16.03.2023 | Deutscher Bundestag / 20. WP / Sitzung 91 / Zusatzpunkt 10

Thomas HackerFDP - Aktuelle Stunde: Geschäftsbeziehungen zwischen Bundesregierung und Journalisten

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Sehr geehrte Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Wer kürzlich die Debatten auf dem Kurznachrichtendienst Twitter verfolgte, der konnte ja schon fühlen und erahnen, dass die Kleine Anfrage der AfD zu Zahlungen von Bundesministerien an Journalisten zum Tagesordnungspunkt in unserem Hause werden musste,

(Karsten Hilse [AfD]: Das ist ja richtig!)

erst recht, nachdem auch der „Tagesspiegel“, die „Neue Zürcher Zeitung“ und sogar der Deutschlandfunk diese Anfrage medial aufgenommen haben.

(Beatrix von Storch [AfD]: Hört! Hört! – Zuruf des Abg. Stephan Brandner [AfD])

Dabei kann ich vom Grundsatz her nur die Bewertung des „Tagesspiegel“-Autors teilen: Das Ansinnen der AfD-Anfrage – und damit auch dieser Aktuellen Stunde –

(Beatrix von Storch [AfD]: … ist wie immer natürlich von Übel!)

ist durchschaubar.

(Stephan Brandner [AfD]: Ach? Wir sind eben für Transparenz!)

Die dahinterstehenden Absichten sind aus unserer Sicht abzulehnen. Aber mit dem Ergebnis der Anfrage muss man sich trotzdem befassen.

Fassen wir der Ordnung halber zusammen: Mehr als 1,4 Millionen Euro – und das Auswärtige Amt ist dabei noch nicht enthalten – zahlten die Bundesregierungen aus CDU/CSU/SPD und SPD/Grünen/Freien Demokraten seit 2018 an rund 200 Journalisten für Moderationen, Texte, Lektorate, Fortbildungen, Vorträge und andere Veranstaltungen. Der Großteil des Geldes ging dabei an Vertreter des öffentlich-rechtlichen Rundfunks – ARD, ZDF, Deutschlandfunk und auch Deutsche Welle. Den Bundesministerien waren die konkreten Beschäftigungsverhältnisse der einzelnen Medienvertreter – frei, fest, neben- oder hauptberuflich – dabei nicht bekannt.

Wir Freien Demokraten sehen Entwicklungen des öffentlich-rechtlichen Rundfunks, aber auch privater Medien oft kritisch; Stichwort „Berlusconi-Einstieg bei ProSiebenSat.1“. Wo wir Negativentwicklungen sehen, sprechen wir das auch an.

(Stephan Brandner [AfD]: Da springen Sie meistens auf!)

Dem von der AfD aber schon allein durch die Benennung dieser Aktuellen Stunde erhobenen Generalverdacht des Staatsjournalismus muss man entschieden entgegentreten. Staatsjournalismus à la Russia Today, dem Lieblingssender der AfD, gibt es nur in autoritären Staaten,

(Stephan Brandner [AfD]: Warum in Deutschland nicht?)

und diesen wirklichen Staatsjournalismus hofieren Sie ja täglich.

Wirklich keinen Skandal kann ich darin sehen, eine renommierte Medienvertreterin oder einen Fachjournalisten für die Moderation einer Veranstaltung, einen Tag der offenen Tür oder ein Medientraining zu gewinnen; das ist seit Jahrzehnten gängig.

(Stephan Brandner [AfD]: Was seit Jahrzehnten gängig ist, muss nicht richtig sein!)

Gleiches gilt für die über alle Fraktionsgrenzen hinweg übliche Praxis der Vorstellung von politischen Büchern und Memoiren durch Journalisten. Entscheidend ist, was der oder die Einzelne daraus im weiteren journalistischen Wirken macht.

Klar ist: Jegliche Form von Gefälligkeitsjournalismus lehnen wir entschieden ab.

(Stephan Brandner [AfD]: Das glaube ich nicht! Davon leben Sie doch!)

Dies schadet dem Journalismus, seiner Glaubwürdigkeit und stellt insbesondere den Anspruch der Medien als vierte Gewalt grundlegend infrage. Doch diese Bewertung muss individuell und darf nicht pauschal diffamierend erfolgen.

(Stephan Brandner [AfD]: Es waren Hunderte Einzelfälle!)

Wenn die Wahrhaftigkeit in der journalistischen Darstellung und die eigene Objektivität nicht mehr Ausdruck des eigenen journalistischen Schaffens sind – – Herr Brandner, übernehmen Sie halt die fünf Minuten von Herrn Jongen, dann können Sie hier vorne mitgackern. Machen Sie es doch bitte; dann brauchen Sie nicht 20 Minuten zusätzlich reinblubbern.

(Beifall bei Abgeordneten der FDP, der SPD, der CDU/CSU, des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN und der LINKEN)

Über die eigene Glaubwürdigkeit und die demokratische Relevanz des Journalismus als Ganzes entscheidet schließlich jede Journalistin und jeder Journalist selbst. Wenn ein ZDF-Beschäftigter im Zeitraum 2018 bis 2021 für die Erstellung von Videoinhalten im Nebenjob insgesamt 32 000 Euro vom Bundespresseamt bekommt, dann müssen wir das hinterfragen, und dann müssen sowohl der Arbeitgeber als auch der Arbeitnehmer das Arbeitsverhältnis überprüfen. Wenn Ex-„Tagesschau“-Sprecherin Linda Zervakis den Kanzler bestens dotiert interviewt, aber später in ihrer Sendung trotzdem kritische Fragen stellt,

(Stephan Brandner [AfD]: Hui, die traut sich was!)

dann kann man ihr wohl keinen Interessenkonflikt vorwerfen,

(Widerspruch bei Abgeordneten der AfD)

fehlendes Gespür und fehlende Sensibilität vielleicht schon.

Zur Fairness und zur Gesamtschau gehört auch, dass wir uns die Realität vieler freier und sogenannter fest-freier Journalistinnen und Journalisten vor Augen führen – auch äußerst bekannte Namen und Gesichter gehören dazu. Für sie besteht ihre eigene Erwerbstätigkeit oft aus vielen ganz unterschiedlichen Tätigkeiten: Moderationen, Veranstaltungen, Medienberatung, Öffentlichkeitsarbeit oder auch Kamera- und Medientrainings.

Liebe Kolleginnen und Kollegen, Politik und Medien brauchen einander. Wir erreichen die Menschen mit unseren politischen Inhalten tatsächlich nur über die Medien. Und Medien brauchen Informationen, am besten aus erster Hand. Dieses Wechselspiel beruht auf Vertrauen und Distanz. Wenn Vertrauen in Vertrautheit umschlägt, gerät die Distanz in Gefahr. Die heutige Aktuelle Stunde und die vorausgehende Berichterstattung machen deutlich, wie wichtig die Distanz zwischen Journalisten und Politikern ist. Wann immer diese Distanz – auch nur dem Anschein nach – nicht mehr gegeben ist, kann nur Transparenz die notwendige Glaubwürdigkeit wiederherstellen.

Vielen Dank.

(Beifall bei der FDP sowie bei Abgeordneten der SPD und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)

Danke für die Punktlandung. – Als Nächster erhält das Wort für die AfD Dr. Marc Jongen.

(Beifall bei der AfD)


Daten
Quelle Deutscher Bundestag, Nutzungsbedingungen
Quellenangabe Deutscher Bundestag via Open Parliament TV
Abgerufen von http://dbtg.tv/fvid/7551797
Wahlperiode 20
Sitzung 91
Tagesordnungspunkt Aktuelle Stunde: Geschäftsbeziehungen zwischen Bundesregierung und Journalisten
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