Konstantin KuhleFDP - Aktuelle Stunde - Attraktiver und verlässlicher Öffentlicher Dienst
Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Von den aktuellen Tarifverhandlungen im öffentlichen Dienst sind ungefähr 2,5 Millionen Beschäftigte direkt oder indirekt betroffen. Sowenig der Deutsche Bundestag oder die Bundesregierung selbst über das Ergebnis der Verhandlungen bestimmen kann, so sehr sind diese Verhandlungen doch Anlass, den Beschäftigten im öffentlichen Dienst an dieser Stelle Dank, Respekt und Anerkennung auszusprechen.
(Beifall bei der FDP, der SPD und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie der Abg. Petra Nicolaisen [CDU/CSU])
Ich möchte das gerne vor allen Dingen mit Blick auf zwei Gruppen bzw. Themen tun, die von besonderer Relevanz sind. Das ist zum einen das Thema Migration. Wir haben die Situation, dass im vergangenen Jahr ungefähr 1 Million Menschen aus der Ukraine nach Deutschland gekommen sind. Die müssen versorgt werden. Die werden untergebracht und betreut von Beschäftigten unterschiedlicher staatlicher Ebenen. Es sind aber auch andere Menschen nach Deutschland gekommen – aus Syrien, aus dem Irak, aus Afghanistan –, die Asylanträge gestellt haben. Insgesamt ergibt sich daraus eine hohe Belastung für den öffentlichen Dienst. Das gilt für die Bundespolizei, das gilt für die Ämter vor Ort. All diesen Menschen, die sich um diejenigen, die zu uns kommen, kümmern, gilt ein besonderes Dankeschön.
(Beifall bei der FDP, der SPD und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU)
Zum anderen möchte ich die Gruppe der Soldatinnen und Soldaten ansprechen. Es ist – das wurde schon gesagt – guter Brauch, dass das Ergebnis dieser Tarifverhandlungen zügig auf weitere Bereiche des öffentlichen Dienstes übertragen wird. Hier müssen wir auch an die Soldatinnen und Soldaten denken, die für uns im Auslandseinsatz sind, beispielsweise in Litauen, oder die sich derzeit in Deutschland um die Ausbildung ukrainischer Soldaten kümmern. Sie leisten einen besonderen Beitrag. Es ist gut und richtig, dass die Bundeswehr wieder mehr ins Zentrum der gesellschaftlichen Debatte rückt. Es ist richtig, dass „Zeitenwende“ nicht ein bloßes Lippenbekenntnis ist, sondern auch bedeutet, dass wir uns mit den Menschen, die bei der Bundeswehr dienen, konkret auseinandersetzen und sie auch besser entlohnen.
(Beifall bei der FDP sowie bei Abgeordneten der SPD und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)
Es ist völlig klar – das ist hier schon angeklungen –, dass Respekt, Anerkennung und Dankeschön, dass warme Worte nicht alles sein können, sondern dass es am Ende auch um eine bessere finanzielle Entlohnung der Menschen gehen muss. Es ist nachvollziehbar, dass angesichts der finanziellen Belastungen und der hohen Inflation gerade im vergangenen Jahr die Gewerkschaften entsprechende Forderungen gestellt haben. Ich kann das sehr gut nachvollziehen, gerade mit Blick auf die unteren Besoldungsgruppen. Hier muss es eine deutliche Anhebung geben. Die Menschen müssen spüren, dass der Staat als Dienstherr sie in dieser besonderen Situation nicht alleine lässt.
(Beifall bei der FDP sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)
Gleichzeitig will ich an dieser Stelle ein bisschen Verständnis dafür zum Ausdruck bringen, dass die Bundesinnenministerin und das Bundesinnenministerium sich im ersten Schritt nicht sofort die Forderungen der Gewerkschaften zu eigen machen; denn wir müssen auch mal daran denken, woher das Geld eigentlich kommt, mit dem die Menschen im öffentlichen Dienst bezahlt werden. Jeder Euro, der im öffentlichen Dienst ausgegeben wird, muss zunächst in der Privatwirtschaft verdient werden. Deswegen ist es richtig, dass die Bundesregierung darauf achtet, dass das Geld nicht ohne jede Begründung, nicht ohne mal in Ruhe darüber nachzudenken, ob man vielleicht auch an die Strukturen heranmuss, ausgegeben wird. Deswegen ist es richtig, hier aufzupassen. Jeder Euro muss erst verdient werden. Deswegen haben wir Vertrauen in das Verhandlungsgeschick der Bundesinnenministerin.
(Beifall bei der FDP sowie bei Abgeordneten der SPD und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)
Ich glaube, dass wir, wenn wir über dieses Thema sprechen, auch über den gesamtgesellschaftlichen Rückhalt für den öffentlichen Dienst sprechen müssen. Wenn wir sehen, wie Polizeibeamtinnen und Polizeibeamte bei Demonstrationen angemacht werden, wie schon Leute, die einfach nur im Bürgeramt sitzen, beispielsweise von Reichsbürgern ganz schrecklich behandelt werden, dann finde ich das unerträglich. Deswegen sind diese Auseinandersetzungen, sind diese Debatten hier auch ein Grund, klarzumachen: Der gesellschaftliche Rückhalt für den öffentlichen Dienst muss in Deutschland besser werden.
(Beifall bei der FDP, der SPD und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie der Abg. Dr. Silke Launert [CDU/CSU])
Auch wir als Gesetzgeber können etwas machen. Wir können uns nicht nur angucken, was bei den Tarifverhandlungen geschieht, sondern haben als Gesetzgeber auch eine eigene Verantwortung. Das Bundesinnenministerium hat gerade einen Entwurf für ein Gesetz zur Sicherstellung einer amtsangemessenen Bundesbesoldung und ‑versorgung vorgelegt. Wir werden im Einzelnen darüber sprechen. Ich finde es nur wichtig, dass wir mit diesem Gesetz nicht bloß die Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts nachvollziehen, sondern dieses Gesetz auch nutzen, um ein paar strukturelle Reformen im öffentlichen Dienst auf die Reihe zu kriegen. Ich nenne erstens, stellvertretend aus dem Koalitionsvertrag, die Anerkennung gleichwertiger beruflicher Qualifikationen für höhere Karrierewege im öffentlichen Dienst. Ich nenne zweitens den Punkt, Einstellungsvoraussetzungen für praktische Erfahrungen zu öffnen. Und ich nenne drittens die IT-Fachkräfte, denen wir übrigens auch ermöglichen müssen, wieder aus dem öffentlichen Dienst herauszukommen. Es ist nicht unbedingt eine Lebensentscheidung, als IT-Fachkraft sein ganzes Leben beim Staat zu arbeiten; man will das vielleicht auch nur ein paar Jahre machen. In diese Richtung sollten wir denken. Dann bin ich optimistisch, wenn wir hier bald wieder über diese Tarifverhandlungen sprechen, nämlich dann, wenn wir das Ergebnis für die Beamten und weitere Gruppen übernehmen.
Vielen Dank.
(Beifall bei der FDP und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der SPD)
Der Kollege Pascal Meiser hat das Wort für Die Linke.
(Beifall bei der LINKEN)
Quelle | Deutscher Bundestag, Nutzungsbedingungen |
Quellenangabe | Deutscher Bundestag via Open Parliament TV |
Abgerufen von | http://dbtg.tv/fvid/7551322 |
Wahlperiode | 20 |
Sitzung | 88 |
Tagesordnungspunkt | Aktuelle Stunde - Attraktiver und verlässlicher Öffentlicher Dienst |