15.03.2023 | Deutscher Bundestag / 20. WP / Sitzung 90 / Tagesordnungspunkt 3

Carsten MüllerCDU/CSU - EU-Richtlinie Offenlegung Ertragssteuerinformationen

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Frau Präsidentin! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Vor 463 Tagen hat sich der Parteivorsitzende des Bundesjustizministers, der heute nicht anwesende Christian Lindner, bedauerlicherweise versprochen; das war der Tag der Unterzeichnung des Ampelkoalitionsvertrages. Er hat damals gesagt: Jetzt beginnt die Zeit der Taten. – Das hat er nicht gemeint. Er meinte eigentlich: Jetzt beginnt die Zeit des Wartens.

Meine Damen und Herren, wir warten immer noch auf rechtspolitische Vorstöße von Ihnen. Sie haben wahrscheinlich sogar ein bisschen vergessen, dass das heute eine rechtspolitische Debatte ist. Ich gucke mal in die Reihen der Grünen: Ich sehe da nicht ein einziges ordentliches Mitglied des Rechtsausschusses – alles geschätzte Mitglieder, aber eben keine Mitglieder des Rechtsausschusses.

Worum es heute geht, hat mein Kollege Stephan Mayer umfangreich dargelegt.

(Andreas Audretsch [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Sagen Sie mal was zum Thema!)

Ich bin ein bisschen verwundert. Ein Jahr und ein Vierteljahr nach Beginn der Koalition wäre doch eigentlich die Zeit gekommen: Es gibt eine vermeintliche Aufbruchsstimmung. Sie selber bezeichnen sich ja immer noch als „Fortschrittskoalition“; der Kollege der Linken hat es eben anders formuliert; ich würde eher „Rückblickskoalition“ sagen.

(Abg. Katrin Helling-Plahr [FDP] winkt)

– Frau Helling-Plahr, Sie sind gar nicht Mitglied der Grünen. Ich habe von den Grünen geredet. Sie sind ja Mitglied der FDP. Man würde es gerne vergessen in diesen Tagen, aber Sie brauchen nicht zu winken. – Meine Damen und Herren, Sie sind eine Rückblickskoalition. Aus der Zeitenwende, die Sie verkündet haben und die eigentlich angezeigt wäre, ist – das wurde in der Presse, wie ich finde, außergewöhnlich treffend beschrieben – eine „Zeitlupenwende“ geworden.

Es ist gesagt worden, worum es geht.

(Andreas Audretsch [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Wann sagen Sie denn mal was zur Sache? Was erzählen Sie da die ganze Zeit? – Michael Schrodi [SPD]: Sagen Sie doch mal was zum Thema! Stimmen Sie zu? Finden Sie es gut? Sind Sie dagegen?)

Im Kern dürfte man darauf setzen,

(Andreas Audretsch [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Ja! Jetzt!)

dass nach einem Jahr und einem Vierteljahr so ein bisschen Schwung in diese Ampelkoalition reinkommt, weil man sozusagen im Saft, auf der Höhe des Zenits, auf der Höhe der Schaffenskraft steht.

(Andreas Audretsch [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Ich möchte mal was zur Sache hören!)

Meine Damen und Herren, wofür feiern Sie sich heute? Sie feiern sich dafür, dass Sie eine EU-Richtlinie eins zu eins umsetzen. Ich habe das so noch nicht erlebt.

(Beifall bei der CDU/CSU – Dr. Johannes Fechner [SPD]: Das ist oft genug mit euch gescheitert! Oft haben wir es mit euch nicht hinbekommen!)

Wenn Sie Ihr normales Tempo an den Tag legen, passiert Folgendes – der Kollege Mayer hat es gesagt –:

(Esra Limbacher [SPD]: Sagen Sie doch mal was zum Thema, Herr Müller! – Zuruf des Abg. Erhard Grundl [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN])

Diese Richtlinie wird im Juni – wie gesagt, Sie sind so erschreckend langsam – direkt anwendbar sein. Also, es kann sein, dass Sie zu früh gefeiert haben.

(Michael Schrodi [SPD]: Herr Müller, Sie haben es blockiert! Vier Jahre lang blockiert! Wir feiern, dass wir das jetzt umsetzen können, weil Sie nicht mehr in der Regierung sind!)

Meine Damen und Herren, wir wollen Sie dabei allerdings nicht aufhalten.

Ich will Ihnen noch ganz kurz sagen, was wir heute an dieser Stelle eigentlich erwartet hätten, was Sie im rechtpolitischen Bereich eigentlich hätten vorlegen müssen. Wir warten weiterhin darauf, dass der Rechtsstaat gestärkt wird. Sie haben in Ihrem Koalitionsvertrag rechtspolitisch relativ dünne Suppe gekocht.

(Esra Limbacher [SPD]: Kennen Sie die heutige Tagesordnung, Herr Müller?)

Das Einzige, was belastbar war, war der Pakt für den Rechtsstaat; den haben Sie gestrichen, daran wollen Sie sich nicht mehr halten.

Worauf warten wir noch? Wir warten darauf, dass das Problem Vorratsdatenspeicherung gelöst wird, und zwar rechtssicher. Sie verschieben eine Anhörung dazu zum zehnten Mal. Wir werden Ihnen das in dieser Woche noch mal erklären. Worum geht es? Sie schützen Täter, und Sie schützen die missbrauchten Kinder nicht. Das ist ein Frevel, und Sie vertun hier tatsächlich wichtige Zeit.

(Beifall bei der CDU/CSU)

Meine Damen und Herren, das Sanktionsrecht steht heute noch auf der Tagesordnung. Aber Sie sind viel zu langsam, überhaupt nicht entschlossen, da fehlt Ihnen jeder Saft, jede Kraft.

(Michael Schrodi [SPD]: Herr Müller, haben Sie eine Haltung zu diesem Thema der Tagesordnung? Haben Sie substanziell etwas beizutragen?)

Wir brauchen außerdem Regeln für ein internationales Tribunal zur Aufarbeitung der Kriegsverbrechen.

(Andreas Audretsch [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Das ist peinlich, was Sie hier abliefern!)

– Sie sind jetzt endlich mal wach geworden; das finde ich ja schon mal gut.

(Michael Schrodi [SPD]: Bei so viel Quatsch, den Sie hier reden, muss man was sagen!)

Anstatt diese Themen aufzunehmen, feiern Sie sich für eine Eins-zu-eins-Umsetzung. Meine Damen und Herren, das ist, ehrlich gesagt, an Peinlichkeit nicht zu überbieten.

(Beifall bei der CDU/CSU)

Damit es für Sie nicht noch schlimmer wird, werden wir die parlamentarischen Beratungen weiter beschleunigen.

(Andreas Audretsch [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Es bleibt dabei! Nicht ein Wort zum Thema! Nichts! Gar nichts! Keine Position!)

Sonst, wie gesagt, passiert es Ihnen bei Ihrer ganzen Feierei der Eins-zu-eins-Umsetzung noch, dass die Richtlinie von allein in Kraft tritt.

(Esra Limbacher [SPD]: Abschließend: Wie stehen Sie zu dem Vorhaben?)

Das wollen wir dem deutschen Volk nicht zumuten, Ihnen schon mal gar nicht.

Ich bedanke mich für die Aufmerksamkeit.

(Beifall bei der CDU/CSU)

Vielen Dank, Herr Kollege Müller. – Damit schließe ich die Aussprache.


Daten
Quelle Deutscher Bundestag, Nutzungsbedingungen
Quellenangabe Deutscher Bundestag via Open Parliament TV
Abgerufen von http://dbtg.tv/fvid/7551651
Wahlperiode 20
Sitzung 90
Tagesordnungspunkt EU-Richtlinie Offenlegung Ertragssteuerinformationen
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