01.03.2023 | Deutscher Bundestag / 20. WP / Sitzung 87 / Tagesordnungspunkt 5

Sebastian FiedlerSPD - Kriminalität in Bahnhöfen und Zügen

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Sehr geehrter Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Im Prinzip sind es drei Anträge. Ich will die zusammenfassen, weil immer nur von einem geredet wird. Einer beschäftigt sich, wie wir schon gehört haben, mit dem Bundeslagebild an Bahnhöfen und in Zügen, der zweite mit Straftaten mit Messern. Der dritte Antrag – darüber haben wir noch nicht so richtig gesprochen; er ist sozusagen im zweiten Antrag enthalten – beschäftigt sich mit Antisemitismus im Zusammenhang mit Zuwanderern.

Was haben also diese drei Anträge überhaupt gemeinsam? Nachdem ich sie wirklich schmerzerfüllt gelesen habe und aus einer fachlichen Sicht sehe, etwa hinsichtlich dieser Statistikinterpretation, muss ich sagen: Ich habe selten Anträge gesehen, die in einem solchen Ausmaß rassistisch, ausländerfeindlich und fremdenfeindlich sind wie diese hier.

(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN – Dr. Götz Frömming [AfD]: Nennen Sie mal ein paar Beispiele!)

– Ich komme auf Beispiele; halten Sie sich fest. – Man kann das auch anders erklären und zugespitzt sagen – das muss man nämlich daraus lesen –: Sie interessieren sich eigentlich für all die – mit Ihren Worten – biodeutschen Täterinnen und Täter und deren Opfer mit keiner Silbe. Sie tauchen überhaupt nicht auf.

(Lamya Kaddor [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Die gibt es doch gar nicht!)

Das ist an Perfidie nicht zu überbieten. Sie sollten sich dafür schämen.

(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN und der FDP)

Beim Thema Antisemitismus möchte ich zunächst die Gelegenheit nutzen, etwas Positives zu sagen; denn wir hatten auch positive Ereignisse, über die man an der Stelle berichten muss, und dann kann man zu den Themen überleiten, die im Antrag genannt worden sind. Wir hatten in diesem Jahr in diesem Zusammenhang auch gute Ereignisse. 1 702 Jahre jüdisches Leben gibt es dieses Jahr in Deutschland. Nach 200 Jahren haben wir zum ersten Mal beim Kölner Karneval gesehen, dass ein Teil des Zuges von Jüdinnen und Juden der dortigen Gemeinden besetzt worden ist. Der Botschafter des Staates Israel war mit oben auf dem Wagen. Das war eine tolle und herausragende Geschichte. Ich fand das wirklich sehr gut.

(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN und der FDP)

Das Ganze war allerdings leider verbunden mit einem etwas unschönen Thema, nämlich damit, dass er geschützt werden musste. Das gehört zu dieser Geschichte. Jüdisches Leben in Deutschland ist leider noch immer nicht so sicher, wie man sich das vorstellt und wie wir alle uns das eigentlich wünschen müssten.

(Beifall des Abg. Matthias W. Birkwald [DIE LINKE])

Und vor diesem Hintergrund muss man natürlich mit in die Waagschale werfen, wer hier darüber redet. Ich muss schon sagen: Sie beschäftigen sich mit dem Thema „Antisemitismus und Zuwanderung“, vergessen aber – auch das steht in Ihrem Antrag nicht – all die Anteile, die Rechte daran haben, und von wem das eigentlich kommt. Ich erinnere an einen Protagonisten aus Thüringen, der über ein „Denkmal der Schande“ philosophiert hat. Ich erinnere daran, dass nach allen Einschätzungen, die wir so haben, etwa die Hälfte Ihrer Fraktion Anhänger dieses Bernd Höcke sind und das offensichtlich ganz gut finden. Dass Sie sich überhaupt trauen, zum Thema Antisemitismus hier Aussagen zu treffen, dazu gehört schon einiges; das muss ich schon sagen.

(Beifall bei der SPD, dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und der FDP)

Ich muss ein bisschen schneller machen und will darauf hinweisen, dass die Mitte-Studie ziemlich eindeutige Aussagen dazu macht. Der entscheidende Satz ist:

Antisemitismus ist in der Gesellschaft tief verankert und vorrangig kein „importiertes Problem“.

Trotzdem gibt es einen ganzen Haufen an Projekten, 649 an der Zahl. 30 Prozent beschäftigen sich auch mit islamistisch motiviertem Antisemitismus. Auch das ist also ein Thema, das angegangen wird.

Ich muss die restliche Redezeit nutzen, um zwei Sätze zu Ihren Statistiken zu sagen. Man kann durchaus sagen: Migration und Kriminalität könnten eine Rolle spielen. – Das erklärt vielleicht diese Interpretation von Statistiken, die wir häufig gehört haben. Erstes Beispiel: 217 000 Deutsche leben in Österreich. Von denen waren 9 838 Tatverdächtige. Das bedeutet umgerechnet: Auf 22 Deutsche, die in Österreich leben, kommt ein Tatverdächtiger; in Deutschland ist es aber nur einer von 58. Das heißt also offensichtlich, Ihrer Interpretation folgend: Deutsche im Ausland sind doppelt so kriminell wie die, die hier leben. Merken Sie eigentlich was?

(Beifall bei Abgeordneten der SPD und der FDP)

Ist das so? Das könnte vielleicht an anderen Dingen liegen.

Zweites Beispiel. Das wissen Sie, wenn Sie die Statistiken gelesen haben, Herr Hess: Da erkennen Sie mehrere Tatverdächtige, einer von denen hat ein Messer. Sie können aus der Statistik aber gar nicht herauslesen, wer genau das ist. Sie ordnen die Tat aber zu. Das sind zwei Beispiele von zahllosen. Dazu reicht wirklich die Zeit nicht. Ich lade Sie zu einer Nachhilfestunde dazu ein. Ich habe das mal mit ein paar Grundschülern gemacht; die sind an dieser Stelle weiter.

Es gibt einen weiteren entscheidenden Punkt, den ich ans Ende stellen will: Sie stellen monokausale Zusammenhänge zwischen der Nationalität und der Straffälligkeit her. Das ist Ihnen vorzuwerfen.

Letzter Satz, Herr Präsident. – In Bezug auf den Vorwurf, dass wir bei der Bundespolizei nichts machten, gehört noch eine Zahl in den Raum geworfen, weil auch Herr Amthor suggeriert hat, wir täten da nichts: 2016 bis 2023 plus 2 650 Polizistinnen und Polizisten an Bahnhöfen und in Zügen.

(Philipp Amthor [CDU/CSU]: Wer hat denn da den Innenminister gestellt? – Zuruf des Abg. Martin Hess [AfD])

Das können Sie sich doch eigentlich auch selber zurechnen. Warum verschweigen Sie es denn dann?

Wir tun viel für die Sicherheit in Zügen und Bahnen. Die Zeit reicht leider nicht, um alles aufzuführen. Aber die Bundesregierung – darauf können Sie sich verlassen – sorgt trotz allen Zwischenrufen für Ihre Sicherheit.

Herr Kollege.

Herr Hess, nutzen Sie die Fortbildungsgelegenheit.

(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN und der FDP)

Herr Kollege, mir war nicht klar, dass bei Sozialdemokraten ein letzter Satz gleich elf sind; aber ich lerne dazu. Ich werde das vielleicht mal dem Kollegen Finanzminister mitteilen, dass man aus einem Satz vieles machen kann.

Vorletzter Redner ist der Kollege Michael Donth, CDU/CSU-Fraktion.

(Beifall bei der CDU/CSU)


Daten
Quelle Deutscher Bundestag, Nutzungsbedingungen
Quellenangabe Deutscher Bundestag via Open Parliament TV
Abgerufen von http://dbtg.tv/fvid/7551235
Wahlperiode 20
Sitzung 87
Tagesordnungspunkt Kriminalität in Bahnhöfen und Zügen
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