02.03.2023 | Deutscher Bundestag / 20. WP / Sitzung 88 / Tagesordnungspunkt 7

Andrea LindholzCDU/CSU - Migrationspolitischer Sonderweg in Europa

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Sehr geehrte Frau Präsidentin! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Wir, die Unionsfraktion, appellieren seit Monaten, wie auch zahlreiche Kommunen in unserem Land, an die Bundesregierung, endlich die Kommunen in der Migrationskrise zu entlasten und die irreguläre Migration zu begrenzen.

„Politik beginnt mit der Betrachtung der Wirklichkeit.“ Letzte Woche schilderte der grüne Landrat aus meinem Nachbarwahlkreis, Jens Marco Scherf, genau die Wirklichkeit vor Ort.

(Filiz Polat [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Die Wirklichkeit ist, dass Bayern die Gelder nicht an die Kommunen weiterleitet! Das ist die Wirklichkeit!)

Ich darf ihn auszugsweise zitieren:

Wir haben 50 dezentrale Flüchtlingsunterkünfte im Landkreis. Die sind voll.

(Filiz Polat [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Wenn er das Geld von der bayerischen Landesregierung weitergeleitet bekommt, dann könnte er auch endlich mal damit anfangen!)

Die Bereitschaft in den Gemeinden, weitere Geflüchtete aufzunehmen, nimmt rapide ab. Wir … gehen in jede Gemeinderatssitzung, wo uns dann gesagt wird, dass nicht nur kein Wohnraum da ist, sondern dass die Kindergärten voll sind und die Schulen auch. Wir können die Menschen, die zu uns kommen, einfach nicht mehr betreuen.

Wenn Sie uns schon nicht glauben, dann glauben Sie doch wenigstens den Kommunalpolitikern aus Ihren eigenen Reihen.

(Beifall bei der CDU/CSU – Filiz Polat [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Fragen Sie doch mal den Oberbürgermeister aus Hannover!)

Sie, liebe Kolleginnen und Kollegen, sind aktuell mitverantwortlich dafür, dass es in vielen Teilen Deutschlands – auch in meinem Wahlkreis in der Gemeinde Großostheim, aber auch in Lörrach, in Berlin oder in Upahl – zu massiven sozialen und gesellschaftlichen Spannungen kommt,

(Filiz Polat [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Da waren Rechtsextreme, die das unterwandert haben!)

weil Sie die Kommunen seit Monaten mit ihren Problemen alleine lassen. Sie lassen sie auf den Kosten sitzen, und Sie lassen die irreguläre Migration einfach laufen.

(Beifall bei der CDU/CSU – Filiz Polat [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Sagen Sie mal was zu den Rechtsextremen dort!)

Im letzten Jahr kamen über 1 Million Kriegsflüchtlinge aus der Ukraine zu uns. Und natürlich müssen wir denen helfen. Und natürlich haben wir ihnen auch geholfen und werden ihnen auch weiter helfen. Aber das Problem ist: Dazu kamen weitere 217 000 Asylerstanträge aus dem Bereich der irregulären Migration, und im Januar dieses Jahres waren es bereits 29 000. Rechnen Sie Sie mal hoch, was das für die nächsten zwölf Monate bedeuten würde.

(Clara Bünger [DIE LINKE]: Die Anerkennungsquote liegt nur bei 70 Prozent!)

In der Hälfte dieser Fälle besteht kein Schutzanspruch.

(Clara Bünger [DIE LINKE]: Das stimmt doch nicht!)

In meiner Heimatzeitung „Main-Echo“ können Sie heute Morgen unter der Überschrift „Sorge um Integration“ – da geht es um die Aufnahme von Menschen in der Gemeinde Großostheim – nachlesen, dass die Regierung von Unterfranken mitgeteilt hat, dass aktuell nach Bayern 75 bis 80 Prozent der ankommenden Menschen allein reisende junge Männer aus Syrien und Afghanistan sind.

(Sebastian Hartmann [SPD]: Und das entnehmen Sie der Zeitung?)

Es sind genau nicht die Familien, von denen Sie hier heute Morgen wieder gesprochen haben. Das ist die Realität in Deutschland.

(Beifall bei der CDU/CSU)

Kollegin Lindholz, gestatten Sie eine Frage oder Bemerkung der Kollegin Bünger?

Nein.

Der Kanzler schweigt eisig, und das seit Monaten. Die Innenministerin hat noch im November hier Folgendes gesagt – ich zitiere das Plenarprotokoll vom 24. November 2022 –: Meine Damen und Herren, wir haben keine große Migrationskrise. – Liebe Kolleginnen und Kollegen, wie viel Realitätsverweigerung geht eigentlich noch?

(Beifall bei der CDU/CSU – Dr. Johannes Fechner [SPD]: Das stimmt doch gar nicht! Blödsinn!)

Was Sie hier mit den Kommunen, mit den Bürgermeistern, mit den Gemeinderäten, mit den Landräten, mit allen Kommunalparlamenten machen, das ist kein Krisenmanagement, das ist schlicht und ergreifend Realitäts- und Arbeitsverweigerung.

Unser Antrag ist vier Monate alt; aber in unserem Antrag ist alles noch aktuell.

(Lachen bei Abgeordneten der SPD)

In diesen vier Monaten haben Sie nichts, aber auch gar nichts auf die Reihe gebracht, und die Einsetzung eines Rückführungsbeauftragten ist noch lange keine Rückführung.

(Beifall bei der CDU/CSU)

Bundesimmobilien können die Probleme nicht lösen; das wissen wir. Der Bund hat nicht ausreichend Immobilien. Was wir also brauchen, ist endlich eine Begrenzung der irregulären und illegalen Migration.

(Filiz Polat [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Mein Gott!)

Dafür gibt es natürlich Maßnahmen. Es ist ein Bündel.

(Filiz Polat [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Wer ist denn bei Ihnen illegal? Jesidinnen und Jesiden?)

Es sind viele Maßnahmen: Rückführungsoffensive umsetzen, Druck auf die Länder machen, die nicht abschieben, Binnengrenzen lageangepasst kontrollieren, freiwillige Aufnahmeprogramme, zum Beispiel für Afghanistan, aussetzen, sichere Herkunftsländer endlich beschließen. Das sind nur vier Maßnahmen.

(Dr. Bernd Baumann [AfD]: Was haben Sie denn eigentlich 16 Jahre lang gemacht?)

Was machen Sie? Sie setzen neue Fehlanreize in die Welt, die zu weiterer irregulärer Migration führen, und das ist ein Fehler.

(Beifall bei der CDU/CSU – Filiz Polat [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Ist die Aufnahme von Afghaninnen und Afghanen illegal? Ist die Aufnahme von schutzberechtigten Syrerinnen und Syrern illegal?)

Deutschland ist stark. Deutschland ist hilfsbereit. Aber die Kommunen zeigen uns ganz klar: Unsere Aufnahmekapazitäten sind begrenzt. – Natürlich sind Sie im übrigen Europa vollkommen isoliert.

(Filiz Polat [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Ist die Aufnahme von Iranerinnen und Iranern und politisch Verfolgten illegal?)

Dass Sie das selber noch nicht gemerkt haben, ist genau die gleiche Realitätsverweigerung.

Eine gute Möglichkeit, um auf Herkunftsstaaten Einfluss zu nehmen, die ihre Bürger nicht zurücknehmen, wäre der Visahebel. Was erleben wir da? Beim JI‑Rat im Januar in Stockholm lehnt Frau Faeser den Visahebel ab. Der Kanzler stimmt im Rat in Brüssel im Februar – offensichtlich auf Druck seiner Kollegen – dem Visahebel zu. Ich bin gespannt, was Sie jetzt machen. Ich kann Ihnen nur empfehlen, sich an dem Visahebel zu beteiligen, um Druck auf die Länder auszuüben, auf die ja offensichtlich zumindest auch die FDP Druck ausüben will.

(Beifall bei der CDU/CSU – Clara Bünger [DIE LINKE]: Das passiert doch längst!)

Was ist also entscheidend in der Migrationskrise? Entscheidend ist, dass wir uns endlich der Sorgen der Kommunen annehmen. Entscheidend ist, dass der Kanzler dieses Thema zur Chefsache macht. Denn eins haben wir gesehen: Die Bundesinnenministerin kann es offensichtlich nicht. Deswegen empfehle ich auch, unserem Antrag heute zuzustimmen.

(Beifall bei der CDU/CSU – Dr. Bernd Baumann [AfD]: „Wir schaffen das!“)

Das Wort hat die Kollegin Filiz Polat für die Fraktion Bündnis 90/ Die Grünen.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der SPD)


Daten
Quelle Deutscher Bundestag, Nutzungsbedingungen
Quellenangabe Deutscher Bundestag via Open Parliament TV
Abgerufen von http://dbtg.tv/fvid/7551281
Wahlperiode 20
Sitzung 88
Tagesordnungspunkt Migrationspolitischer Sonderweg in Europa
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