16.03.2023 | Deutscher Bundestag / 20. WP / Sitzung 91 / Zusatzpunkt 10

Robin MesaroschSPD - Aktuelle Stunde: Geschäftsbeziehungen zwischen Bundesregierung und Journalisten

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Sehr geehrte Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Welche Geschäftsbeziehungen bestehen zwischen Journalisten und der Bundesregierung? Damit hat die AfD – und das hat Seltenheitswert – tatsächlich eine grundsätzlich spannende Frage gestellt. Die Bundesregierung hat ihr daraufhin detaillierte Informationen zur Verfügung gestellt. Leider hat die AfD, ausgehend von einer spannenden Frage, eine sehr schlechte Antwort gegeben und genau das getan, was sie anderen vorwirft, nämlich verzerrt und in der Folge gelogen.

Die AfD möchte heute in der Aktuellen Stunde über etwas reden, was „Staatsjournalismus“ heißt. Ich habe mich gewundert. Üblicherweise sind Sie da offener und sprechen direkt über „Lügenpresse“ und reihen sich damit ein in eine 200-jährige Geschichte von Antisemiten, Nazis, Kommunisten und anderen hasserfüllten Menschen, die auf diese Weise versuchen, diejenigen zu verunglimpfen, die dafür stehen, dass genau solche Leute nie Macht in diesem Land bekommen, was leider nicht immer gelungen ist.

(Beifall bei der SPD – Stephan Brandner [AfD]: Jetzt sind ja Sie an der Regierung!)

Sie reden heute über „Staatsjournalismus“. Vielleicht ist das Ihr Verständnis von Anstand; ich finde, es ist einfach eine feigere Formulierung für „Hetze“.

(Zuruf von der SPD: So ist es!)

„Staatsjournalismus“ ist ja an und für sich schon ein Quatschbegriff, weil Journalismus, der vom Staat gesteuert wird, gar kein Journalismus ist, sondern Propaganda.

(Beifall bei Abgeordneten der AfD – Stephan Brandner [AfD]: Das hat Frau Budde aber anders erklärt!)

– Sie haben es nicht verstanden; sonst würden Sie nicht klatschen.

(Beifall bei Abgeordneten der SPD – Stephan Brandner [AfD]: Fragen Sie mal Frau Budde!)

Dass der Staat Regeln vorgibt, auch für Journalismus, ergibt ja absolut Sinn. Es ergibt auch Sinn, dass wir beim öffentlich-rechtlichen Rundfunk in Deutschland diese klare Trennung haben. Sie regen sich über Rundfunkbeiträge auf. Aber es gibt einen Grund, warum wir das nicht direkt über Steuern machen, sondern hier sehr unabhängig und mit entsprechenden Kontrollinstanzen, die Sie permanent unterschlagen, vorgehen.

(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)

Sie sagen, Sie mögen keinen, wie Sie es nennen, „Staatsjournalismus“. Angesichts dessen finde ich es interessant, dass Sie hier permanent Viktor Orban abfeiern, den Ministerpräsidenten von Ungarn, der mit dem Begriff „Ministerpräsident“, finde ich, falsch bezeichnet ist, weil er dafür viel zu viel faschistische Züge trägt.

(Widerspruch bei der AfD)

Wenn wir uns anschauen, was in Ungarn passiert – das habe ich, weil ich dort war –, dann stellen wir fest, dass es dort tatsächlich das gibt, was Sie in Deutschland sehen, was außer Ihnen aber keiner sieht. Was in Ungarn passiert, ist Folgendes: Dort können Sie nicht mehr den Fernseher oder das Radio einschalten oder Zeitung lesen und sehen nichts, was Viktor Orban nicht in den Kram passen würde.

(Dr. Marc Jongen [AfD]: Kommt mir bekannt vor!)

Dort stehen sämtliche relevante Medien unter Kontrolle von Viktor Orban und seiner Fidesz-Partei.

Ich war dort und habe mich mit den wenigen freien Journalistinnen und Journalisten getroffen, die über das Internet publizieren. Ich habe sie gefragt – es ist ja bekannt, dass die Journalistinnen und Journalisten dort mit staatlicher Überwachungssoftware ausspioniert worden sind –, wie es sich eigentlich anfühlt, wenn man ausspioniert wird; denn ich kenne so etwas aus Deutschland zum Glück nicht. Sie haben gesagt, für sie selbst sei das gar keine Überraschung, weil sie längst wussten, dass sie ausspioniert werden; aber seitdem klar ist, dass die freien Journalisten in Ungarn – die wenigen – ausspioniert werden, hätten sie viel mehr Schwierigkeiten, Quellen zu finden, weil niemand mehr mit ihnen sprechen wolle. Das ist der Viktor Orban, den Sie hier immer hochhalten. Deswegen wundert es mich, dass Ihnen dieser Widerspruch kein bisschen peinlich ist.

(Beifall bei Abgeordneten der SPD und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)

Schauen wir jetzt nach Deutschland. Sie sprechen von „Staatsjournalismus“. Das müsste ja irgendwie alle meinen. Die öffentlich-rechtlichen Medien in Deutschland haben einige Festangestellte. Das sind ganze 23 000 Leute. Jetzt haben Sie von der Bundesregierung die Antwort bekommen, dass es 120 Journalistinnen und Journalisten gibt, die auch für die öffentlich-rechtlichen Medien arbeiten. 120 von 23 000 ist schon mal ein relativ kleiner Teil – nur um hier mal das Problem zu skizzieren, wenn es denn eines ist.

Dann haben die Geld bekommen. Aber die Frage ist ja: Was passiert denn mit dem Geld? Das Auswärtige Amt hat am meisten Geld für Leistungen von Journalistinnen und Journalisten ausgegeben, 492 000 Euro in dem Zeitraum. 410 000 Euro, also fast alles, ging aber in die Medienausbildung von Diplomatinnen und Diplomaten. Und es kann ja nur gut sein, dass die Leute, die unser Land im Ausland vertreten, das auch in den Medien gut tun können.

(Beifall bei Abgeordneten der SPD und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)

Die Frage ist also: Wo ist denn der konkrete Schaden? Den können Sie überhaupt nicht benennen. Anders gesagt: Ich glaube, der denkbar größte Schaden ist, dass gerade der Eindruck entsteht, es gebe eine zu große Nähe zwischen Journalismus und Bundesregierung. Das können Sie aber gar nicht konkret benennen. Sie verstärken diesen Eindruck und leuchten in eine falsche Richtung, indem Sie diesen Eindruck mit Ihren Lügen zusammenpacken und den Leuten ein falsches Bild von dem vermitteln, was in Deutschland passiert.

Kommen Sie bitte zum Schluss.

Auch in Deutschland passieren Fehler im Journalismus und in der Politik. In Deutschland hat das Konsequenzen. Das ist zum Beispiel der Unterschied zu Ungarn.

Kommen Sie bitte zum Schluss, Herr Kollege.

(Zuruf von der AfD: Ja, bitte!)

Deswegen, weil wir in Deutschland sind: Bitte ehren Sie die Arbeit, die unsere Journalistinnen und Journalisten machen.

Haben Sie vielen Dank.

(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN und der FDP)


Daten
Quelle Deutscher Bundestag, Nutzungsbedingungen
Quellenangabe Deutscher Bundestag via Open Parliament TV
Abgerufen von http://dbtg.tv/fvid/7551804
Wahlperiode 20
Sitzung 91
Tagesordnungspunkt Aktuelle Stunde: Geschäftsbeziehungen zwischen Bundesregierung und Journalisten
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