Helge LindhSPD - Aktuelle Stunde - Verdrängung Einheimischer auf dem Wohnungsmarkt
Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Wenn ich die Postings der AfD-Fraktion in Bezug auf die Situationen in Berlin-Wedding und in Lörrach sehe, wenn ich die Reden der sogenannten Bundestagsabgeordneten Münzenmaier und Bernhard höre, dann fällt mir unweigerlich ein Satz von Max Liebermann ein, gesprochen nach der Machtübernahme der Nazis. Der lautete – ich zitiere ihn hiermit –: „Ich kann gar nicht so viel fressen, wie ich kotzen möchte.“ Und das sage ich hier in aller Deutlichkeit.
(Roger Beckamp [AfD]: So sehen Sie auch aus!)
Es ist zutiefst widerlich, wie Sie versuchen, hier aus den vermeintlichen Skandalen von Lörrach und dem Seniorenstift im Wedding Profit zu schlagen.
(Norbert Kleinwächter [AfD]: Fragen Sie doch mal die Leute da!)
Es ist vor allem sehr bezeichnend, dass Sie sich ansonsten doch überhaupt nicht für die Rechte von Mieterinnen und Mietern interessieren.
(Zurufe von der AfD: Das ist eine Lüge!)
Sie haben sich bisher auch nicht durch besonderen Einsatz für Senioren hervorgetan, und Sie sind auch nicht Vorkämpfer für die Lage von Menschen in Armut – im Gegenteil!
(Widerspruch bei der AfD)
Nur aus dem Grunde, dass sich das für das Flüchtlingsthema nutzbar machen lässt, interessieren Sie sich dafür.
Wir sagen an dieser Stelle immer: Sie spielen die Gruppen gegeneinander aus.
(Zuruf von der AfD: Das machen Sie!)
Aber ich glaube, das ist viel zu harmlos ausgedrückt. Sie verachten nämlich – das ist die bittere Pointe des Ganzen –
(Zuruf des Abg. Peter Boehringer [AfD])
die 81-jährige Seniorin, deren vermeintliche Anwälte Sie sind, genauso wie den geflüchteten Mann aus Afghanistan. Warum? Ihnen ist doch völlig egal – auf Deutsch gesagt: scheißegal –, wie es diesem Mann geht.
(Zuruf des Abg. Roger Beckamp [AfD])
Es interessiert Sie überhaupt nicht. Sie nutzen ihn nur für Ihre Öffentlichkeitsarbeit, um damit punkten zu können.
(Zuruf von der AfD: Zum Thema bitte!)
Das heißt, sein Schicksal, seine Lebenssituation, über die Sie jetzt hier schon fast zu Tränen gerührt scheinheilig bis zum Anschlag gesprochen haben, interessiert Sie nicht; das muss man mal so klar benennen.
(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)
Sie verachten alle Mieter/-innen. Sie verachten letztlich alle Deutschen, und Sie verachten auch den Begriff der Heimat
(Norbert Kleinwächter [AfD]: Es wäre schön, wenn Sie mal sachlich reden würden, ohne zu beleidigen, Herr Lindh! – Gegenruf des Abg. Patrick Schnieder [CDU/CSU]: Das ist doch Ihr Stil!)
und nutzen ihn nur dafür, um sich vermeintlich für die Geknechteten und Unterdrückten einsetzen zu können. Dabei interessieren Sie sich überhaupt nicht für sie.
Schauen wir uns die Fälle an. Im Fall Wedding haben wir es damit zu tun, dass es schon in der Vergangenheit eine Regelung zwischen dem Eigentümer und Verpächter, dem Paul-Gerhardt-Stift, und dem Johannesstift als Pächter gegeben hatte. Sie lautete, dass man auseinandergeht.
(Marc Bernhard [AfD]: Werden die Leute rausgeworfen, oder werden sie nicht rausgeworfen? Ja, sie werden rausgeworfen wegen Ihrer Politik!)
Das hatte aber überhaupt nichts mit der Flüchtlingsaufnahme zu tun. Diese Realität lassen Sie natürlich bei Ihrer rechtsextremen Propaganda weg.
Kommen wir zum Fall Lörrach; er wurde ja schon hinreichend beschrieben. Dazu muss man klar sagen: Die Kommunikation war mehr als bescheiden.
(Roger Beckamp [AfD]: Genauso wie Ihre!)
Man könnte auch sagen – Sie verstehen ja nur eine deutlichere Sprache –: Sie war beschissen. Aber wenn ich abwägen muss zwischen einer einerseits bescheidenen Kommunikation und andererseits unsauberen – auf Deutsch gesagt: dreckigen – Lügen und widerlichem Rassismus, dann ist, glaube ich, die Antwort eindeutig: Dann wähle ich tausendmal lieber die bescheidene Kommunikation, um es ganz klar zu sagen.
(Beifall bei der SPD – Marc Bernhard [AfD]: Schmeißen sie die Leute jetzt raus, oder schmeißen sie sie nicht raus? – Weitere Zurufe von der AfD)
Das ist doch das Perverse an der Situation, und wir müssen es doch so benennen.
(Zuruf des Abg. Marc Bernhard [AfD])
Wir werfen den Handelnden zu Recht kritisch vor, wie dort kommuniziert wurde. Aber warum wurde denn so kommuniziert? Denken wir doch mal zurück. Die Handelnden dort, der Oberbürgermeister, die Wohnbau, fragten sich: Wie stellen wir das dar? Was würde es bedeuten, wenn wir etwa Geflüchtete in einem Neubau unterbringen? Das zeigt doch, wie pervers die Situation ist. Wir lassen uns doch viel zu häufig von dieser widerlichen Art, wie Sie agieren, treiben.
Wir sind aber eine Gesellschaft; das muss hier mal klar benannt werden. In dieser einen Gesellschaft haben sich in meiner Stadt Wuppertal – das schreiben Sie sich mal ins Stammbuch – Unternehmer mit dem Elberfelder System der Armenfürsorge für Menschen eingesetzt, die nicht sie selbst sind, weil sie nach dem Prinzip „Nicht jeder ist sich selbst nur der Nächste“ gelebt haben. Es haben sich Handwerker, Arbeiterinnen für den Arbeitsschutz von Kindern eingesetzt, weil sie auch nicht nur an sich dachten, sondern auch an andere.
Heutzutage haben Aktivisten christlicher sowie humanistischer Art und wiederum mittelständische Unternehmer dafür gesorgt, dass Menschen durch Arbeit eine Zukunft haben, dass sie vernünftig Unternehmen führen, die nicht nur am Kapitalismus orientiert sind. Alle haben so agiert, weil sie eben nicht nach Ihrem Prinzip leben, dass Neid dominiert,
(Zuruf des Abg. Marc Bernhard [AfD])
dass es mir gut geht, wenn es anderen schlecht geht, sondern weil sie wie eine Gesellschaft denken. Das müssen wir hier einmal klarmachen.
(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)
Es ist keine Leistung von Ihnen, sondern es ist mickrig, es ist erbärmlich, es ist unterirdisch, auf Neid zu setzen, auf Missgunst zu setzen und zu sagen: Nein, 81‑jährige Frau, mich interessiert im Grunde gar nicht, wie es dir geht.
(Widerspruch bei der AfD)
Die Gesetze, die wir machen, verbessern deine Situation nicht. Aber ich sorge dafür, dass es dem anderen schlechter geht, damit du dich nicht ganz so schlecht fühlst.
(Marc Bernhard [AfD]: Sie sind doch dafür verantwortlich!)
So baut man keine Gesellschaft! So hasst man sich selbst. So verachtet man diese Heimat. Und Sie sind keine Heimatpartei. Sie sind eine Menschenverachtungspartei, und Sie verachten die Alteingesessenen sogar noch mehr als die Geflüchteten.
Kollege.
Sie haben es nur nicht begriffen.
Vielen Dank.
(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN und der FDP – Dr. Götz Frömming [AfD]: Wie hasserfüllt Ihre Rede war! Hasserfüllt gegen den Hass!)
Quelle | Deutscher Bundestag, Nutzungsbedingungen |
Quellenangabe | Deutscher Bundestag via Open Parliament TV |
Abgerufen von | http://dbtg.tv/fvid/7551582 |
Wahlperiode | 20 |
Sitzung | 89 |
Tagesordnungspunkt | Aktuelle Stunde - Verdrängung Einheimischer auf dem Wohnungsmarkt |