stehen zur Europäischen Sozialcharta und der darin verankerten Verpflichtung, Wohnungslosigkeit bis 2030 zu überwinden. Aber Ziele sind Ziele, und Wege sind Wege. Deshalb gilt es jetzt, konkrete Schritte zu gehen.

Sie greifen mit Ihrem Antrag eine Problematik auf, die mich bereits in meiner Heimatstadt – in unserer Heimatstadt, Frau Kipping – beschäftigt hat, hier in Berlin ehrlicherweise umso mehr. Gerade jetzt, in den Wintermonaten, sehen wir, wie wichtig die Unterstützung wohnungsloser und obdachloser Menschen ist. Das Konzept „Unterkunft zuerst“ verspricht, Schritt für Schritt an das Problem der Wohnungslosigkeit heranzugehen. In der Tat hat sich die Methode, wohnungslose Menschen zunächst wieder in ihre eigenen vier Wände zu bringen, in vielen Ländern als sehr wirksam erwiesen. Es ist schon angesprochen worden: In Finnland, aber auch in den USA gibt es vielversprechende Hinweise.

(Beifall bei der CDU/CSU)

Mit dem ersten Wohnungslosenbericht kam die Bundesregierung ihrem gesetzlichen Auftrag nach. Der Bericht macht deutlich, dass die Problemlage äußerst komplex ist, Frau Staatssekretärin, und sich bei jeder Person und jeder Gemeinde unterschiedlich gestaltet. Die Ursachen für Wohnungslosigkeit sind also oft vielseitig. Genauso unterschiedlich jedoch ist der Wohnungsmarkt in den unterschiedlichen Klein- und Großstädten in Deutschland. Bezahlbarer Wohnraum ist in einigen Städten knapp, Sozialwohnungen sind Mangelware. Leerstehende Wohnungen zu enteignen oder, wie Sie von der Linken es elegant in Ihrem Antrag nennen, eine „rechtskonforme Beschlagnahmung von leerstehendem Wohnraum“ vorzunehmen, ist für uns nun mal keine Option. Viel effektiver wäre meiner Meinung nach eine enge Kooperation mit Wohnungsbauunternehmen und ‑genossenschaften und dem Gemeinwesen, wie es in meiner Heimatstadt Dresden geschieht

(Beifall bei der CDU/CSU)

– übrigens unter der Regie einer linken Sozialbürgermeisterin –, um eben genügend bezahlbare Wohnungen zur Verfügung zu stellen. Die beste Wohnungslosenhilfe besteht – neben allen sozialpolitischen Instrumenten – im Wohnungsneubau. Deshalb sind 400 000 neue Wohnungen ein ehrenwertes Ziel, aber aus heutiger Perspektive ein Traum.

Bei dem Housing-First-Konzept liegt der Fokus auf Personen mit komplexen Problemlagen, die sich häufig in einem schlechten Gesundheitszustand befinden. Deshalb sind intensive und multidimensionale Hilfen auch als ambulante Hilfen für die Betroffenen notwendig. Diese werden mitunter über einen langen Zeitraum hinweg genutzt. Das können wir auch unterstützen.

Sie wissen, dass ich aus der Landespolitik komme und deshalb auch durch und durch Föderalist bin. Ich bin skeptisch, ob eine bundeseinheitliche Wohnungslosenhilfe die Bedürfnisse und Herausforderungen auf der lokalen Ebene ausreichend berücksichtigen kann. Wir brauchen das Wissen der Jugend-, Sozial- und Gesundheitsämter und das Zusammenwirken der Träger der Obdachlosenhilfe auf allen Ebenen.

(Beifall bei der CDU/CSU)

Die Wohnungslosenhilfe liegt in der Kompetenz der Länder und Kommunen. Ihnen diese Kompetenz mit einer bundeseinheitlichen Wohnungslosenhilfe streitig zu machen, müssen wir im Ausschuss diskutieren, vor allen Dingen mit den Ländern.

Auch im Berlin-Plan meiner Berliner Mitstreiter in der CDU gibt es viele verschiedene und, wie ich finde, gute Ansätze, um Obdachlosigkeit und Wohnungslosigkeit nachhaltig entgegenzutreten: von Fachstellen im Bereich der Wohnungslosen- und Obdachlosenhilfe über 24/7-Hilfe für Obdachlose bis zu „Badezimmern auf Rädern“. Housing First wird das Problem der Wohnungslosigkeit nicht beseitigen können; aber es könnte eine Möglichkeit sein, es nachhaltig zu minimieren. Wir freuen uns daher auf die Beratungen im Ausschuss.

Vielen Dank für die Aufmerksamkeit.

(Beifall bei der CDU/CSU sowie des Abg. Maximilian Mordhorst [FDP])

Es folgt Hanna Steinmüller für Bündnis 90/Die Grünen.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der SPD und der FDP)


Daten
Quelle Deutscher Bundestag, Nutzungsbedingungen
Quellenangabe Deutscher Bundestag via Open Parliament TV
Abgerufen von http://dbtg.tv/fvid/7551093
Wahlperiode 20
Sitzung 86
Tagesordnungspunkt Housing-First-Ansatz in der Wohnungslosenhilfe
00:00
00:00
00:00
00:00
Keine