Volker Wissing - Regionalisierungsgesetz, Ticketpreise im ÖPNV
Herzlichen Dank. – Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Heute machen wir Schluss mit kompliziert und anstrengend, Schluss mit Rätselraten vor einem Ticketautomaten, Schluss mit Fragen nach Waben, Stufen, Kreisen, Schluss mit der Überlegung: Liegt mein Ziel überhaupt noch in meinem Tarif, oder brauche ich ein anderes oder ein Zusatzticket? Mit dem Deutschlandticket werden alle diese Fragen überflüssig. Deshalb sage ich: Was wir heute beschließen, hat das Zeug, die Geschichte des öffentlichen Personennahverkehrs neu zu schreiben.
(Beifall bei der FDP und der SPD sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN – Henning Rehbaum [CDU/CSU]: Ui!)
Mit dieser Reform zeigen wir: Deutschland kann modern, Deutschland kann digital, und Deutschland kann einfach.
Ich möchte daher die Gelegenheit nutzen, mich an dieser Stelle ganz herzlich zu bedanken. Danke an alle, die geholfen haben, das Ticket innerhalb kürzester Zeit zu ermöglichen: die Länder, die Verkehrsverbünde, die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter im ÖPNV, die sich zum Teil stundenlang die Köpfe heiß diskutieren mussten. Es waren einige sehr schwierige Fragen zu klären. Manche Probleme erschienen auf Anhieb kaum lösbar. Aber weil sich alle einig waren und das Ticket wollten, haben die Beteiligten am Ende immer zusammengefunden, und das, wie gesagt, innerhalb kürzester Zeit.
(Beifall bei der FDP, der SPD und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN – Dr. Lukas Köhler [FDP]: Ich finde, da kann man mal klatschen, oder?)
– Ja.
Frankreich überlegt, ein ähnliches Ticket einzuführen, und plant, das in einem Zeitraum von zwei Jahren zu realisieren. Wir haben das innerhalb weniger Monate geschafft – in Deutschland, in einem föderalen Staat, der viele Abstimmungsprozesse erfordert. Aber alle haben verstanden: Fortschritt ist besser.
Sicherlich haben auch die 52 Millionen verkauften 9-Euro-Tickets geholfen, die ja eine klare Sprache gesprochen haben. Ich habe am Anfang Dinge gehört wie: „Sie lösen Probleme, die es gar nicht gibt“, und hinterher haben wir festgestellt: Es gab die Probleme doch. Wenn man den ÖPNV einfacher gestaltet, die Ticketstrukturen auf die Bürgerinnen und Bürger ausrichtet und sie nicht so sehr immer den verkrusteten Verwaltungsstrukturen anpasst, dann geht plötzlich etwas.
Wir haben auch gezeigt: Wir können mehr Fahrgäste motivieren, ohne dass wir zusätzliches Angebot brauchen. Das heißt nicht, dass wir nicht trotzdem zusätzliches Angebot brauchen; aber wir konnten die Auslastung erhöhen, und das wirklich erheblich.
(Beifall bei der FDP sowie bei Abgeordneten der SPD und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)
Uns ist bewusst, dass ein Deutschlandticket allein nicht reichen wird, um die Menschen dauerhaft und in deutlich größerer Zahl in den ÖPNV zu bringen oder dafür zu begeistern. Deswegen haben wir die Regionalisierungsmittel erhöht. Die Länder erhalten regulär mehr als 10 Milliarden Euro, um den Nahverkehr zu organisieren, und das ist auch notwendig. Es muss jetzt vorangehen mit dem ÖPNV. Angebote müssen angepasst werden, müssen so auf die Bedürfnisse der Bürgerinnen und Bürger ausgerichtet werden, dass es wirklich richtig gut passt. Dafür haben die Länder zusätzliches Geld bekommen. Mit dem Ticket werden wir auch die Voraussetzungen schaffen, um die Zugangshürden durch prohibitive Einzelfahrpreise und vieles andere zu überwinden.
Wir schaffen auch einen erleichterten Einstieg in multimodale Mobilität. Das wird Menschen im ländlichen Raum helfen. Man muss nicht auf das Auto verzichten und kann trotzdem den ÖPNV nutzen; man kann die Verkehrsmittel kombinieren. Auch deswegen ist es richtig, dass das Ticket digital wird. Damit schaffen wir auch die Voraussetzungen, um besser und präziser planen zu können.
(Beifall bei der FDP, der SPD und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)
Das Angebot ausweiten und die Tarifstrukturen so vereinfachen, dass sie zu den Menschen passen: Das sind wir den Menschen schuldig, und das schafft echten Fortschritt in Deutschland. Ich will mich an dieser Stelle herzlich bedanken bei den Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern des ÖPNV, auf die eine große Anstrengung während der drei Monate des 9-Euro-Tickets zukam.
(Beifall bei der FDP, der SPD und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)
Auch die Umstellung auf den Deutschlandtarif wird jetzt noch mal eine Kraftanstrengung sein. Aber, liebe Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter, das lohnt sich. Es lohnt sich für diese Gesellschaft. Das, was an wertvollem Dienst geleistet wird in unseren ÖPNV-Unternehmen, in den ÖPNV-Strukturen, ist wirklich enorm wichtig für unser Land, um die Gesellschaft mobil zu halten und um unsere Klimaschutzziele zu erreichen. Und es lohnt sich, weil wir die Voraussetzungen schaffen, um die Strukturen effizienter zu planen und effizienter nutzen zu können.
Deswegen freue ich mich sehr, dass dieses Ticket auch international so viel Beachtung findet. Ich werde überall auf internationalen Ministerkonferenzen darauf angesprochen. Ich war jetzt gerade in den baltischen Staaten unterwegs, und man sprach dort von einem Role Model für ganz Europa. Viele diskutieren schon die Frage: Wenn es nicht nur in Frankreich, sondern auch in anderen Staaten solche Tickets gibt, könnte man sie dann vielleicht auch europaweit grenzüberschreitend anerkennen? Ich finde solche Gedanken wunderbar.
(Beifall bei der FDP, der SPD und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)
Das sind die nächsten Schritte, nicht diejenigen, die wir heute gehen können. Aber dass man heute schon über ein solches Ticket als europäische Lösung nachdenkt, freut jedenfalls mich sehr.
Wir schaffen jetzt die Voraussetzungen, dass wir ein Deutschlandticket bekommen. Wir schaffen die Voraussetzungen, dass der ÖPNV besser ausgebaut werden kann.
(Florian Müller [CDU/CSU]: Den Mund nicht zu voll nehmen!)
Damit leisten wir einen Beitrag für multimodalen Verkehr in Deutschland – auch in der Fläche –, und wir leisten einen Beitrag zur Entlastung der Bürgerinnen und Bürger – das will ich auch noch sagen –; denn das Ticket ist außerordentlich attraktiv. Diejenigen, die über den Preis diskutieren und meinen, es müsste noch günstiger sein, sollten sich mal die Preise für Monatskarten anschauen, die es heute gibt, und diese mit dem Deutschlandticket-Tarif vergleichen. Das ist schon ein großer Schritt
(Beifall bei der FDP, der SPD und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)
und eine Politik, die die Bürgerinnen und Bürger als Fortschritt empfinden werden.
Vielen Dank.
(Beifall bei der FDP, der SPD und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)
Bevor wir in der Debatte fortfahren, möchte ich kurz um Ihre Aufmerksamkeit bitten. Wir haben gerade erfahren, dass die frühere Bundestagsvizepräsidentin Antje Vollmer verstorben ist. Unser Mitgefühl gilt ihrer Familie, ihren Angehörigen. Lassen Sie uns bitte kurz innehalten und Antje Vollmer gedenken.
(Die Anwesenden erheben sich)
– Ich danke Ihnen recht herzlich.
(Die Anwesenden nehmen wieder Platz)
Dann haben wir jetzt die Aufgabe, die Debatte fortzuführen; das hätte Antje Vollmer, denke ich, auch so gewollt. Der nächste Redner ist für die Unionsfraktion Michael Donth.
(Beifall bei der CDU/CSU – Detlef Müller [Chemnitz] [SPD]: Du willst es ja auch! – Heiterkeit bei der SPD sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)
Quelle | Deutscher Bundestag, Nutzungsbedingungen |
Quellenangabe | Deutscher Bundestag via Open Parliament TV |
Abgerufen von | http://dbtg.tv/fvid/7551744 |
Wahlperiode | 20 |
Sitzung | 91 |
Tagesordnungspunkt | Regionalisierungsgesetz, Ticketpreise im ÖPNV |