02.03.2023 | Deutscher Bundestag / 20. WP / Sitzung 88 / Tagesordnungspunkt 11

Stefan NackeCDU/CSU - Förderung eines inklusiven Arbeitsmarkts

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Sehr geehrte Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Vor genau einem Jahr, im März 2022, haben wir genau an diesem Ort unseren Unionsantrag zur inklusiven Arbeitswelt beraten. Damals haben die Rednerinnen und Redner der Ampel unter Verweis auf ihren Koalitionsvertrag vollmundige Versprechen gemacht und ein umfassendes Gesetz für einen inklusiven Arbeitsmarkt angekündigt. Wenn ich mir ansehe, was wir hier heute beraten, bin ich ein bisschen enttäuscht. Erwartet hatte ich einen großen Wurf, ich sehe aber nur ein Artikelgesetz mit relativ viel Klein-Klein.

(Beifall bei der CDU/CSU)

Ich könnte jetzt klagen und sagen: Warum haben Sie nichts getan? So haben Sie das vor einem Jahr in der Debatte uns gegenüber gemacht. Das will ich aber nicht. Denn wenn das Gesetz auch sehr technisch daherkommt: Es geht hier und heute um sehr viele Menschen mit ihrem jeweils individuellen Schicksal, das oft nicht einfach ist. Für genau diese Menschen müssen wir gemeinsam passfähige Lösungen finden.

Nahe beieinander sind wir beim Thema Genehmigungsfiktion für Anspruchsleistungen des Integrationsamtes. Nahe beieinander sind wir auch beim Thema Aufgabenschärfung der Inklusionsbetriebe. Wir begrüßen die Regelung zur Finanzierung der Bundesvertretung der Frauenbeauftragten in den Werkstätten, und wir begrüßen die Neuausrichtung des Sachverständigenbeirats Versorgungsmedizin hin zu mehr Partizipation. Das ist schon mal viel Konsens. Finden Sie nicht?

Aber jetzt kommt doch ein Aber – das haben Sie sich schon gedacht –: Bei ein paar Themen müssen wir noch mal genauer hinschauen. Dabei beziehe ich ein, was uns die Sozialverbände, VdK, Caritas und die Deutsche Rheuma-Liga, in ihren Stellungnahmen mitgegeben haben.

Punkt eins. Die Ausgleichsabgabe wird aufgrund der fehlenden Beschäftigung schwerbehinderter Menschen im ersten Arbeitsmarkt erhoben. Sie soll nur für besondere Leistungen zur Förderung schwerbehinderter Menschen im allgemeinen Arbeitsleben verwendet werden. Wir können noch mitgehen, dass Jugendliche und junge Erwachsene aus dem Fonds gefördert werden, wenn sie trotz fehlender Schwerbehinderung dennoch Leistungen zur Teilhabe am Arbeitsleben erhalten. Nicht mitgehen können wir jedoch bei dem Plan, dass Werkstätten zukünftig überhaupt keine Mittel mehr aus dem Ausgleichsfonds bekommen sollen, und das sieht auch die Caritas so. Diese Mittel fehlen zum Beispiel, um Menschen mit Schwerst- und Mehrfachbehinderungen beim Übergang in den ersten Arbeitsmarkt zu fördern. Sie sind auf eine individuelle Förderung angewiesen. Diese ist dann nicht mehr möglich. Das kann niemand wollen. Wir als Union wollen das nicht.

(Beifall bei der CDU/CSU)

Punkt zwei. Unter dem Stichwort „Budget für Arbeit“ sieht zum Beispiel die Caritas die Schwierigkeit, dass die Budgetnehmer zwar kranken-, renten- und pflegeversichert sind, aber aufgrund ihrer Rückkehroption in die Werkstätten keine Arbeitslosenversicherung haben. Dieses Rückkehrrecht sieht auf den ersten Blick gut aus. Es führt aber dazu, dass Menschen mit Behinderungen, die auf dem ersten Arbeitsmarkt gut integriert waren, in jedem Fall in ein Extrasystem zurückfallen. Vielleicht sollten wir es ihnen ermöglichen, durch eine Arbeitslosenversicherung im ersten Arbeitsmarkt zu bleiben, um zum Beispiel die Möglichkeit zu haben, Kurzarbeitergeld in Anspruch zu nehmen.

(Beifall bei der CDU/CSU sowie der Abg. Corinna Rüffer [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN])

Punkt drei. Warum halten Sie sich nicht an Ihren eigenen Koalitionsvertrag und lassen die vor einem Jahr eingerichteten Einheitlichen Ansprechstellen für Arbeitgeber bei diesem Gesetzentwurf außen vor? Sie hätten erste Erfahrungen dieser Ansprechstellen sammeln und auswerten können. Sie hätten weitere Maßnahmen zur Feinjustierung dieses Angebots für Arbeitgeber vornehmen können. Diese Chance hat die Ampel leider versäumt. Das beklagt auch die Deutsche Rheuma-Liga.

Den vierten und letzten Punkt mache ich als Berichterstatter der Unionsfraktion für Rente und Rehabilitation. Die Ampel hat im Koalitionsvertrag angekündigt, das betriebliche Eingliederungsmanagement stärken zu wollen. Wo wäre ein besserer Ort, um konkret zu werden, als bei diesem Gesetz? Ich kann mich dem Sozialverband VdK nur anschließen, der schreibt – Zitat –:

Durch eine frühzeitige Intervention könnte der weit überwiegende Teil chronisch kranker oder behinderter Menschen wieder eingegliedert werden. Arbeitslosigkeit und vorzeitiger Rentenbezug kosten ein Vielfaches mehr als eine sinnvolle Prävention und Rehabilitation.

Das finde ich absolut richtig. Es sind aktuell viel zu wenig Menschen, die ein Eingliederungsangebot erhalten. Da muss die Ampel noch mal ran.

(Beifall bei der CDU/CSU)

Im Sinne aller Menschen mit Behinderungen erwarte ich, dass aus diesem Klein-Klein-Gesetz doch noch ein großer Wurf wird. Also macht was, liebe Ampel!

(Beifall bei der CDU/CSU)

Für die SPD-Fraktion hat das Wort Angelika Glöckner.

(Beifall bei der SPD, dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und der FDP)


Daten
Quelle Deutscher Bundestag, Nutzungsbedingungen
Quellenangabe Deutscher Bundestag via Open Parliament TV
Abgerufen von http://dbtg.tv/fvid/7551371
Wahlperiode 20
Sitzung 88
Tagesordnungspunkt Förderung eines inklusiven Arbeitsmarkts
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