Gyde JensenFDP - Vereinbarte Debatte zum Internationalen Frauentag
Vielen Dank. – Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Ich bin dankbar, dass heute Ministerinnen aus dem Kabinett hier anwesend sind. Ich bin aber genauso dankbar, dass Marco Buschmann, dass Johann Saathoff, dass Florian Toncar, dass Michael Kellner, dass Thomas Hitschler, dass Karl Lauterbach, dass Michael Theurer an dieser Debatte teilnehmen; denn am Ende brauchen wir alle, die da zuhören.
(Beifall bei der FDP, der SPD und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)
Der Vorteil, liebe Kolleginnen und Kollegen, anlässlich des Weltfrauentages heute zu debattieren, obwohl er schon gewesen ist, erlaubt uns ein bisschen Rückschau auf diesen Tag und damit die Frage, ob das, womit wir uns um diesen Tag herum beschäftigt haben, ob die Lösungen, die wir diskutiert haben, ob die Ziele, die wir uns gesetzt haben, uns weitergebracht haben. Denn ein Stück weit packen wir uns natürlich diese großen Ziele für den Weltfrauentag immer wieder auf Wiedervorlage: gleichberechtigte Teilhabe von Mädchen und Frauen an der Gesellschaft; Frauen, die die gleichen faktischen und gelebten Rechte und Freiheiten wie Männer haben; Mädchen, denen die Welt offensteht.
Ich muss sagen, dass ich den Weltfrauentag hierzulande inzwischen vor allen Dingen als eine Sammlung von wenig erbaulichen Statistiken wahrnehme, wie zum Beispiel den Gender-Pay-Gap. Wir reden über strukturellen Sexismus, wir reden über das Patriarchat, über gläserne Decken, über tägliche stundenlange Carearbeit und über verpasste Chancen. All das ist wahr, und all das existiert.
Frau Kollegin, ich wollte nur fragen – ich habe die Uhr angehalten –, ob Sie eine Zwischenfrage der Kollegin von Storch zulassen.
Nein, das tue ich nicht, weil die AfD ihre Redezeit ja bereits hatte.
(Beifall bei der FDP und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der SPD – Zuruf von der AfD: Schwach!)
All das, liebe Kolleginnen und Kollegen, was ich gerade aufgezählt habe, das existiert, und das ist wahr. Aber wir türmen auch gewissermaßen routiniert einen riesigen Problemberg auf; denn alles, was strukturell ist, das ist am Ende eine Mammutaufgabe, und die kann Politik natürlich nicht alleine lösen. Dazu brauchen wir Zivilgesellschaft. Wir brauchen Eltern – aus eigener Erfahrung kann ich sagen: auch sehr häufig Großeltern –, Lehrerinnen und Lehrer, Vorbilder. Dazu brauchen wir jede und jeden Einzelnen, jeden, der Feminismus, der Gleichberechtigung lebt, eigenes Verhalten hinterfragt und den Mut hat, für die eigene Überzeugung am Ende auch einzustehen.
Sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen, trotzdem halten wir auch hier im Bundestag gewissermaßen die Illusion ein Stück weit aufrecht, dass es auf diese Herausforderungen einfache politische Antworten geben kann. Mein Gefühl ist – ich bin da gespannt auf Ihre Einschätzung –, das verleitet auch ein Stück weit zu Schlagwortlösungen und Symbolpolitik:
(Beifall bei der FDP)
Rechtsansprüche, die eigentlich wenig umgesetzt werden können und kaum erfüllbar sind; mehr Geld, wo es aber am Ende gar nicht ankommt.
Wenn wir aber nach Lösungen für große Probleme suchen, dann verlieren wir manchmal auch ein Stück weit den Blick für die kleinen Schritte, die es am Ende notwendigerweise braucht, um auch ans Ziel zu kommen. Stichwort „gelebter Feminismus“: Man hat es hier ein Stück weit gewissermaßen mit einer Diskussion tun, die wir aus dem akademischen Elfenbeinturm herausholen müssen.
Wenn wir diesem gelebten Feminismus auf der Spur sind, wenn wir Frauen zuhören, die artikulieren, was sie brauchen, dann kann es eigentlich nicht feministischer sein. Dafür möchte ich einen kurzen Blick in die Welt richten. Bei den Ländern, die schon angesprochen wurden, geht es um elementarste Rechte, gewissermaßen ums Überleben.
Ich denke an die Frauen im Iran; Norbert Röttgen hat sie angesprochen: Selbst am Tag ihrer Freilassung demonstrieren Frauen wieder dafür, dass dieses Unrechtsregime abgeschafft gehört. Sie fordern aber auch Dinge, die wir umsetzen können. Es sind nicht reine Forderungen nach Solidaritätsbekundungen, sondern es sind auch klare politische Aufgaben, die uns gestellt werden.
Die Situation in der Ukraine wurde ebenfalls angesprochen. Auch ich war vor knapp zwei Wochen da. Ich habe nur Feministinnen getroffen: eine Abgeordnete, die Mutter von Kindern ist, die sie seit Monaten nicht gesehen hat, weil sie im Ausland sind, die sich Tag und Nacht dafür einsetzt, dass die Menschen in ihrer Region eine Ansprechperson haben; Frauen aus Butscha, die stoisch davon berichten, wie ihre Nachbarin, ihre Freundin, ihre Mutter vergewaltigt wurden, weil sie nicht schnell genug flüchten konnten, als die russischen Soldaten einmarschierten; Studentinnen, die Hilfsorganisationen gegründet haben und unterstützen, weil Kommilitonen an der Front dienen.
Einen kurzen Blick nach Deutschland haben wir gemacht; Herr Präsident, ich mache noch den einen Punkt.
Eigentlich nicht.
Hier geht es natürlich nicht ums Überleben. Dorothee Bär hat es gesagt: Wir können dankbar sein für die Freiheiten und die Möglichkeiten, die wir hier haben. Aber Mütter, die hier –
Frau Kollegin, Sie müssen wirklich zum Schluss kommen.
– keinen Kitaplatz haben – – Herr Präsident, ich komme zum Schluss. Ich möchte nur den Vergleich zu Deutschland machen; denn er ist elementar, und er macht ein Kleines zum Großen.
Frau Kollegin, in allem Ernst: Sie kommen jetzt bitte zum Schluss.
(Patrick Schnieder [CDU/CSU]: Das kann man nirgendwo mehr abziehen!)
Wir werden die kleinen Schritte aufgreifen, weil sie sich zu einem großen Ganzen zusammenfügen, und das machen wir in der Ampel. Aber das machen wir auch gerne über die Fraktionen hinweg; denn das ist notwendig und vor allen Dingen auch in solchen Debatten sehr hilfreich.
Herzlichen Dank für die Aufmerksamkeit und Entschuldigung, Herr Präsident.
(Beifall bei der FDP sowie bei Abgeordneten der SPD und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN und des Abg. Dr. Norbert Röttgen [CDU/CSU])
Frau Kollegin, das hilft jetzt auch nicht weiter. Die Zeit ist ja weitergelaufen.
(Gyde Jensen [FDP]: Sie haben mich ja ausreden lassen!)
– Also, wenn das jetzt ein Vorwurf war, dann passiert das nie wieder. Das wollte ich nur sagen.
Nächste Rednerin ist die Kollegin Mareike Lotte Wulf, CDU/CSU-Fraktion.
(Beifall bei der CDU/CSU)
Quelle | Deutscher Bundestag, Nutzungsbedingungen |
Quellenangabe | Deutscher Bundestag via Open Parliament TV |
Abgerufen von | http://dbtg.tv/fvid/7552002 |
Wahlperiode | 20 |
Sitzung | 92 |
Tagesordnungspunkt | Vereinbarte Debatte zum Internationalen Frauentag |