Frank SchwabeSPD - Aktuelle Stunde: Ein Jahr nach Bucha - für Gedenken und strafrechtliche Aufarbeitung
Frau Präsidentin! Verehrte Damen und Herren! Es ist gesagt worden: Butscha steht als Synonym für die russischen Kriegsverbrechen in der Ukraine.
Man hat ja immer Bilder im Kopf; in diesem Krieg gibt es so viele schreckliche Bilder. Mir ist das Bild des Fahrradfahrers aus Butscha, der vom Fahrrad geschossen wurde, besonders in Erinnerung geblieben. Das ist wahrscheinlich gar nicht das allerschrecklichste Bild dieser Bilder – man kann ja die schlimmsten Dinge sehen –, aber es war so absurd. Ich habe es als so absurd empfunden, dass Menschen komplett sinnlos vom Fahrrad geschossen und aus ihrem Leben gerissen werden.
Ich habe noch mal nachgeguckt, wer dieser Mann eigentlich war. Die Nachrichtenagentur AFP hat sich die Mühe gemacht, Einzelschicksale zu dokumentieren, und der „Stern“ hat es aufgeschrieben. Der Mann auf dem Fahrrad war Mychailo Romanjuk; er war 58 Jahre alt. Der „Stern“ dokumentiert die Geschichte:
„Wir sind zusammen losgefahren, aber ich bin alleine zurückgekommen“, erzählt Oleksandr …
Oleksandr war derjenige, mit dem Mychailo unterwegs war.
Sie hofften, dort
– in einem 4 Kilometer entfernten Militärkrankenhaus in Irpin –
Oleksandrs verletzten Vater besuchen zu können, und wollten die Gelegenheit nutzen, um dort ihre Handys aufzuladen. Sie waren noch 500 Meter vom Krankenhaus entfernt, als die Schüsse fielen.
„Wir haben niemanden gesehen“, sagt Oleksandr. „ Ich habe nur die Schüsse gehört und gesehen, wie Myschka gestürzt ist.“ Er selber sei dann mit seinem Fahrrad in eine kleine Gasse geflohen. …
28 Tage lang blieb Romanjuks Leiche auf dem Bürgersteig liegen. „ Er hat es geliebt, zu singen. Er war ein fröhlicher Mann, der gerne mal einen über den Durst getrunken hat“, erinnert sich Wiktoria Watura, Romanjuks Schwägerin.
Das ist einer dieser Fälle, einer von mindestens 458 Menschen, die in Butscha zu Tode gekommen sind – die meisten davon gefoltert, erschossen, zu Tode geprügelt. Leider steht Butscha in einer Kette mit vielen anderen Namen von Städten: Irpin, Mariupol, Kramatorsk, Tschernihiw und viele andere.
Der Kollege Abraham hat es schon gesagt: Es ist die Krone des Zynismus, dass am Ende der russische Präsident Wladimir Putin den beteiligten Einheiten Orden dafür verliehen hat.
Es sind diese schrecklichen Bilder aus Butscha und anderswo, die in Erinnerung sind und die uns manchmal vielleicht ein bisschen vergessen lassen, dass tagtäglich Kriegsverbrechen begangen werden. Tagtäglich werden zivile Ziele von Russland in der Ukraine angegriffen, und das alles sind Kriegsverbrechen.
Wir sind es den Ermordeten von Butscha, den Angehörigen, den Ukrainerinnen und Ukrainern, Europa, der Welt und letztlich uns selbst schuldig, dass diese Menschheitsverbrechen nicht ungesühnt und nicht ungeahndet bleiben. Deshalb ist es gut – auch das ist gerade schon gesagt worden –, dass der Chefankläger des Internationalen Strafgerichtshofs in Den Haag, Karim Khan, Anklage erhoben hat gegen Wladimir Putin, aber unter anderem eben auch gegen die Beauftragte für Kinderrechte der Russischen Föderation – eine Absurdität als solche – wegen der Verschleppung ukrainische Kinder. Es ist sehr gut, dass er sich genau diesen exemplarischen Fall rausgesucht hat, weil eben auch nachvollziehbar ist – auch in der Befehlskette –, wer denn da am Ende eigentlich die Verantwortung trägt. Es ist gut, dass wir parallel alles tun, um die Verbrechen zu dokumentieren – über den Internationalen Strafgerichtshof, über eine Kommission des UN-Menschenrechtsrats, über den Europarat, der entsprechend auch der Ukraine hilft, solche Beweise zu sichern.
Weil es ja die Debatte und den Antrag der Union gab, will ich für die SPD sagen – und ich denke, ich kann das für die Regierungsfraktionen insgesamt tun –: Wir wollen, dass diejenigen, die für diese Verbrechen verantwortlich sind, nicht davonkommen.
(Beifall bei der SPD, der CDU/CSU, dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, der FDP und der LINKEN)
Wir wollen – ganz im Einklang mit der Ukraine und mit der größten Oppositionsfraktion –, dass die Hauptverantwortlichen für diesen verbrecherischen Krieg Russlands gegen die Ukraine zur Verantwortung gezogen werden, und das ist die sogenannte Troika, einschließlich des russischen Präsidenten.
Deswegen unterstützen wir die Idee eines Sondertribunals. Wie man das am Ende konkret ausgestaltet, muss man sehen. Wir wollen, dass die Hauptverantwortlichen aus Russland zur Verantwortung gezogen werden. Wir wollen gleichzeitig aber auch, dass alles getan wird, um das internationale Recht insgesamt zu stärken – im Sinne der Ermordeten in der Ukraine, im Sinne der Menschen aus Butscha und im Sinne einer gerechteren Welt.
Vielen Dank.
(Beifall bei der SPD, der CDU/CSU, dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und der FDP)
Für die AfD-Fraktion hat jetzt Jürgen Braun das Wort.
(Beifall bei der AfD)
Quelle | Deutscher Bundestag, Nutzungsbedingungen |
Quellenangabe | Deutscher Bundestag via Open Parliament TV |
Abgerufen von | http://dbtg.tv/fvid/7552119 |
Wahlperiode | 20 |
Sitzung | 93 |
Tagesordnungspunkt | Aktuelle Stunde: Ein Jahr nach Bucha - für Gedenken und strafrechtliche Aufarbeitung |