Detlef SeifCDU/CSU - Europäische Migrationspolitik
Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Meine Damen und Herren! Im vergangenen Jahr sind über 1 Million Ukrainer zu uns gekommen, denen wir Schutz gewähren, und zusätzlich über 200 000 weitere Drittstaatsangehörige, die einen Asylantrag oder Antrag auf internationalen Schutz stellen. Seit November letzten Jahres haben rund 30 000 Personen einen Asylantrag gestellt. Hochgerechnet würde das bedeuten: rund 360 000 in diesem Jahr. Das überfordert unser Land. Ich wundere mich in dieser Debatte: Niemand von Ihnen hat die Worte „Überforderung“,
(Filiz Polat [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Sie sind überfordert! Die Türkei hat 4 Millionen aufgenommen!)
„Belastung“, „Hilferufe aus den Kommunen“ auch nur im Ansatz in den Mund genommen. Das ist überhaupt nicht nachvollziehbar, meine Damen und Herren.
(Beifall bei der CDU/CSU)
Was ich Ihnen nicht vorwerfe, ist dieser hoher Migrationsdruck in der Welt, der sich natürlich auch bei uns bemerkbar macht.
(Zuruf von der SPD: Ach?)
Was ich Ihnen aber vorwerfe, ist, dass Sie in dieser Situation die falschen Weichen stellen. Ich sage an dieser Stelle auch: Sie haben eine falsche und für unser Land sehr gefährliche Grundeinstellung.
(Filiz Polat [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Also, die haben Sie ja wohl!)
Rebecca Harms, eine der Grünen, die eine Neuausrichtung der Asylpolitik verlangen,
(Filiz Polat [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Atompolitikerin! – Clara Bünger [DIE LINKE]: Sehr schlimm!)
bringt es auf den Punkt, wenn sie davon spricht, dass es bei Ihnen einen Unwillen gibt, sich zur Kontrolle der Zuwanderung auch nur im Ansatz zu bekennen. Wir brauchen internationalen Schutz auf der einen Seite, aber auch Kontrolle, Sicherheit, Steuerung und Ordnung auf der anderen. Das gehört zusammen.
(Beifall bei der CDU/CSU)
Sie aber betreiben eine Politik der offenen Türen und nehmen keine Rücksicht auf deutsche Sicherheitsinteressen.
(Filiz Polat [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Also, es ist so was von unverschämt!)
Bei der Zuwanderung von Menschen aus der Ukraine hat die Union von Anfang an gefordert und auch immer wieder nachgefragt – ich kann mich erinnern –: Wie sieht es aus mit der Verteilung? Das muss doch gerecht sein innerhalb der Europäischen Union. Es kann doch nicht sein, dass Menschen,
(Zuruf der Abg. Filiz Polat [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN])
die in einem anderen Mitgliedstaat schon Schutz erhalten haben, zu uns kommen und hier aufgenommen werden. – Das war überhaupt kein Thema.
(Filiz Polat [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Das hat doch alles nur funktioniert, weil sie bei ihren Verwandten zunächst unterkommen konnten! 80 Prozent leben bei ihren Verwandten!)
Aber ich glaube, die Innenministerin erkennt das langsam und nimmt sich des Problems an.
(Beifall des Abg. Josef Oster [CDU/CSU])
Die Ampelregierung hat eine Koalition der Aufnahmewilligen auf den Weg gebracht; wir haben schon darüber gesprochen. Wir sollen wieder die Hauptlasten tragen.
(Filiz Polat [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Oh!)
Sie geben Identitätstäuschern durch das Chancen-Aufenthaltsgesetz ein Aufenthaltsrecht.
(Sebastian Hartmann [SPD]: Das stimmt nicht! – Helge Lindh [SPD]: Blödsinn!)
Sie wollen ermöglichen, dass Asylantragsteller allein durch ihre eidesstattliche Versicherung ihre Identität belegen können.
(Filiz Polat [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Das sagt das Bundesverwaltungsgericht!)
Sie haben keine Personaldokumente dabei. Sie nehmen in der aktuell schwierigen Situation in Kauf, dass 1 000 Afghanen pro Monat, insgesamt 40 000 im Rahmen eines Aufnahmeprogramms, zu uns kommen.
(Filiz Polat [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Wo soll das an der Grenze gehen?)
Und die Krönung der Sache ist: Es werden von der Bundesrepublik Deutschland wieder neue Ortskräfte eingestellt – in Afghanistan. Erklären Sie das mal irgendjemandem!
(Beifall bei der CDU/CSU – Zuruf des Abg. Sebastian Hartmann [SPD])
Kollege Seif, ich habe die Uhr angehalten. Gestatten Sie eine Frage oder Bemerkung der Kollegin Bünger?
Ja, wie letztes Mal, gerne.
Herr Kollege Seif, weil Sie hier davon sprechen, dass die Menschen irregulär aus Afghanistan oder anderen Ländern einreisen:
(Filiz Polat [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Genau, klär mal auf!)
Was sagen Sie eigentlich dazu, dass die Anerkennungsquote, also die bereinigte Schutzquote, bei den Menschen, die nach Deutschland kommen und hier Schutz suchen, bei über 70 Prozent liegt?
(Alexander Throm [CDU/CSU]: 55!)
Ich frage Sie: Wie können Sie ständig von irregulärer Migration sprechen,
(Filiz Polat [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: So ist das!)
wenn die überwiegende Mehrheit hier in Deutschland einen Schutzanspruch hat?
(Beifall bei der LINKEN sowie bei Abgeordneten der SPD und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)
Ich werde meine Rede noch mal durchlesen, aber ich meine: Diesen Begriff habe ich in dieser Rede nicht verwendet.
(Filiz Polat [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Oh! Ja, ja, ja! – Hakan Demir [SPD]: Aber Ihre Kollegin!)
Aber: Ich nehme einmal die Zahl, die Sie genannt haben: 70 Prozent.
(Filiz Polat [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Wenn Die Linke das sagt, wird das schon stimmen!)
Das heißt – wer rechnen kann –: 30 Prozent haben keinen Schutzanspruch. 30 Prozent von über 200 000 Menschen, das macht über 60 000 Menschen – pro Jahr. Und wir haben eine Migrationspolitik, die es durch Pull-Effekte geradezu gestattet und erlaubt, hierherzukommen.
(Filiz Polat [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: In Syrien und Afghanistan ist Krieg!)
Ich will Ihnen an dieser Stelle eines sagen, weil vorhin das von den toten Menschen im Mittelmeer mitgeteilt wurde: Was ist denn eigentlich die Ursache dafür?
(Filiz Polat [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Krieg!)
Die Ursache ist doch, dass es Schlepperorganisationen gibt, dass es NGOs gibt,
(Zuruf der Abg. Filiz Polat [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN])
dass man Aussicht hat, in die Europäische Union zu kommen. Was wir brauchen, ist eine Organisation der Seenotrettung und sichere Häfen im Bereich Nordafrika. Wir wissen: Bei Libyen gibt es Probleme,
(Beifall bei Abgeordneten der AfD)
die es von Ihnen zu bereinigen gilt. Hier werden die Menschen illegal, irregulär, gegen das Völkerrecht aufgenommen.
(Anke Hennig [SPD]: Sie sollten sich schämen!)
Sie müssen den nächsten sicheren Hafen anlaufen können, und die müssen wir einrichten. Dann werden wir auch dieses Sterben, was uns alle betroffen macht, in der Zukunft vermeiden können.
(Beifall bei der CDU/CSU – Enrico Komning [AfD]: Genau! Das hat Seehofer schon so gemacht!)
Ich habe nur ein paar Punkte aufgelistet. Aber Sie wollen bei den subsidiär Schutzberechtigten demnächst auch den Familiennachzug unbegrenzt eröffnen. Wir werden es wahrscheinlich auch hier mit einer dreistelligen Zahl im Tausenderbereich zu tun haben.
(Clara Bünger [DIE LINKE]: Familieneinheit ist ein Grundrecht! Familien gehören zusammen!)
Sie wollen ein sogenanntes Fachkräftezuwanderungsgesetz auf den Weg bringen, das aber – wir haben es studiert – nur geringe Anforderungen an die Arbeitswelt und an die Kenntnisse und Fähigkeiten stellt.
(Konstantin Kuhle [FDP]: Es muss aber erst mal jemand in den Arbeitsmarkt zuwandern! Es ist ja nie was passiert!)
Sie verwechseln Migration, Zuwanderung im Rahmen des Asyls und Fachkräftezuwanderung. Auch da liegt ein großer Fehler.
(Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU)
Das Politikmagazin „Cicero“ hat den Fall Mohammad G. aufgedeckt.
(Konstantin Kuhle [FDP]: Das ist ja krass!)
Hier hat das Auswärtige Amt die Auslandsvertretung trotz eines nachweislich gefälschten Passes angewiesen, ein Visum zu erteilen.
(Andrea Lindholz [CDU/CSU]: Unglaublich!)
Welcher Fall soll noch deutlicher vor Augen führen,
(Konstantin Kuhle [FDP]: Was ist das denn?)
dass für die Ampel Sicherheitsinteressen unseres Landes zweitrangig sind?
(Schahina Gambir [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Sie sollten sich schämen!)
Sie haben ein falsches Mindset.
(Konstantin Kuhle [FDP]: Wenigstens haben wir eins!)
Und, meine Damen und Herren: Wir schaffen das nicht, es sei denn, Sie ändern radikal Ihre Ansätze in der Migrationspolitik.
Vielen Dank.
(Beifall bei der CDU/CSU)
Quelle | Deutscher Bundestag, Nutzungsbedingungen |
Quellenangabe | Deutscher Bundestag via Open Parliament TV |
Abgerufen von | http://dbtg.tv/fvid/7551289 |
Wahlperiode | 20 |
Sitzung | 88 |
Tagesordnungspunkt | Europäische Migrationspolitik |