17.03.2023 | Deutscher Bundestag / 20. WP / Sitzung 92 / Zusatzpunkt 9

Leni BreymaierSPD - Änderung des Bundeswahlgesetzes

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Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Meine Damen und Herren! Kollegin Warken, die CDU Baden-Württemberg hat bei der letzten Bundestagswahl 24,8 Prozent der Zweitstimmen geholt und nahezu 80 Prozent der Direktmandate abgeräumt.

(Stephan Brandner [AfD]: Warum schaffen Sie das denn nicht? – Zurufe von der CDU/CSU)

Das ist die Differenz. Deswegen haben Sie zwölf Überhangmandate. Deswegen brauchen wir diese Reform, deswegen machen wir das heute hier.

(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN – Zurufe von der CDU/CSU)

Das ist heute ein erster, ein wichtiger Schritt zu einer Wahlrechtsreform insgesamt.

(Sebastian Brehm [CDU/CSU]: Die Bürger wollten Sie gar nicht haben!)

Wir haben aber auch noch viele andere Themen: Das eine ist – auch darauf warten die Menschen –, dass wir das Wahlalter auch bei der Bundestagswahl und nicht nur bei Landtagswahlen und bei Kommunalwahlen und bei der Europawahl auf 16 Jahre senken.

(Beifall bei Abgeordneten der SPD und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)

Es geht uns auch darum, den Auslandsdeutschen die Ausübung ihres Wahlrechts zu erleichtern.

(Zuruf des Abg. Sören Pellmann [DIE LINKE])

Es geht uns auch darum, die Dauer der Legislaturperiode zu klären.

(Jessica Tatti [DIE LINKE]: Ihr macht das alles doch überhaupt nicht!)

Das wird alles rauskommen, wenn der Bericht der Wahlrechtskommission Ende April vorliegt.

(Jessica Tatti [DIE LINKE]: Das Einzige, worum es Ihnen geht: Sie wollen Ihre Schäfchen ins Trockene bringen!)

Was man in diesem Bericht vermutlich nicht finden wird, Kolleginnen und Kollegen, sind Vorschläge zur Erhöhung des Frauenanteils im Deutschen Bundestag.

(Zuruf des Abg. Sebastian Brehm [CDU/CSU])

Meine lieben Kolleginnen und Kollegen, das ärgert mich und macht mich auch wütend,

(Beifall bei Abgeordneten der SPD und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN – Sebastian Brehm [CDU/CSU]: Die Wähler wollten Sie nicht im Bundestag haben! Das ist die Wahrheit!)

nicht nur mich und viele Frauen, sondern auch progressive Männer in diesem Land.

(Sebastian Brehm [CDU/CSU]: Sie sind nicht gewählt worden! Ich hätte Sie nicht gewählt!)

Viele haben schon für die heutige Abstimmung hohe Erwartungen. Die Initiative Parität Jetzt, der Deutsche Frauenrat mit seinen über 60 Verbänden und über 10 Millionen Mitgliedern, UN Women Deutschland – alle erwarten, dass wir hier etwas zur Parität machen, alle!

(Beifall bei Abgeordneten der SPD und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)

Frau Breymaier, gestatten Sie eine Zwischenfrage oder Zwischenbemerkung der Abgeordneten Lötzsch?

Gerne.

Vielen Dank, Frau Kollegin, dass Sie die Zwischenfrage zulassen. – Ich will mich kurz vorstellen: Mein Name ist Gesine Lötzsch. Ich habe sechsmal in Berlin das Direktmandat gewonnen und damit zweimal meiner Partei die parlamentarische Existenz gerettet.

(Stephan Brandner [AfD]: Schlimm genug!)

Augenscheinlich haben Sie vor Leuten wie mir und Gregor Gysi eine so fürchterliche Angst, dass Sie jetzt das Wahlrecht ändern.

Was mir bei Ihrer Rede gerade aufgefallen ist: Sie haben lauter Sachen aufgezählt, die überhaupt nicht in dem Gesetzentwurf stehen.

(Beifall bei der LINKEN und der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der AfD)

Die Absenkung des Wahlalters steht nicht drin. Die Parität steht nicht drin. Das Wahlrecht für Migrantinnen und Migranten steht nicht drin. Ist das jetzt eine Rede gegen dieses Wahlrecht? Das ist meine erste Frage.

Und dann mache ich noch eine Bemerkung. Ihnen geht es doch als SPD vor allen Dingen darum, eine linke Kritik auszuschalten. Die können Sie nämlich nicht vertragen.

(Widerspruch bei der SPD)

– Selbstverständlich geht es Ihnen darum!

(Stephan Brandner [AfD]: Machen Sie doch wieder eine SED, dann passt das doch!)

Solange ich in diesem vereinigten Deutschland politisch – –

(Anhaltende Unruhe)

Solange ich in diesem vereinigten Deutschland politisch tätig bin, sagen mir immer wieder SPD-Leute –

Frau Lötzsch hat das Wort.

– ja, ich kann laut sprechen, vielen Dank –: Ihr seid alle unsere verlorenen Kinder, irgendwann kommt ihr alle in die SPD. – Und Sie machen auf allen Ebenen extensive Abwerbeversuche. Bei jüngeren Leuten sind Sie da in einigen Fällen auch erfolgreich gewesen. Mich brauchen Sie nicht mehr anzusprechen.

(Stephan Brandner [AfD]: Wer will Sie denn haben?)

– Ich bin oft genug angesprochen worden, nicht von Ihnen. Mit Ihnen würde ich gar nicht reden, das kann ich Ihnen versichern. – Dafür haben wir viele, viele Beweise.

Ich frage Sie jetzt: Halten Sie jetzt eine Rede gegen dieses Wahlrecht? Und zweitens: Äußern Sie sich bitte zu der Frage „Ausschalten einer linken Konkurrenz, einer linken Kritik“ hier in diesem Bundestag!

(Beifall bei der LINKEN)

Liebe Kollegin Lötzsch, danke für die Frage. So habe ich tatsächlich Gelegenheit, das Ganze noch einmal einzubetten. Ich bin Mitglied der Wahlrechtskommission, und in dieser Wahlrechtskommission debattieren wir seit einem Jahr genau über diese Themen. Wir haben in den Koalitionsvertrag geschrieben, dass wir die Frage nach der Größe des Bundestages sehr schnell regeln werden. Dennoch stehen auch alle anderen Sachen noch aus.

(Beifall bei Abgeordneten der SPD – Nina Warken [CDU/CSU]: Die Wahlrechtskommission beendet aber ihre Arbeit!)

Die Wahlrechtskommission wird ihren Bericht bis Ende April vorlegen.

(Nina Warken [CDU/CSU]: Sie haben sich auf nichts einigen können!)

Und da wird man vermutlich nichts zum Wahlalter 16 finden; denn da braucht man eine Zweidrittelmehrheit, und da macht die CDU nicht mit. Ich hoffe, dass etwas zur Frage der Dauer der Legislaturperiode und zu vielen anderen Themen enthalten sein wird.

(Nina Warken [CDU/CSU]: Da steht gar nichts drin!)

Aber jetzt mal zum Ausschalten der Linken. Ich hatte auch meine Jahre in der SPD, da kam Ihr Kollege Riexinger jede Woche und fragte, ob ich nicht in Die Linke gehen will.

(Stephan Brandner [AfD]: Bei mir hat noch niemand angerufen!)

Da habe ich auch widerstanden, und ich glaube, ihr könnt da auch gut widerstehen. Also, ich wünsche mir einfach von der Linken in der Debatte ein bisschen mehr Selbstbewusstsein. Arsch hoch, dann kommt ihr auch über die 5 Prozent!

(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN – Widerspruch bei der LINKEN – Zurufe von der CDU/CSU und der AfD)

Jetzt geht es mir darum: Wir erwarten, dass am Ende des Tages etwas drinstehen wird zum Thema Parität; denn wenn Frauen im Parlament sind, dann wird eine andere Politik gemacht. Wenn hier Hälfte-Hälfte ist, dann spielen Frauenräume eine größere Rolle als Hubräume, Herr Dobrindt.

(Beifall bei der SPD)

Es geht um Rechte, es geht um Repräsentanz, und es geht um Ressourcen. Und ich erwarte in aller unbegründeten Hoffnung den Schlussbericht der Wahlrechtskommission.

(Nina Warken [CDU/CSU]: Da wird nichts drinstehen!)

Aber wenn da nichts zu Parität drinstehen wird, meine lieben Kolleginnen und Kollegen, dann erinnere ich uns an die Ergänzung des Artikel 3 Absatz 2 Grundgesetz vor 30 Jahren. Da gab es eine parteienübergreifende Initiative, die dafür gesorgt hat, dass der Artikel 3 ergänzt wird um die Verpflichtung des Staates, aktiv was gegen die Ungleichbehandlung zu tun.

(Beifall bei Abgeordneten der SPD und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)

Und das können wir miteinander machen, liebe Kolleginnen und Kollegen, wenn aus unserer Wut auch Mut wird und wir uns dann trauen, parteienübergreifend hier ein Paritätsgesetz einzubringen. Trauen wir uns einfach!

Herzlichen Dank für die Aufmerksamkeit.

(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Ich weiß nicht, ob Ihr Parlamentarischer Geschäftsführer das gesehen hat. Möchten Sie eine Kurzintervention machen? – Bitte.


Daten
Quelle Deutscher Bundestag, Nutzungsbedingungen
Quellenangabe Deutscher Bundestag via Open Parliament TV
Abgerufen von http://dbtg.tv/fvid/7551952
Wahlperiode 20
Sitzung 92
Tagesordnungspunkt Änderung des Bundeswahlgesetzes
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