02.03.2023 | Deutscher Bundestag / 20. WP / Sitzung 88 / Zusatzpunkt 2

Ralf StegnerSPD - Verhandlungsinitiative zur Beendigung des Ukraine-Krieges

Lade Interface ...
Anmelden oder Account anlegen






Sehr geehrte Frau Präsidentin! Meine lieben Kolleginnen und Kollegen! Sehr geehrter Herr Kollege Gysi, mit Ihren eigentlichen intellektuellen Fähigkeiten wissen Sie selbst mehr um die Probleme Ihres Antrags, als Ihnen lieb sein kann. Dabei geht es gar nicht so sehr um das, was darin steht – da ist auch manches richtig –; entscheidend ist, was nicht drinsteht. Und mehr noch: Der Unterschied zwischen Wort und Tat, zwischen der Schlussversion Ihres Antrages und dem öffentlichen Auftritt des Demotandems Wagenknecht/Schwarzer ist geradezu erschreckend.

(Beifall der Abg. Dr. Marie-Agnes Strack-Zimmermann [FDP])

Hat Frau Wagenknecht dem Antrag eigentlich zugestimmt?

Seit über einem Jahr suchen wir nach Wegen, wie wir endlich Frieden in Europa erreichen können. Leid, Tod, Zerstörung und russische Kriegsverbrechen in der Ukraine gehen ungebrochen weiter. Trotz inzwischen Hunderttausender Tote ist noch immer kein Ende in Sicht. Das ist entsetzlich, und jeder neue Kriegstag ist bedrückend. Gerade deshalb fehlt mir wirklich jedes Verständnis, mit welcher Kälte Ihre Fraktionskollegin Wagenknecht im Fernsehen das unglaubliche Leid der ukrainischen Zivilbevölkerung und Vergewaltigungen durch russische Soldaten kommentiert.

(Beifall bei der SPD, dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und der FDP sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU)

Die glatte Politrhetorik zum Krieg vor unserer Haustür und die PR-getriebene Selbstverliebtheit der Demoleitung beschädigen die Glaubwürdigkeit von Friedensappellen hier im Bundestag maximal.

(Zuruf des Abg. Matthias W. Birkwald [DIE LINKE])

Das ist keine linke Friedenspolitik, meine sehr verehrten Damen und Herren.

(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN und der FDP)

Ihr Antrag fordert: „Diplomatie statt Panzer“; das ist mir wirklich nicht unsympathisch. Auch gegen eine Verhandlungsinitiative zur Beendigung des Krieges kann man wenig einwenden, solange Putins Versuch, die Grenzen mit Gewalt zu verschieben, nicht belohnt wird. Ich freue mich übrigens darüber, wenn Menschen für Frieden demonstrieren; ich habe das selbst oft genug getan. Ich halte auch nichts von der pauschalen Diffamierung von Demonstranten, Intellektuellen und Unterstützern diverser Aufrufe, auch wenn ich die Auffassung nicht teile und manche Formulierung überhaupt nicht teile.

Was aber gar nicht geht, ist, hier Anträge für Friedensverhandlungen zu stellen und gleichzeitig gemeinsam mit Rechtsextremisten auf die Straße zu gehen,

(Beifall bei der SPD, dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und der FDP sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU – Widerspruch bei der LINKEN)

ohne dass sich die Fraktionsführung eindeutig distanziert. Ich habe hier bei der Debatte zu dem scheinheiligen AfD-Friedensantrag betont, dass es den Rechten nie um Frieden, sondern immer um die Unterstützung des russischen Diktators geht. Meine lieben Kolleginnen und Kollegen der Linken, Sie müssen sich schon entscheiden: Wer sich nicht klar von Rechtsextremisten, Antisemiten und Reichsbürgern abgrenzt und nicht jede – ich meine, wirklich jede – Form der Zusammenarbeit verweigert, der steht nicht glaubwürdig für Frieden und der steht auch nicht links.

(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der FDP)

Die Erklärung von Sahra Wagenknechts Ehemann, der nun wirklich kein Politikneuling ist, man mache keine Gesinnungsprüfung bei Demos, ist eine intellektuelle Beleidigung.

(Beifall bei Abgeordneten der SPD, des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN und der FDP)

Mit rechten Demokratiefeinden macht man niemals, nirgendwo und aus keinem Anlass gemeinsame Sache, meine sehr verehrten Damen und Herren.

(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN und der FDP – Norbert Kleinwächter [AfD]: Aber mit linken Demokratiefeinden!)

Man muss sich schon fragen, warum der Neonazi Björn Höcke Ihre ehemalige Fraktionsvorsitzende zum Eintritt in seine AfD-Truppe auffordert. Was wollen Sie sich eigentlich noch alles gefallen lassen? Wollen Sie warten, bis eine „Liste Wagenknecht“ rechts auf Stimmenfang geht?

Ich diskutiere gerne mit Ihnen über eine progressive Außen- und Friedenspolitik, die die europäische Friedensordnung wiederherstellt.

(Zuruf des Abg. Ates Gürpinar [DIE LINKE])

Wir brauchen keine Konjunkturprogramme für Rüstungsindustrie, wir brauchen auch keine Kriegswirtschaft; da sind wir uns einig. Was wir aber brauchen, ist eine moderne und gut ausgestattete Parlamentsarmee, die fähig ist, ihre Bündnisverpflichtungen und Aufgaben der Landesverteidigung zu erfüllen. Deshalb – und nicht aus Aufrüstungsgründen – haben wir dem Sondervermögen für die Bundeswehr von 100 Milliarden Euro zugestimmt.

(Beifall bei der SPD)

Wir werden Ihrem Antrag nicht zustimmen, weil manches fehlt und anderes einfach falsch ist. Den Vorwurf, wir würden ausschließlich auf militärische Mittel setzen und die Fortsetzung des Krieges stabilisieren, mögen Sie bitte an die richten, die sich in der öffentlichen Debatte ständig so äußern; mit denen setze ich mich übrigens auch auseinander. Für den Bundeskanzler, für die Bundesregierung, für die sozialdemokratische Bundestagsfraktion gilt das Gegenteil. Die Bürgerinnen und Bürger können sich darauf verlassen: Wir unterstützen die Ukraine bei ihrer Selbstverteidigung – politisch, ökonomisch, humanitär und auch militärisch –, solange es notwendig ist.

(Beifall bei Abgeordneten der SPD)

Wir werden mit Deutschland und der NATO definitiv keine Kriegsteilnehmer. Wir handeln stets gemeinsam mit unseren Verbündeten in Washington und Paris. Wir unterstützen jede seriöse diplomatische Anstrengung für Frieden. Ihrer Aufforderung an die Bundesregierung bedarf es wirklich nicht.

Zusammengefasst: Ihre Worte höre ich wohl, allein mir fehlt der Glaube, dass die gesamte Linke bereit ist, diesen Krieg als das zu beschreiben, was er ist: ein illegaler, verbrecherischer und imperialistischer Raubzug Russlands gegen die Ukraine. Lassen Sie das antiamerikanische Geraune; das ist von rechts genauso unsympathisch wie von links. Es gibt genau einen, der für den Krieg verantwortlich ist, und der heißt Wladimir Putin, meine sehr verehrten Damen und Herren.

(Beifall bei der SPD und der FDP sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)

Bringen Sie Wort und Tat in Einklang! Schließen Sie Ihre rechte Flanke! Lassen Sie uns gerne weiter konstruktiv über moderne linke Friedenspolitik streiten! Darum handelt es sich aber nicht, wenn man Opfer und Täter durcheinanderbringt. Darum handelt es sich nicht, wenn man Menschen verweigert, sich zu wehren. Darum handelt es sich schon gar nicht, wenn man kein Mitgefühl für die hat, die darunter zu leiden haben. Dieser Teil muss uns dazu bewegen, dafür zu sorgen, dass wir dahin kommen.

(Zurufe der Abg. Matthias W. Birkwald [DIE LINKE] und Ates Gürpinar [DIE LINKE])

– Sie wissen sehr genau, dass ich mich mit denen kritisch auseinandersetze, die nur die militärische Dimension sehen. Mein Fraktionsvorsitzender hat dazu heute eine sehr kluge Rede gehalten.

Wir müssen die internationale Ordnung wiederherstellen. Das geht aber nur, wenn man sich ehrlich macht, wenn man nicht mit zweierlei Maßstäben misst, und schon gar nicht, wenn man mit Demokratiefeinden zusammen irgendwas auf der Straße macht.

Vielen herzlichen Dank.

(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN und der FDP)

Der Kollege Dr. Johann Wadephul hat das Wort für die CDU/CSU-Fraktion.

(Beifall bei der CDU/CSU)


Daten
Quelle Deutscher Bundestag, Nutzungsbedingungen
Quellenangabe Deutscher Bundestag via Open Parliament TV
Abgerufen von http://dbtg.tv/fvid/7551293
Wahlperiode 20
Sitzung 88
Tagesordnungspunkt Verhandlungsinitiative zur Beendigung des Ukraine-Krieges
00:00
00:00
00:00
00:00
Keine
Automatisch erkannte Entitäten beta