17.03.2023 | Deutscher Bundestag / 20. WP / Sitzung 92 / Zusatzpunkt 9

Dirk WieseSPD - Änderung des Bundeswahlgesetzes

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Sehr geehrte Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Sehr geehrte Damen und Herren auf der Tribüne! Das war heute eine sehr intensive Debatte, die wir hier zum Wahlrecht geführt haben. Ich will am Ende noch einmal einige Punkte einordnen: Das, was wir heute hier im Deutschen Bundestag beschließen, ist das, was die Ampelkoalition bereits in ihrem Koalitionsvertrag angekündigt hat: den Deutschen Bundestag auf eine feste Größe zu verkleinern. Das steht heute zur Abstimmung.

(Beifall bei der SPD, dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und der FDP)

Wer in diesem Haus ist für die Verkleinerung des Deutschen Bundestages auf eine Regelgröße von 630 Mandaten?

(Abg. Stephan Brandner [AfD] meldet sich zu einer Zwischenfrage)

Dazu kann man heute Ja oder Nein sagen. Das liegt hier heute auf dem Tisch.

(Konstantin Kuhle [FDP]: So ist es!)

Die Bürgerinnen und Bürger in unserem Land – das will ich auch einmal sagen – schauen nicht durch die parteipolitischen Brillen, wie teilweise Redner der Opposition, deren Argumente wir gehört haben. Die Bürgerinnen und Bürger erwarten diese Reform; sie erwarten, dass auch wir reformfähig sind und dass wir zeigen, dass wir ebenfalls zu Einschnitten bereit sind.

(Beifall bei der SPD, dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und der FDP)

Herr Wiese, gestatten Sie eine Zwischenfrage oder Zwischenbemerkung von Herrn Brandner?

Bitte schön.

(Widerspruch bei der SPD, dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und der FDP)

Welche Erregungsstürme ich immer bei den Grünen, der FDP und der SPD auslöse: Das ehrt mich in meinem Alter. – Ich habe nur eine Frage; Frau Mast hat sich vorhin vor der Antwort gedrückt. Ich stelle die Frage noch einmal: Sie predigen die Verkleinerung des Deutschen Bundestags. Zurzeit haben wir 598 Sitze. Sie wollen 630.

(Widerspruch bei der SPD, dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und der FDP – Alexander Graf Lambsdorff [FDP]: Sie können noch nicht mal zählen in der AfD!)

Laut Bundeswahlgesetz sind 598 vorgesehen. Sie wollen 630. Nach meiner Berechnung sind das 32 Sitze mehr. Also, Sie verkleinern dadurch, dass Sie den Deutschen Bundestag um 32 Sitze erweitern wollen? Habe ich das richtig verstanden?

Sehr geehrter Herr Kollege Brandner, ich bin sehr dankbar für Ihre Frage, da ich Ihnen helfen kann, einen Irrtum, dem Sie unterliegen, zu beseitigen.

(Stephan Brandner [AfD]: Ja!)

Aktuell sieht das Bundeswahlrecht vor, dass wir im Fall von Überhangmandaten das Zweitstimmenergebnis, die Zweitstimmendeckung hier im Deutschen Bundestag, durch Ausgleichsmandate herbeiführen. Die aktuelle Regelung im Bundeswahlgesetz führt dazu, dass wir aufgrund der Überhangmandate und der dadurch entstehenden Ausgleichsmandate immer über die Zahl von 598 hinausgehen. Und das, was wir mit dieser Wahlrechtsreform wollen, ist, eine feste Regelgröße von 630 herbeizuführen. Das führt zu einer Verkleinerung des Deutschen Bundestages um 106 Kolleginnen und Kollegen.

(Beifall bei der SPD, dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und der FDP)

Das wäre auch bei der letzten Wahl so gewesen. Darum ist es eine Verkleinerung des Deutschen Bundestages.

Liebe Kolleginnen und Kollegen, das gibt mir die Möglichkeit, auf einige andere Argumente näher einzugehen. Vorhin wurde gesagt, das gewonnene Direktmandat sei sozusagen die wichtigste Stimme bei der personalisierten Verhältniswahl. Der Deutsche Bundestag setzt sich aus dem Zweitstimmenergebnis der Bundestagswahl zusammen.

(Beifall bei der SPD, dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und der FDP – Konstantin Kuhle [FDP]: Und zwar schon jetzt!)

Das ist die entscheidende Stimme, auch schon jetzt. Das Bundesverfassungsgericht hat das auch eindeutig gesagt.

(Dr. Gesine Lötzsch [DIE LINKE]: Sagt ein Listenkandidat!)

– Sehr geehrte Kollegin Lötzsch, ein offenes Wort: Ihre Herausforderung bei der nächsten Bundestagswahl beginnt auch mit W, ist aber nicht das Wahlrecht, sondern heißt Wagenknecht.

(Beifall bei der SPD, dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und der FDP – Amira Mohamed Ali [DIE LINKE]: Das war unglaublich!)

Der Deutsche Bundestag – das hat das Bundesverfassungsgericht bestätigt – muss eins zu eins eine Zweitstimmendeckung herbeiführen. Das machen wir heute durch Ausgleichs- und Überhangmandate bei drei unausgeglichenen Überhangmandaten.

(Amira Mohamed Ali [DIE LINKE]: Wahnsinn!)

Aber schon heute liegt die klare Prärogative auf der Zweitstimme, und das muss man heute in der Debatte noch einmal klarstellen.

(Beifall bei der SPD, dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und der FDP)

Lieber Kollege Thorsten Frei, es ist angesprochen worden, dass Kolleginnen und Kollegen in den Wahlkreisen auch knapp gewinnen. Darüber kann man Argumente austauschen; aber wenn man an die Sonderkonstellation der Überhangmandate ranwill, dann muss man beim Wahlrecht einen Tod sterben. Das geht nicht anders. Das ist ein bisschen die Quadratur des Kreises. Unsere Lösung lautet: Wenn in der Sonderkonstellation ein Überhangmandat nicht durch das Zweitstimmenergebnis gedeckt ist, erfolgt keine Sitzzuteilung.

Jetzt haben Sie gesagt: Ja, aber das Direktmandat ist das Wichtigste überhaupt. – Wenn das so wäre, dann würden wir bei Ausscheiden von Kolleginnen und Kollegen aus dem Deutschen Bundestag in den Wahlkreisen eine Nachwahl herbeiführen. Das tun wir gerade nicht. Wir besetzen dann über die Landeslisten nach. Darum ist diese Argumentation, die Sie hervorheben, nicht schlüssig und ist von Ihnen auch nicht umgesetzt worden.

(Beifall bei der SPD, dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und der FDP)

Noch ein Satz zu Herrn Dobrindt. Herr Dobrindt, gestatten Sie mir die Bemerkung: Ihre Rede klang ein bisschen so wie die Rede eines Generalsekretärs einer neuen christlich-sozialistischen Union.

(Heiterkeit und Beifall bei der SPD)

Die Rede, die Sie hier gerade gehalten haben – das muss ich Ihnen ganz ehrlich sagen –, war, glaube ich, an Ihre eigenen Reihen, an die Kolleginnen und Kollegen in Ihrer Fraktion, gerichtet. Ich glaube, es war Norbert Lammert, der gesagt hat, die Union müsse aufpassen, dass nicht irgendwann eine Reform gegen sie stattfindet. Sie haben es jahrelang unterlassen, eine echte Wahlrechtsreform auf den Weg zu bringen.

(Beifall bei der SPD, dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und der FDP – Alexander Dobrindt [CDU/CSU]: Das ist die Bestätigung, dass Sie es gegen die Union machen wollen!)

Das wissen die Kolleginnen und Kollegen in Ihrer Fraktion letztendlich auch.

Ich will ganz kurz einen letzten Punkt ansprechen. Herr Dobrindt, Sie haben gesagt: Das ist der Entwurf einer Wahlrechtsreform gegen die Opposition. – Nein,

(Alexander Dobrindt [CDU/CSU]: Doch! – Nina Warken [CDU/CSU]: Doch!)

unser Wahlrecht sagt ganz klar, dass sich der Bundestag nach dem Zweitstimmenergebnis zusammensetzt. Ein Angriff auf die Opposition wäre Ihr Vorschlag eines Grabenwahlrechts. Das hätte nur Sie einseitig bevorteilt.

(Beifall bei der SPD, dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und der FDP)

Und das ist mit uns nicht zu machen.

Die Größe des Bundestags wird gedeckelt, und zukünftig ist jede Stimme in diesem Land gleich viel wert. Darum bitte ich Sie um Zustimmung.

(Beifall bei der SPD, dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und der FDP)

Das Wort zu einer Kurzintervention hat Friedrich Merz.

(Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU – Widerspruch bei der SPD, dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und der FDP – Stephan Brandner [AfD]: Noch größere Erregung als bei mir! – Jürgen Trittin [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Er hat doch alle Redezeit aufgebraucht!)

Ich bitte, zuzuhören.


Daten
Quelle Deutscher Bundestag, Nutzungsbedingungen
Quellenangabe Deutscher Bundestag via Open Parliament TV
Abgerufen von http://dbtg.tv/fvid/7551960
Wahlperiode 20
Sitzung 92
Tagesordnungspunkt Änderung des Bundeswahlgesetzes
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