02.03.2023 | Deutscher Bundestag / 20. WP / Sitzung 88 / Tagesordnungspunkt 7

Stephan ThomaeFDP - Migrationspolitischer Sonderweg in Europa

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Sehr geehrte Frau Präsidentin! Verehrte Kolleginnen und Kollegen! Meine Damen und Herren! Der Antrag der Union, den wir heute beraten, stammt von Oktober 2022, und das merkt man ihm logischerweise an vielen Stellen auch an. Denn in der Zwischenzeit hat sich manches getan im Bereich der Migrationspolitik.

(Alexander Throm [CDU/CSU]: Eben nicht!)

Der Sonderweg, den Sie hier beklagen, ist der der Regierung Merkel, den wir mit unserem Paradigmenwechsel beenden werden, meine Damen und Herren.

(Beifall bei der FDP sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN – Lachen bei der CDU/CSU – Thorsten Frei [CDU/CSU]: Das ist ein Witz!)

Gerade jetzt im Februar 2023 haben sich einige Dinge geändert. Ich nenne zum Beispiel den EU-Migrationsgipfel am 9. und 10. Februar, bei dem auch Änderungen beim Außengrenzschutz beschlossen worden sind,

(Andrea Lindholz [CDU/CSU]: Dann setzen Sie die mal um!)

bei denen die Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen von der CDU nicht gerade Vorreiterin gewesen ist, meine Damen und Herren.

(Manuel Höferlin [FDP]: Aha!)

Oder: Es gab eine Woche danach, am 16. Februar, den Migrationsgipfel von Bund, Ländern und Kommunen – ein neues Format, das oft schlechtgeredet worden ist, aber dazu führte, dass wir neue ständige Arbeitsstrukturen bilden, etwas, was es bislang noch nicht gibt. Das ist eine echte Verbesserung, wie ich finde.

(Beifall bei der FDP – Alexander Hoffmann [CDU/CSU]: Wo sind denn die Ergebnisse? – Andrea Lindholz [CDU/CSU]: Nach anderthalb Jahren ohne Ergebnis!)

Seit dem 1. Februar ist auch der neue Sonderbevollmächtigte der Bundesregierung für Migrationsabkommen im Amt, Dr. Joachim Stamp, dessen Aufgabe es sein wird, Migrationsabkommen auszuhandeln, die auch Rücknahmeverpflichtungen enthalten.

Und weil immer gesagt wird, dass der Bund die Kommunen im Stich lasse: Im letzten Jahr hat der Bund immerhin 3,5 Milliarden Euro für die Flüchtlingsunterbringung zur Verfügung gestellt und wird in diesem Jahr noch einmal 2,75 Milliarden Euro dafür zur Verfügung stellen; das macht in der Summe 6,25 Milliarden Euro. Man kann also nicht sagen, dass der Bund die Kommunen ganz und gar im Stich lasse, meine Damen und Herren.

(Beifall bei der FDP – Andrea Lindholz [CDU/CSU]: Doch, lässt er!)

Wir wollen mit einem Paradigmenwechsel den Sonderweg der Regierung Merkel beenden. Wir wollen mehr reguläre Migration in den Arbeitsmarkt in unserem Land. Wir wollen weniger irreguläre Migration durch die Wüste und über das Meer.

(Andrea Lindholz [CDU/CSU]: Das schaffen Sie ja jetzt jeden Monat erfolgreich! – Thorsten Frei [CDU/CSU]: Sie machen das Gegenteil!)

Ich will ein paar Punkte ansprechen, die den Menschen wirklich unter den Nägeln brennen. Was den Menschen am meisten unter den Nägeln brennt und sie besorgt, ist, dass es uns in der Vergangenheit nicht hinreichend gelungen ist, Straftäter und Gefährder abzuschieben.

Nun hat der Bundesjustizminister einen Vorschlag unterbreitet, wie durch einen besseren Datenaustausch Abschiebungen besser gelingen können. Vor allem aber will ich auf die Migrationsabkommen mit Rücknahmevereinbarungen hinweisen, die wir aushandeln wollen. Da muss man sicher etwas Geduld haben; das wird nicht über Nacht geschehen können. Wir werden nicht über Nacht all das aufarbeiten können, was in den letzten Jahren und Jahrzehnten liegen geblieben ist.

Aber kaum ist der neue Sonderbevollmächtigte Dr. Stamp im Amt – er hat noch nicht einmal wirklich Mitarbeiter im Amt –, hat er schon erste Gespräche geführt.

(Alexander Throm [CDU/CSU]: Das ist ja super! Ich bin begeistert, Herr Thomae!)

Das zeigt, dass er sein Amt wirklich sehr ernst nimmt und mit hoher Geschwindigkeit loslegt – Dinge, Herr Kollege Throm, die in der Vergangenheit liegen geblieben sind.

(Beifall bei der FDP)

Es werden alle, Bund, Länder und Kommunen, ihren Beitrag leisten müssen; da kann man nicht nur auf einen zeigen. Wir haben, was das Thema Ausreisegewahrsam betrifft, die Möglichkeit geschaffen, den Gewahrsam auf 28 Tage zu verlängern. Aber zur Wahrheit gehört auch, dass die Länder bislang nur 645 Gewahrsamsplätze bereithalten. Auch die Länder müssen einen Beitrag dazu leisten, dass Ausreisegewahrsam besser gelingen kann.

(Beifall der Abg. Dr. Ann-Veruschka Jurisch [FDP])

Zur Wahrheit gehört eben auch – auch wenn es die Kommunen vielleicht nicht gerne hören wollen –, dass auch die Ausländerbehörden oft im Stich gelassen worden sind. Sie sind oft personell unterbesetzt. Sie haben mit schweren Fällen zu tun, stehen oft in der öffentlichen Kritik. Aus der Gesellschaft, auch aus den Kirchen, kommt oft der Vorwurf, dass Abschiebungen inhuman seien. Sie haben mit einem komplizierten Rechtsgebiet zu tun. Wir brauchen die Ausländerbehörden, die eine schwierige Aufgabe haben, die aber auch ein Teil unseres Asylsystems sind. Durch mehr Wertschätzung, aber auch durch Tun unterstützen wir sie in ihrer schweren Arbeit.

Es genügt nicht, dass man immer nur auf den Bund zeigt. Alle Ebenen, Bund, Länder und Kommunen, müssen ihren Beitrag leisten, dass Abschiebungen auch gelingen und wir Schutz und Hilfe denen gewähren können, die sie wirklich benötigen, meine Damen und Herren.

(Beifall bei der FDP)

Ich will in der kurzen verbleibenden Zeit noch auf einen Punkt zu sprechen kommen, der in Ihrem Antrag enthalten ist, nämlich auf die falschen Anreize. Damit meinen Sie, wie ich annehme, den Chancen-Aufenthalt, den wir im letzten Jahr beschlossen haben.

(Andrea Lindholz [CDU/CSU]: Unter anderem!)

Aber gerade um zu verhindern, dass für die Zukunft falsche Anreize gesetzt werden, haben wir den Chancen-Aufenthalt mit einem Stichtag versehen. Denn was ist denn die Situation, die wir vorgefunden haben? 300 000 ausreisepflichtige Menschen, die sich zum Teil acht Jahre von Duldung zu Duldung schleppen, haben wir als Erbe von der Vorgängerregierung übernommen. Dann ist es doch irgendwann einmal sinnvoll, zu sagen: Wenn es in acht Jahren nicht gelungen ist, jemanden abzuschieben, dann ist es sinnvoller, die Energie darauf zu verwenden, zu schauen, wie wir die Menschen integrieren und bei uns in den Arbeitsmarkt bringen, als weiter zu versuchen, sie abzuschieben. Auch das ist ein Teil der Wahrheit.

Das ist unser Paradigmenwechsel, mit dem wir den Sonderweg der Regierung Merkel beenden wollen.

Vielen Dank.

(Beifall bei der FDP sowie bei Abgeordneten der SPD und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)

Das Wort hat die Kollegin Clara Bünger für die Fraktion Die Linke.

(Beifall bei der LINKEN)


Daten
Quelle Deutscher Bundestag, Nutzungsbedingungen
Quellenangabe Deutscher Bundestag via Open Parliament TV
Abgerufen von http://dbtg.tv/fvid/7551277
Wahlperiode 20
Sitzung 88
Tagesordnungspunkt Migrationspolitischer Sonderweg in Europa
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