Thorsten FreiCDU/CSU - Migrationspolitischer Sonderweg in Europa
Verehrte Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Im vergangenen Jahr sind 1,1 Millionen Ukrainerinnen und Ukrainer nach Deutschland gekommen. Zusätzlich hat es etwa 250 000 Asylanträge gegeben. Das bedeutet im Klartext, dass im letzten Jahr mehr Menschen schutzsuchend nach Deutschland gekommen sind als in den Jahren 2015 und 2016 zusammen.
Dass die Städte, Gemeinden und auch die Landkreise in Deutschland das bisher so hervorragend hingekriegt haben, ist eine gigantische Leistung, die nicht hoch genug eingeschätzt werden kann. Und wenn ich jetzt Bürgermeister, Oberbürgermeister oder Landrat wäre, verehrter Herr Demir, dann würde ich mir durch Ihre Rede veräppelt vorkommen.
(Beifall bei der CDU/CSU)
Das muss ich ganz ehrlich sagen.
Wir wollen solidarisch und offen sein gegenüber denen, die vor Krieg, Tod und Vertreibung fliehen. Aber das setzt voraus, dass wir uns auch auf genau diese Menschen konzentrieren, dass wir zwischen illegaler und legaler Migration unterscheiden,
(Zuruf von der AfD)
dass diejenigen, die kein Bleiberecht in Deutschland haben, auch wieder zurückgeführt werden.
(Zuruf der Abg. Filiz Polat [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN])
Das setzt voraus, dass wir in der Lage sind, denen zu helfen, denen wirklich geholfen werden muss.
(Rasha Nasr [SPD]: Das ist so populistisch! Purer Populismus!)
Warum? Weil unser Land auch vorbereitet sein muss auf diesen Zuzug. Was fehlt? Was fehlt in den Kommunen?
(Zuruf des Abg. Erhard Grundl [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN])
Es geht doch nicht nur um Unterbringung und Verpflegung. Es fehlen Kitaplätze. Es fehlen Schulen. Es fehlen Ärztinnen und Ärzte. Es fehlen Wohnungen in Deutschland – 700 000 Wohnungen!
Vor diesem Hintergrund muss man sagen: Ressourcen sind endlich. Wir müssen uns auf diejenigen konzentrieren, die wirklich unserer Hilfe bedürfen.
(Beifall bei der CDU/CSU)
Vor diesem Hintergrund wäre es richtig gewesen, einen Flüchtlingsgipfel mit den Kommunen im Bundeskanzleramt zu machen.
(Rasha Nasr [SPD]: Syrer brauchen genauso Hilfe wie die Menschen aus der Ukraine, Herr Frei!)
Warum? Weil es um alle Ressorts dieser Bundesregierung geht, weil damit auch das Signal hätte ausgesendet werden können, dass es eine nationale Kraftanstrengung braucht, um diese Herausforderungen zu bewältigen.
(Erhard Grundl [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Die CSU wird dem nicht gerecht, was Sie fordern!)
Wenn man sich anguckt, was dabei herausgekommen ist, dann fallen zwei Dinge auf: dass vier neue Arbeitskreise gebildet werden sollen und dass man sich irgendwann in Zukunft um die weiteren Fragen der Finanzierung kümmern muss. – Da muss man sagen: Außer Banalitäten, außer Vertagungen, außer sprachlichen Girlanden ist bei diesem Flüchtlingsgipfel gar nichts herausgekommen.
(Beifall bei der CDU/CSU)
Liebe Frau Bundesinnenministerin, es reicht natürlich auch nicht, zu sagen: Das sind ein paar, die im Wege der illegalen Migration zu uns kommen; im Wesentlichen geht es doch um die Ukrainerinnen und Ukrainer. Ich als Bundesinnenministerin kann da gar nichts tun.
(Dr. Johannes Fechner [SPD]: Das hat sie doch gar nicht gesagt! Blödsinn!)
Natürlich; Sie haben als zuständiges Kabinettsmitglied alle Instrumente in der Hand,
(Erhard Grundl [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Sagen Sie mal was zur CSU in Bayern!)
um die Maßnahmen zu ergreifen, die notwendig sind, um Migration zu ordnen,
(Lamya Kaddor [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: So wie Sie 12 oder 16 Jahre geordnet haben?)
zu steuern und auch zu begrenzen.
(Dr. Johannes Fechner [SPD]: Ja, was machen denn die CDU-Länder?)
Sie tun es nicht.
Ich will mal auf zwei Dinge einen Blick werfen, zunächst einmal auf das Ende des Verfahrens. Ihre Haltung ist, dass Sie den Vorschlag einer schwedischen Sozialdemokratin, wie man Ausreisepflichten besser durchsetzen kann, einfach vom Tisch wischen.
(Dr. Bernd Baumann [AfD]: Ja!)
Was haben Sie in den letzten Wochen hier gemacht? Sie haben ein Gesetz gemacht, das auch Ausreisepflichtigen, die über ihre Identität getäuscht haben und täuschen, ein Aufenthaltsrecht in Deutschland ermöglicht.
(Lamya Kaddor [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Mein Gott! Das Gesetz darauf zu reduzieren, ist echt peinlich!)
Und was planen Sie in den nächsten Wochen? Dass man zukünftig auch durch eidesstattliche Versicherung die Identität feststellen kann. Das ist das Gegenteil einer Politik, die notwendig wäre. Das ist eine Politik der offenen Türen.
(Dr. Bernd Baumann [AfD]: Haben Sie doch gemacht 16 Jahre lang! – Lamya Kaddor [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Sie betreiben Politik von Menschenfeindlichkeit hier!)
Das ist eine Politik, die deutlich macht: Wer es einmal nach Deutschland geschafft hat, der kann auch hierbleiben.
(Lamya Kaddor [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Was haben Sie denn geleistet bisher? – Zuruf des Abg. Stephan Thomae [FDP])
Das bedeutet: Der Migrationsdruck wird wachsen; die Probleme werden insbesondere für die Kommunen größer und nicht kleiner werden. Damit lösen Sie überhaupt gar nichts.
(Beifall bei der CDU/CSU)
Wenn das schon so schwierig ist, dann will ich noch auf einen zweiten Punkt hinweisen.
Kollege Frei, ich habe die Uhr angehalten. Gestatten Sie eine Frage oder Bemerkung des Kollegen Demir?
Gerne.
Vielen Dank, dass Sie die Frage zulassen. – Wir haben ja in der Großen Koalition einige Sachen lösen können, zum einen im Zusammenhang mit den erwähnten geduldeten Menschen. Sie haben diese so definiert – was auch richtig ist –: Das sind meistens Menschen, bei denen die Ausreise ausgesetzt ist.
Wir haben in der Großen Koalition eine Ausbildungs- und Beschäftigungsduldung für diese Menschen beschlossen. Diesen Weg gehen wir jetzt in der Ampelkoalition weiter; das betrifft die Menschen, die schon seit fünf Jahren in diesem Land sind. Also, eigentlich machen wir nichts anderes als das, was wir in der Großen Koalition zusammen gemacht haben, als wir gesagt haben: Wenn Menschen, die hier leben, eine Ausbildung bekommen können oder am Ende eine Beschäftigungsduldung haben, dann ermöglichen wir diesen Menschen, hierzubleiben. Warum sind Sie jetzt gegen diesen weiteren Schritt von uns, obwohl es eine ähnliche Gruppe betrifft?
Sehr geehrter Herr Kollege Demir, nein, es betrifft eben eine ganz andere Gruppe.
(Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU)
Ich war bei den Verhandlungen damals, 2019, mit dabei. Sie haben vollkommen recht: Wir haben gemeinsam Maßnahmen ergriffen, damit wir die Situation für diejenigen, die hier sind, leichter machen.
(Lachen der Abg. Filiz Polat [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN])
Welche Gruppe war damals nicht umfasst? Um genau die geht es jetzt. Es geht um Menschen, die ausreisepflichtig sind und über ihre Identität getäuscht haben und immer noch täuschen.
(Filiz Polat [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Oah! – Andrea Lindholz [CDU/CSU]: So ist es! Das muss man einfach mal zur Kenntnis nehmen!)
Wer nach Deutschland kommt, um hier Schutz zu suchen, aber nicht in der Lage ist, zu sagen, woher er kommt, der hat diesen Schutz ganz offensichtlich nicht verdient.
(Beifall bei der CDU/CSU – Dr. Bernd Baumann [AfD]: Das haben Sie doch 16 Jahre lang geduldet!)
Deswegen ist für uns vollkommen klar, dass es für diese Menschen nicht auch noch als Belohnung eine Arbeitsmöglichkeit plus Aufenthaltsrecht geben kann.
(Zuruf der Abg. Filiz Polat [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN])
Wir reden über zwei völlig verschiedene Gruppen. Deswegen ist klar, warum wir in dem einen Fall dafür waren und hier nur dagegen sein können.
(Beifall bei der CDU/CSU – Rasha Nasr [SPD]: Dann haben Sie nicht gelesen, was da drinsteht! Dann wissen Sie nicht, was inhaltlich da drinsteht!)
Frau Präsidentin, ich war beim Ende des Verfahrens stehen geblieben. – Es ist vollkommen richtig, dass wir auch dafür sorgen müssen, dass Menschen, die ganz offensichtlich gar keine Aussicht auf eine Bleibeperspektive in Deutschland haben, nicht auch noch auf den gefährlichen Weg durch Wüsten oder über das Meer geschickt werden; Sie haben das in Ihrer Rede angesprochen. Das probate Mittel, das wir im nationalen Recht dafür haben, ist die Liste der sicheren Herkunftsstaaten.
Frau Bundesministerin, diesen Punkt könnte man aufgreifen.
(Andrea Lindholz [CDU/CSU]: Genau so ist es! Jawoll!)
SPD, CDU und CSU haben in der letzten Wahlperiode ein Gesetz verabschiedet, wonach wir die Liste der sicheren Herkunftsstaaten um Marokko, Algerien, Tunesien und Georgien erweitern möchten. Dieses Gesetz liegt immer noch im Bundesrat,
(Andrea Lindholz [CDU/CSU]: Genau! Und schläft vor sich hin!)
weil es die Grünen verhindert haben. Schauen Sie mal, was das für Auswirkungen hätte! Letztes Jahr sind 10 000 Georgier nach Deutschland gekommen – mit einer Schutzquote von 0,4 Prozent. Das ist etwas, wo man handeln kann.
Aber mir ist klar, dass die Grünen das überhaupt nicht wollen, weil Sie im Grunde genommen das Gegenteil erreichen wollen. Sie wollen auch Integrationskurse für diejenigen, die aus sicheren Herkunftsstaaten kommen. Das ist die völlige Aufgabe von Ordnung und Steuerung von Migration.
Kollege Frei.
Deshalb werden Sie mit dieser Politik die Lösung nicht herbeiführen können.
Herzlichen Dank.
(Beifall bei der CDU/CSU)
Das Wort hat die Kollegin Schahina Gambir für die Fraktion Bündnis 90/Die Grünen.
(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der SPD und der FDP)
Quelle | Deutscher Bundestag, Nutzungsbedingungen |
Quellenangabe | Deutscher Bundestag via Open Parliament TV |
Abgerufen von | http://dbtg.tv/fvid/7551273 |
Wahlperiode | 20 |
Sitzung | 88 |
Tagesordnungspunkt | Migrationspolitischer Sonderweg in Europa |