02.03.2023 | Deutscher Bundestag / 20. WP / Sitzung 88 / Tagesordnungspunkt 9

Christoph de VriesCDU/CSU - EU-Charta der Regional- oder Minderheitensprachen

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Frau Präsidentin! Leve Kolleginnen un Kollegen! Ik snack leider keen Plattdüütsch, ofschons mien Vadder veer Plattoorten snackt. Aver ik heff ok en wichtig Thema mitbröcht; aver dat maak ik jetzt mal in Hochdüütsch.

Ich möchte einsteigen mit dem Koalitionsvertrag der Ampelregierung. Dort heißt es:

Die nationalen Minderheiten … sind selbstverständlicher Teil unserer vielfältigen Gesellschaft. Das gleiche gilt für das kulturelle Erbe der Vertriebenen, Aussiedlerinnen und Aussiedler und der Spätaussiedlerinnen und Spätaussiedler.

Diesen beiden Sätzen im Koalitionsvertrag ist im Grunde nichts hinzuzufügen. Wir unterstützen sie vollumfänglich. Wie wir wissen, hat sich die FDP gerade für den zweiten Satz starkgemacht, und deswegen möchte ich an dieser Stelle auch mal ausdrücklich Dank dafür sagen, dass Sie das mit aufgenommen haben.

(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der FDP und der Abg. Denise Loop [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN])

Wir haben viel gesprochen; aber was sind die konkreten Vorhaben der Regierung bei der Förderung der vier Minderheitensprachen? Man weiß es nicht. Im Koalitionsvertrag findet sich dazu jedenfalls kein Wort. Ganz bemerkenswert ist – das habe ich in der Vorbereitung gesehen –, dass die aktuelle Publikation des Bundesinnenministeriums zu den nationalen Minderheiten in Deutschland den Stand November 2020 hat. Das ist rund zweieinhalb Jahre her. Im Vorwort steht noch immer Bundesinnenminister Horst Seehofer, den ich an dieser Stelle herzlich grüßen möchte.

(Beifall bei der CDU/CSU)

Man merkt: Der Enthusiasmus, den wir heute in dieser Debatte haben, kann ruhig auch noch in die Regierungsarbeit Eingang finden.

Aber was diese Debatte zeigt, ist, dass für jede Minderheit die jeweils eigene Sprache identitätsstiftend ist. Die Europäische Charta von 1992 bildet gemeinsam mit dem Rahmenübereinkommen zum Schutz nationaler Minderheiten die wichtigste Grundlage zum Schutz autochthoner Minderheiten und ihrer Sprachen in Europa.

Aber wie sieht die Wirklichkeit in Europa aus? Es ist ausgerechnet der Sachverständigenausschuss der EU-Charta gewesen, der als eine der ersten Institutionen auf die massiven Einschränkungen des muttersprachlichen Deutschunterrichts in Polen aufmerksam gemacht hat. Viele wissen es vielleicht: Durch Verordnung ist zum 1. September letzten Jahres der muttersprachliche Deutschunterricht von drei Wochenstunden auf eine Wochenstunde gekürzt worden. Eine einzige Wochenstunde wird gelehrt. 50 000 Kinder der deutschen Minderheit in Polen sind von diesen Einschränkungen betroffen. Es ist die einzige Minderheit, die in dieser Form betroffen ist. Liebe Kolleginnen und Kollegen, aus unserer Sicht ist das eine eindeutige Diskriminierung und auch ein eklatanter Verstoß gegen die EU-Charta. Deswegen muss das an dieser Stelle heute auch einmal angesprochen werden.

(Beifall bei der CDU/CSU)

Ich will dabei aber auch den 14 nationalen Minderheiten in Polen, darunter auch den jüdischen und den ukrainischen Vertretern, herzlichen Dank sagen, weil sie sich mit der deutschen Minderheit solidarisch erklärt und das kritisiert haben; denn sie haben eins verstanden: Im Kern geht es um den Fortbestand der Minderheit in Polen. Diese Einschnitte bedrohen die kulturelle Identität der deutschen Minderheit.

Glücklicherweise teilt diese Bewertung auch die Bundesregierung. Ich freue mich deshalb sehr, dass die Bundesregierung einen Teil der Kürzungen mit 5 Millionen Euro zu kompensieren versucht hat – auch der Kollege Dietmar Nietan von der SPD hat sich hier sehr großartig engagiert –; aber es zeichnet sich leider jetzt schon ab, dass diese Mittel nicht reichen werden und dass ihre Verwendung hinsichtlich der flexiblen Gestaltung noch mal überprüft werden muss.

Dasselbe gilt übrigens auch für die verstärkte Förderung des Polnischunterrichts in Deutschland durch die Bundesregierung über KoKoPol in Sachsen. Auch hier müssen wir, glaube ich, noch mal ran.

Politisch ist aber – das will ich am Ende sagen – eins ganz entscheidend, nämlich dass die polnische Regierung ihren Beschluss zur Einschränkung des muttersprachlichen Deutschunterrichts revidiert.

(Dr. Götz Frömming [AfD]: Der ist aber auch nicht vom Himmel gefallen, der Beschluss!)

Das ist unsere Forderung als CDU/CSU-Fraktion, und die möchte ich heute deswegen vortragen.

(Beifall bei der CDU/CSU)

Wer auf deutscher Seite den Kampf gegen Diskriminierung zum erklärten Ziel seiner Innen- und Außenpolitik macht, der muss sich eben auch daran messen lassen, wie ernsthaft man sich auf Ministerebene für die Rechte von Kindern der deutschen Minderheit im Ausland einsetzt.

Vielen Dank.

(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der AfD – Dr. Götz Frömming [AfD]: Das war endlich mal ein vernünftiger Beitrag!)

Das Wort erhält unser fraktionsloser Kollege Stefan Seidler.

(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU, der FDP und der LINKEN – Gyde Jensen [FDP]: Denn man tau!)


Daten
Quelle Deutscher Bundestag, Nutzungsbedingungen
Quellenangabe Deutscher Bundestag via Open Parliament TV
Abgerufen von http://dbtg.tv/fvid/7551340
Wahlperiode 20
Sitzung 88
Tagesordnungspunkt EU-Charta der Regional- oder Minderheitensprachen
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