Jürgen HardtCDU/CSU - Verhandlungsinitiative zur Beendigung des Ukraine-Krieges
Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Als ich die erste Fassung dieses heute hier vorliegenden Antrags gelesen habe, habe ich mir verwundert die Augen gerieben. Als Antragsteller standen Mohamed Ali und Bartsch darunter. Ich habe die Namen Chrupalla und Weidel vermisst,
(Widerspruch bei Abgeordneten der LINKEN)
weil das in der Tradition des Demonstrationsaufrufs vom vergangenen Samstag ein guter erster gemeinsamer Antrag von links und rechts außen in diesem Bundestag gewesen wäre.
(Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU und des Abg. Konstantin Kuhle [FDP] – Ates Gürpinar [DIE LINKE]: Müdes Klatschen!)
Wir erleben die Linksfraktion in einer Situation, in der sie den drohenden Untergang vor Augen sieht. Sie fischt im Trüben und hat mit dem neofaschistischen Beifang, den sie dabei einholt, kein Problem. Es ist diejenige Fraktion, die alle anderen demokratischen Fraktionen des Hauses stets mahnt, gegenüber rechts außen klare Kante zu zeigen,
(Kathrin Vogler [DIE LINKE]: Das tun wir auch!)
die genau diesen Grundsatz jetzt verletzt und kein Problem damit hat, dass Neofaschisten ihre Politik auch öffentlich unterstützen.
(Beifall bei der CDU/CSU, dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und der FDP sowie des Abg. Dr. Martin Rosemann [SPD] – Dr. Marie-Agnes Strack-Zimmermann [FDP], an DIE LINKE gewandt: Ihr entlarvt euch alle!)
Ich möchte zu den Inhalten kommen. Im Zentrum des Antrags steht der sofortige Waffenstillstand. Ein sofortiger Waffenstillstand würde bedeuten, dass russische Truppen dauerhaft – nämlich mindestens bis zum Ende des Waffenstillstands, vermutlich darüber hinaus – auf fremdem, nämlich ukrainischem, Boden stehen und dass Russland seine Truppen in der Ukraine stabilisieren und stärken könnte.
(Ates Gürpinar [DIE LINKE]: Das ist völliger Quatsch! – Kathrin Vogler [DIE LINKE]: Das ist absurd!)
Der Waffenstillstand würde in erster Linie dem russischen Angriffskrieg dienen. Deswegen ist es auch nicht verwunderlich, dass viele in Moskau diese Überlegungen genau so teilen und dass das auch Teil des chinesischen Vorschlags gewesen ist.
Diplomatie hat in diesem Konflikt eine große Chance gehabt. Die Entscheidung „Diplomatie statt Waffen“ haben wir 2014 getroffen. Ich erinnere mich an intensive Diskussionen – am Rande der Münchner Sicherheitskonferenz, in Washington und auch im Auswärtigen Amt – mit Kolleginnen und Kollegen beider Parteien aus dem Kongress, Republikaner wie Demokraten, die gesagt haben: Wir müssen die Ukraine aufrüsten, um den Preis für Putin in die Höhe zu treiben. – Wir Deutsche, auch wir in der CDU/CSU, haben gesagt: Wir wollen keine militärische Eskalation, sondern wir wollen eine diplomatische Lösung im Sinne des Normandie-Formats: Bundeskanzlerin Angela Merkel, Präsident Macron gemeinsam mit dem russischen und dem ukrainischen Präsidenten.
Diese acht Jahre hat Russland genutzt, um sich auf diesen Angriff gegen die Ukraine vorzubereiten. Wir sollten jetzt nicht den Fehler machen, wieder zu sagen: „Diplomatie vor Waffenlieferungen“, sondern beides muss möglich sein. Es gilt umgekehrt: Je stärker die Ukraine ist, desto näher kommen wir an den Punkt, an dem man im Kreml einsieht, dass die Fortführung des Kampfes ein größeres Risiko für Putin und den Kreml darstellt als das Eintreten in tatsächliche ernsthafte Verhandlungen. Ich bin davon überzeugt: Wenn dieser Punkt erreicht ist, wird man auch in Kiew und bei allen unterstützenden Nationen zum Ergebnis kommen, dass das der richtige Zeitpunkt ist.
Leider sind wir noch nicht an diesem Zeitpunkt. Es fehlt der Ukraine leider an Kraft, diesem Angriff im Frühjahr kraftvoll zu widerstehen. Ich fürchte, dass wir in den letzten drei Monaten eher eine Stärkung der russischen Truppen erlebt haben, weil wir mit Waffenlieferungen zu zögerlich waren.
In der Europäischen Union steht, wenn ich es richtig verstanden habe, am 20. März die Forderung Estlands auf der Tagesordnung des Auswärtigen Rates, einige Milliarden Euro zur Verfügung zu stellen, um Munition für die Ukraine bereitzustellen.
Eigentlich geht es ja nicht um Geld, sondern es geht um die Fragen: Wo ist die Munition? Wo sind konkret die Panzerhaubitzen, Granaten, die die Ukraine jetzt dringend braucht? Ich habe der Bundesregierung die Frage gestellt: Kann die deutsche Bundesregierung ausschließen, dass es in Deutschland ungenutzte Kapazitäten zur Herstellung solcher Granaten gibt, obwohl wir doch alle wissen und alle unsere Partner sagen, dass wir sie brauchen? Ich habe darauf bisher keine Antwort erhalten. Ich erwarte, dass die Bundesregierung sicherstellt, dass alle Kapazitäten in Deutschland bei der Rüstungsindustrie und in der Bundeswehr genutzt werden, um der Ukraine die notwendige Munition zur Verfügung zu stellen, damit wir eben an den Punkt kommen, wo die Diplomatie tatsächlich wieder eine Chance hat.
Ich möchte die letzte Minute meiner Rede darauf verwenden, mich der Frage zu widmen, wie die deutsche Bevölkerung, das deutsche Volk, zu diesem Krieg Russlands gegen die Ukraine steht.
Erstens glaube ich, dass es nur ganz, ganz wenige gibt – einige wenige von denen waren am vergangenen Samstag hier in Berlin –, die den Sieg Russlands über die Ukraine wollen. Ich glaube aber zweitens, dass es in Deutschland eine große Zahl von Menschen gibt, die der Meinung sind: Wenn wir Putin nur das geben, was er will, kommt der Friede zurück nach Europa, und wir haben Ruhe. – Sie billigen diesen Krieg Russlands gegen die Ukraine nicht, aber sie glauben, wenn die Ukraine nachgeben würde und wir die Ukraine darin bestärken, wäre der Konflikt zu Ende. Ich fürchte, dass dies eine Fehleinschätzung ist.
Die Antwort, die wir geben müssen, ist viel bitterer, nämlich, dass wir sagen: In dem Augenblick, in dem Russland bei der Eroberung der Ukraine Erfolg hat, geht der große Konflikt in Europa erst los. Früher oder später werden wir erleben, dass Moldau, Georgien, das Baltikum, am Ende sogar die NATO von Putin herausgefordert werden, wenn er sich durch Erfolge ermutigt fühlt, in diese Richtung zu gehen.
(Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU und des Abg. Ulrich Lechte [FDP])
Das ist leider eine bitterere Wahrheit als das Versprechen: Gebt doch Putin, was er will, und dann gibt es Ruhe. – Aber es ist, wie ich fürchte, die Wahrheit. Deswegen müssen wir die Ukraine nach Kräften unterstützen, damit sie diesen Kampf gewinnen kann. Und ich hoffe, dass wir in den nächsten Wochen auch mehr Dynamik und mehr Schwung entfalten, insbesondere seitens der Bundesregierung.
Herzlichen Dank.
(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN und der FDP)
Jamila Schäfer hat das Wort für Bündnis 90/Die Grünen.
(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der SPD und der FDP)
Quelle | Deutscher Bundestag, Nutzungsbedingungen |
Quellenangabe | Deutscher Bundestag via Open Parliament TV |
Abgerufen von | http://dbtg.tv/fvid/7551301 |
Wahlperiode | 20 |
Sitzung | 88 |
Tagesordnungspunkt | Verhandlungsinitiative zur Beendigung des Ukraine-Krieges |