Sanae AbdiSPD - Regierungserklärung - Ein Jahr Zeitenwende
Sehr geehrte Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Schon vor einem Jahr stand ich genau hier und habe im Anschluss an die vielzitierte Rede unseres Bundeskanzlers über die Auswirkungen des russischen Angriffskrieges gesprochen. Noch immer herrscht dieser schreckliche Krieg. Viele der Sorgen, die wir uns damals gemacht haben, sind eingetroffen – bedauerlicherweise. Vieles konnten wir auch erfolgreich abwenden. So kamen wir in Deutschland trotz aller Befürchtungen dank einer klugen Energiepolitik gut durch den letzten Winter.
Während sich die politische Debatte derzeit viel um die Waffenlieferungen zur Selbstverteidigung der Ukraine dreht, beschäftigt sich die Entwicklungspolitik mit der Frage, wie die Menschen in der Ukraine im Hier und Jetzt sowie zukünftig ihren Alltag bewältigen können. Die deutsche Entwicklungspolitik leistet in der Ukraine mit ihrer Vielfalt an Instrumenten eine enorm wertvolle Unterstützung. Seit Kriegsbeginn unterstützen wir die Ukraine mit rund 652 Millionen Euro. Im Zentrum der Zusammenarbeit stehen die akuten Bedürfnisse der Menschen sowie der langfristige und strukturelle Wiederaufbau des Landes.
(Beifall bei der SPD und der FDP sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)
Wir unterstützen bei der Etablierung des Stromnetzes, der Wasserversorgung, des Bildungs- und Gesundheitssystems, und wir schaffen Wohnraum für Geflüchtete. Ermöglicht wird die wertvolle entwicklungspolitische Arbeit durch staatliche Akteure wie die GIZ und die KfW, zahlreiche NGOs, unsere Partner vor Ort, die über 120 deutsch-ukrainischen kommunalen Städtepartnerschaften und durch eine Bundesentwicklungsministerin, die auch in schweren Krisenzeiten den Überblick behält.
Die befürchtete Folge des russischen Angriffskrieges – eine globale Hungerkrise – ist eingetroffen. Viele Partnerländer äußern derzeit die Sorge, dass ihre Krisen aufgrund des Krieges vergessen werden. So leiden zum Beispiel Menschen am Horn von Afrika derzeit unter einer gravierenden Hunger- und Klimakrise. Doch auch diese Krisen verliert die deutsche Entwicklungspolitik nicht aus den Augen. So reagiert das BMZ auf die Notlage am Horn von Afrika umgehend und unterstützt durch hohe finanzielle Summen. Auf diese Weise wird im Rahmen von Partnerschaften Vertrauen geschaffen. Dieses Vertrauen bleibt lange erhalten und liegt auch in unserem wirtschaftlichen, ökologischen und diplomatischen Interesse.
(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN und des Abg. Stephan Thomae [FDP])
Wir müssen die Krisen unserer Zeit aktiv angehen, bevor sie eskalieren. Eine gut durchdachte Zeitenwende stellt die Entwicklungspolitik daher zwangsläufig in ihren Mittelpunkt. Oder wie es Willy Brandt sagte: „Die Entwicklungspolitik von heute ist die Friedenspolitik von morgen.“
(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN und der FDP)
Konkret bedeutet das für die Entwicklungspolitik in der Zeitenwende: Wir brauchen eine den globalen Herausforderungen angemessene und beständige Finanzierung. Das 0,7‑Prozent-ODA-Ziel und die Eins-zu-eins-Regel des Koalitionsvertrages müssen dabei handlungsweisend sein. „ Zusammenarbeit auf Augenhöhe“ darf keine leere Floskel sein. Wir müssen diesen Ansatz mit konkreten Inhalten umsetzen. Dies gelingt durch fair ausgestaltete Handels- und Rohstoffabkommen, durch eine stärkere Miteinbindung von Entwicklungsländern in internationalen Formaten wie dem Klimaclub oder zuletzt auf der Münchner Sicherheitskonferenz und durch eine Reform der Weltbank zugunsten wirtschaftlich schwacher Staaten.
(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN und der FDP)
Und zuletzt: Die großen Probleme unserer Zeit wie Klimakrise, Hungersnöte und Fluchtbewegungen bewältigen wir niemals allein mit einer militärischen Denkweise. Als vorausschauende und strukturschaffende Friedenspolitik ist die Entwicklungspolitik ein wesentlicher Bestandteil der Zeitenwende. Wir benötigen die Entwicklungspolitik für eine internationale Politik, die zukunftsfähig, krisenfest und sozial gerecht ist. Sie schafft Vertrauen; sie baut langfristige Partnerschaften auf. In diese Partnerschaften müssen wir investieren.
Vielen Dank.
(Beifall bei der SPD, dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und der FDP)
Das Wort hat der Abgeordnete Robert Farle.
Quelle | Deutscher Bundestag, Nutzungsbedingungen |
Quellenangabe | Deutscher Bundestag via Open Parliament TV |
Abgerufen von | http://dbtg.tv/fvid/7551265 |
Wahlperiode | 20 |
Sitzung | 88 |
Tagesordnungspunkt | Regierungserklärung - Ein Jahr Zeitenwende |