Natalie PawlikSPD - EU-Charta der Regional- oder Minderheitensprachen
Sehr geehrte Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Verehrte Zuschauerinnen und Zuschauer! Ich spreche zwar Hochdeutsch, doch die Kultur und Sprache von autochthonen Minderheiten und Regionen sichtbarer zu machen, sie zu schützen und zu fördern, das liegt mir als Beauftragte der Bundesregierung für Aussiedlerfragen und nationale Minderheiten sehr am Herzen.
(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN und der Abg. Gyde Jensen [FDP])
Deswegen freue ich mich sehr, dass wir heute dieses Thema hier im Plenum diskutieren.
Als Muttersprache vieler Menschen in Deutschland sind die Regional- und Minderheitensprachen für die Angehörigen der Minderheit, aber auch für unsere gesamte Gesellschaft prägend. Sprache ist zudem wichtig, um Kultur, Brauchtum und Traditionen weiterzugeben. Denn das geht am besten in der Sprache, mit der diese Bräuche und Traditionen untrennbar verknüpft sind.
Zusammen mit dem Rahmenübereinkommen zum Schutz nationaler Minderheiten ist die Sprachencharta die zentrale Vereinbarung in Europa, um nationale Minderheiten und ihre spezifischen Sprachen sowie Regionalsprachen zu bewahren und zu fördern.
Bei meinen verschiedenen Besuchen in den Siedlungsgebieten der einzelnen Sprachgruppen und dem persönlichen Austausch mit den Menschen vor Ort hat mich deren – oft ehrenamtliches – Engagement für den Erhalt und die Pflege der Sprache immens beeindruckt. Gerne möchte ich Ihnen hier ein paar Eindrücke aus dem Alltag schildern.
Dazu gehören zum Beispiel Altenpflegeeinrichtungen, in denen das Niederdeutsche fest im Alltag verankert wurde.
(Andreas Mattfeldt [CDU/CSU]: Ganz wichtig!)
Das Angebot reicht vom gemeinsamen Singen, Vorlesen auf Plattdeutsch bis hin zur Berücksichtigung der Sprache bei der Biografiearbeit und der Betreuung von Pflegebedürftigen. Denn für sie ist Plattdeutsch die Sprache ihrer Kindheit, in der sie ihre Gedanken und Gefühle am besten ausdrücken können.
Auch im Kunst- und Kulturbereich sind unsere Regional- und Minderheitensprachen fest verankert, zum Beispiel durch die große Szene der niederdeutschen Bühnen oder durch das Sorbische National-Ensemble, das nicht nur in Bautzen, sondern überregional ein mitreißendes Angebot für alle Generationen bereithält.
Im Gedichtband „Djiparmissa“ wurden klassische deutsche Gedichte ins Romanes übersetzt. Der Gedanke dahinter ist, das Bewusstsein für die Bedeutung der Sprache und Kultur zu stärken – mit Erfolg! „ Djiparmissa“ zeigt anschaulich, wie lebendig und vielfältig das Romanes ist.
Nordfriesisch und Saterfriesisch sind auf den zweisprachigen Ortseingangsschildern in Nordfriesland und im Saterland öffentlich präsent. Auch in der Lausitz bemerkt man dank der zweisprachigen Schilder an den Straßen, an den Ortseingängen und auf den Radwegen, dass dort Sorben und Wenden mit ihren Sprachen Obersorbisch und Niedersorbisch traditionell beheimatet sind.
Der Austausch zwischen Mehrheits- und Minderheitensprachen, der Austausch zwischen den dazugehörigen Kulturen, die nebeneinander eigenständig existieren, ist für den Zusammenhalt unserer Gesellschaft essenziell.
(Beifall bei Abgeordneten der SPD und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN und der Abg. Gyde Jensen [FDP])
Ganz besonders wichtige Orte der Begegnung und des alltäglichen Austauschs sind zum Beispiel die dänischen Schulen und Kindergärten in Schleswig-Holstein. Dort lernen schon die Kleinsten das friedliche Zusammenleben von Mehrheits- und Minderheitengesellschaft.
Auch an der Grundschule in Scharrel im Saterland habe ich erleben dürfen, wie Kinder mit den unterschiedlichsten Hintergründen und Herkünften voller Motivation gemeinsam Friesisch lernen.
(Beifall bei Abgeordneten der SPD und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)
Liebe Kolleginnen und Kollegen, diese Beispiele zeigen eindrucksvoll: Minderheitensprachen sind quicklebendig. Sie sind Ausdruck von Vielfalt. Für die Sprechenden sind sie Teil ihrer kulturellen Identität. Für uns alle sind sie einzigartiger Bestandteil des kulturellen Lebens in Deutschland und in Europa. Es gilt jetzt, sie zu erhalten und zu fördern.
Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit.
(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN und der FDP und des Abg. Andreas Mattfeldt [CDU/CSU])
Für die CDU/CSU-Fraktion folgt Christoph de Vries.
(Beifall bei der CDU/CSU)
Quelle | Deutscher Bundestag, Nutzungsbedingungen |
Quellenangabe | Deutscher Bundestag via Open Parliament TV |
Abgerufen von | http://dbtg.tv/fvid/7551339 |
Wahlperiode | 20 |
Sitzung | 88 |
Tagesordnungspunkt | EU-Charta der Regional- oder Minderheitensprachen |