29.03.2023 | Deutscher Bundestag / 20. WP / Sitzung 93 / Zusatzpunkt 1

Aydan ÖzoğuzSPD - Aktuelle Stunde: Ein Jahr nach Bucha - für Gedenken und strafrechtliche Aufarbeitung

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Sehr geehrte Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Sehr geehrte Damen und Herren! Es wurde jetzt schon von mehreren zu Recht gesagt – ich möchte es auch noch einmal festhalten –: Butscha wurde zu einem dokumentierten Mahnmal für grausame Kriegsverbrechen aus dem russischen Angriffskrieg gegen die Ukraine. Der Rückzug der russischen Besatzer ließ über 458 Leichen zurück – Männer, Frauen, Kinder, Alte –, auf den Straßen, in den Autos, in den Häusern. Viele der Leichen trugen Anzeichen schlimmster Misshandlungen. Wir können uns wohl kaum vorstellen, wie sehr diese Menschen vor ihrem grausamen Tod gelitten haben. Frau Vogler, ich muss jetzt doch mal fragen: Was macht Sie so sicher, dass diese Grausamkeiten aufhören würden, wenn wir der Ukraine nicht mehr helfen würden, sich zu verteidigen?

(Beifall bei der SPD, der CDU/CSU, dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und der FDP sowie des Abg. Dr. Rainer Kraft [AfD])

Butscha steht weltweit als Symbol für die Grausamkeiten dieses Angriffskriegs. Butscha hat sich in unsere Köpfe eingebrannt und ist der Ausdruck für diese schrecklichen Verbrechen, die russische Soldaten dort verübt haben. Butscha steht genauso für die Hinrichtungen in Irpin und Hostomel. Butscha steht für die Raketeneinschläge am Bahnhof von Kramatorsk, im Wohnblock in Dnipro, im Einkaufszentrum von Krementschuk. Butscha steht für Folterkeller in Cherson und Isjum. Butscha steht für die Bombardierung der Geburtsklinik und des Theaters in Mariupol und für die Plünderungen, die Zwangsrekrutierungen, die Filtrationslager, die Vergewaltigungen, die Deportationen von Erwachsenen und Kindern. Wir wissen heute nicht, ob es jemals möglich sein wird, diese Kriegsverbrechen tatsächlich anzuzeigen, aufzuklären und die Täter zu verurteilen; aber wir müssen alles tun, damit dies geschieht.

(Beifall bei der SPD, dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und der FDP sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU)

In der vergangenen Sitzungswoche hatten wir Besuch von Kriegsopfern aus Bosnien, darunter viele Frauen, die damals Furchtbares erleben mussten. Nahezu 30 Jahre nach dem Krieg kämpfen sie noch immer darum, dass diese Verbrechen vor Gericht gebracht und dort auch bearbeitet werden. Stattdessen müssen sie erleben, wie sich Täter mit Tricksereien aus ihrer Verantwortung stehlen und die Opfer ein weiteres Mal gedemütigt werden. Diese Frauen und Männer stehen auch im direkten Kontakt zu Frauen und Organisationen in der Ukraine, um sie bestmöglich zu stützen, zu unterstützen und zu beraten. Wir alle müssen auch aus dieser Vergangenheit lernen; denn es gibt keinen Frieden, wenn Kriegsverbrechen nicht aufgeklärt werden und die Täter ungeschoren davonkommen.

(Beifall bei der SPD, der CDU/CSU, dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und der FDP)

Diese Wunden bleiben jederzeit bereit, wieder aufzubrechen; das haben wir gerade bei der Begegnung mit diesen Frauen gemerkt. Entscheidend ist die Unterstützung bei der Beweissicherung und der Aufklärung, für die die Beratungsmission der EU, aber auch viele Organisationen weltweit in der Ukraine wichtige Arbeit leisten. Viele NGOs, Journalisten, aber auch Privatpersonen versuchen, diese furchtbaren Verbrechen sichtbar zu machen. Das Zentrum für Internationale Friedenseinsätze entsendet dafür zivile Experten, die eng mit ukrainischen und internationalen Strafverfolgungsbehörden zusammenarbeiten.

Wir müssen auch dafür eng an der Seite der Ukrainerinnen und Ukrainer stehen, um dafür zu sorgen, dass eines Tages wieder Recht gesprochen wird und nicht das Recht des Stärkeren gilt.

(Beifall bei der SPD, dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und der FDP sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU)

Der Haftbefehl gegen Putin ist ein sehr wichtiger Schritt. Aber er verübt diese Verbrechen nicht allein. Wir haben auch im Deutschen Bundestag einen Teil der grausamen Bilder gezeigt, die die Verbrechen von Butscha dokumentieren. Sie müssen wachrütteln und zeigen, dass dieser Krieg die schlimmsten Seiten der Menschlichkeit hervorholt. Deshalb brauchen wir dieses klare Bekenntnis, dass es auch während und nach diesem Krieg zu einer ernsthaften Verfolgung solcher Verbrechen kommt.

Und es braucht Denkmäler über die Geschehnisse. Denn zum einen ist es schwer, das Geschehene überhaupt zu verarbeiten. Aber für künftige Generationen – auch auf russischer Seite – wird es immer wichtig sein, nicht nur die Erzählungen der Täter zu hören, sondern das Geschehene auch mit eigenen Augen betrachten zu können.

Liebe Agnes Strack-Zimmermann, genau diesen Punkt habe ich mir auch notiert, und ich möchte es auch noch mal anmerken: Das IOC hat die Zeichen der Zeit überhaupt nicht erkannt.

(Beifall bei der SPD, der CDU/CSU, dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und der FDP)

Einen Angriffskrieg kann man nicht „neutral“ nennen. Entsandte der angreifenden Partei als neutral einzustufen, heißt, die Augen vor diesem Krieg zu verschließen.

Vielen Dank.

(Beifall bei der SPD, der CDU/CSU, dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und der FDP)

Das Wort hat der Kollege Dr. Günter Krings für die CDU/CSU-Fraktion.

(Beifall bei der CDU/CSU)


Daten
Quelle Deutscher Bundestag, Nutzungsbedingungen
Quellenangabe Deutscher Bundestag via Open Parliament TV
Abgerufen von http://dbtg.tv/fvid/7552123
Wahlperiode 20
Sitzung 93
Tagesordnungspunkt Aktuelle Stunde: Ein Jahr nach Bucha - für Gedenken und strafrechtliche Aufarbeitung
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