Johann WadephulCDU/CSU - Verhandlungsinitiative zur Beendigung des Ukraine-Krieges
Frau Präsidentin! Meine lieben Kolleginnen und Kollegen! Die Debatte zur Regierungserklärung des Bundeskanzlers heute hat schon gezeigt, dass die Fraktionen in der Mitte dieses Hauses in ihrer Solidarität mit dem ukrainischen Volk eng zusammenstehen. Ich kann mich den Worten des Kollegen Stegner und auch dem, was der Bundeskanzler und mein Fraktionsvorsitzender heute Morgen gesagt haben, nur anschließen: Es ist ein verbrecherischer Krieg, den Präsident Putin angezettelt hat, den allein er zu verantworten hat.
Herr Kollege Gysi, was an Ihrem Nebeneinanderstellen der zwei von Ihnen definierten Gruppen hier in Deutschland so falsch ist, ist, dass Sie so tun, als seien sie gleichberechtigt in ihrem moralischen Anspruch. In diesem Krieg gibt es eine Seite, die angegriffen hat, und eine andere Seite – das ist die ukrainische Seite –, die jedes moralische, übrigens auch jedes völkerrechtliche Argument hat, sich zu verteidigen; und das ist die Seite, an die wir als Deutsche gehören.
(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der SPD und der FDP)
Ich glaube, es ist von entscheidender Bedeutung, dass wir hier Unterschiede nicht verwischen, dass wir Verantwortlichkeiten benennen und dass wir Maßstäbe einhalten, die wir dann in der Tat auch anderswo auf der Welt anwenden. Sie bedienen hier im Ergebnis das Narrativ Putins. In der Tat ist ja auffällig gewesen, dass der Beifall von der AfD-Fraktion für Ihre Rede mindestens genauso groß gewesen ist wie der Beifall, den Sie aus den eigenen Reihen bekommen haben.
(Konstantin Kuhle [FDP]: Mindestens!)
Darüber sollten Sie nachdenken.
(Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU, des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN und der FDP – Beifall bei der AfD – Enrico Komning [AfD]: Weil er recht hat!)
Ich glaube, wir haben hier eine gemeinsame Verantwortung, die demokratische Mitte, übrigens auch die parlamentarische Mitte und den Parlamentarismus aufrechtzuerhalten. Ich will das jetzt an dieser Stelle mal sagen: Die Art und Weise, wie die Kollegin Wagenknecht über dieses Parlament, dem sie angehört – und für diese Zugehörigkeit bezieht sie ja Diäten –, hinweggeht,
(Konstantin Kuhle [FDP]: So ist es!)
indem sie in keinem Ausschuss Mitglied ist, reihenweise nicht an Abstimmungen, auch namentlichen Abstimmungen, teilnimmt und es auch heute, an diesem Parlamentstag, nicht für nötig hält, auch nur eine Sekunde in diesem Haus zu verbringen, ist eine Missachtung des Parlamentarismus und ist nicht akzeptabel, liebe Kolleginnen und Kollegen.
(Beifall bei der CDU/CSU, der SPD, dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und der FDP)
Ein kluger Journalist hat in den letzten Tagen einen Kommentar geschrieben, der deutlich gemacht hat, dass es im Kern Demokratiefeindlichkeit ist, was Frau Wagenknecht zum Ausdruck bringt. Ich schließe mich dem an, mal völlig abgesehen von den zusätzlichen antisemitischen Einsprengseln, die außerordentlich unappetitlich sind.
Ich mache mich nicht anheischig, wie der Kollege Stegner hier zu formulieren, was gute linke Politik ist. Da wäre ich mit Sicherheit der Falsche.
(Heiterkeit bei Abgeordneten der SPD – Dr. Joe Weingarten [SPD]: Dafür sind wir dankbar!)
An der Stelle wäre vielleicht sogar der Kollege Stegner der Richtige.
(Zuruf von der LINKEN: Das glaube ich auch!)
Aber ich glaube, wir haben eine gemeinsame Verantwortung in diesem Hause, aufmerksam zu sein, dass nicht wieder Dinge passieren, die in diesem Land zu unseligen Zeiten die Grundlage dafür geschaffen haben, dass Nationalsozialisten die Macht übernommen haben.
Herr Wadephul.
Ich würde gerne fortführen, Frau Präsidentin.
Gut, keine Zwischenfragen.
Das heißt, dass wir bei allem parteipolitischen Streit den Kern dessen, was sachliche Auseinandersetzungen, aber auch was Achtung von Institutionen und von grundlegenden Regeln unseres demokratischen Gemeinwesens angeht, gemeinsam erhalten.
Da stelle ich fest: Hier verwischen die Grenzen. Dabei ist weniger die Gefahr, dass sich hier ein Hufeisen schließt, sondern dass hier eine Gruppe von Politikern von ganz links und von ganz rechts Einfluss auf eine – leider – steigende Zahl von Bürgerinnen und Bürgern in unserem Land gewinnt, die sich von unserem demokratischen Gemeinwesen wegbewegen. Dem müssen wir uns alle entschlossen entgegenstellen.
(Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU, der SPD, des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN und der FDP – Zuruf des Abg. Dr. Harald Weyel [AfD] – Abg. Petr Bystron [AfD] und Robert Farle [fraktionslos] melden sich zu einer Zwischenfrage)
Herr Kollege, ich verstehe es so, dass Sie keine Zwischenfrage zulassen wollen.
Ich würde einfach zu Ende ausführen wollen. Ich habe ja noch eine Minute Zeit, Frau Präsidentin.
Das war nur meine Frage.
Ich würde abschließend einfach Folgendes sagen: In dem Aufruf wird ja die Behauptung aufgestellt, Russland sei atomar bewaffnet und man könne einen Krieg deswegen nicht verantwortungsvoll weiterführen und gewinnen. Das ist falsch, weil die Vereinigten Staaten von Amerika in Vietnam und die frühere Sowjetunion in Afghanistan eine andere Erfahrung gemacht haben.
Meine sehr verehrten Damen und Herren, das Perverse an dieser Überlegung ist – ich finde, das dürfen wir nicht vergessen; auch für die Zukunft –: Die Ukraine hat die eigenen Atomwaffen dem Land, das sie jetzt überfällt, in dem Vertrauen in die Hand gegeben, dass ihre Souveränität bewahrt wird. Liebe Kolleginnen und Kollegen, wenn wir nicht wollen, dass der Iran und Nordkorea daraus die falschen Schlüsse ziehen, müssen wir gerade gegenüber Russland an der Stelle eine besondere Härte und nicht eine besondere Weichheit zum Ausdruck bringen. Diese besondere Souveränitätsgarantie hat die Ukraine empfangen um den Preis der Abgabe von Atomwaffen. Das darf daher nicht dazu führen, dass die Souveränität verletzt wird, sondern dass sie extra geschützt wird. Deswegen verpflichtet uns das in besonderem Maße, der Ukraine zur Seite zu stehen.
Vielen Dank.
(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP sowie bei Abgeordneten der SPD und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)
Jetzt liegen zwei Bitten um eine Kurzintervention vor. Herr Bystron ist nachher noch selber dran. Die Kurzintervention von Herrn Farle lasse ich zu. Ich weise Sie aber darauf hin, dass Kurzinterventionen einer besonderen Begrenzung unterliegen, was das zeitliche Ausmaß angeht. – Bitte schön.
Quelle | Deutscher Bundestag, Nutzungsbedingungen |
Quellenangabe | Deutscher Bundestag via Open Parliament TV |
Abgerufen von | http://dbtg.tv/fvid/7551294 |
Wahlperiode | 20 |
Sitzung | 88 |
Tagesordnungspunkt | Verhandlungsinitiative zur Beendigung des Ukraine-Krieges |