29.03.2023 | Deutscher Bundestag / 20. EP / Session 93 / Tagesordnungspunkt 22

Joe WeingartenSPD - Bundeswehreinsatz SEA GUARDIAN im Mittelmeer

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Sehr geehrte Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Meine Damen und Herren! Der russische Angriff auf die Ukraine hat die militärischen Rahmenbedingungen dramatisch verschärft – für die NATO, für die Bundeswehr und für uns als verteidigungspolitisch Verantwortliche –, und das nicht nur auf dem europäischen Festland, sondern auch in den umliegenden Meeren, vor allen Dingen im Mittelmeer und in dessen östlichem Teil. Dies gilt umso mehr, als die russischen Angriffe in Syrien gezeigt haben, welchen Machtanspruch das Land auch in dieser Region hat; der Kollege Lehmann hat gerade völlig zu Recht darauf verwiesen.

Deswegen ist es wichtig, der Aggression dort entgegenzutreten. Denn es bleibt unverändert so, dass es Frieden und Sicherheit in Europa nur dann dauerhaft geben kann, wenn es Frieden und Sicherheit im Mittelmeer gibt. Frieden und Sicherheit in dieser Region sind keine Selbstverständlichkeit. Der Krieg in der Ukraine darf uns nicht den Blick dafür verstellen, dass die Lage insbesondere im östlichen Mittelmeer aufgrund sozialer Ungerechtigkeiten, ethnischer Konflikte und religiösen Fanatismus brandgefährlich ist.

Ich habe schon bei den letztjährigen Beratungen zu dieser Mission darauf hingewiesen, dass es als viertgrößte Handelsnation dieser Welt unser ureigenes Interesse sein muss, darüber Bescheid zu wissen, wer sich auf den Schifffahrtsrouten in direkter Nähe unseres Kontinents aufhält und was dort passiert. Wir müssen die militärischen Fähigkeiten besitzen, um die Vorbereitung von Gewalttaten, den Waffenschmuggel oder Störungen der internationalen Seefahrt zu verhindern. Deswegen: Wir stehen zur Absicherung des Mittelmeeres, wir stehen zur Freiheit der Handelswege, und wir stehen zum Schutz von Menschen vor Gewalt und Vertreibungen. Und wir stehen auch unverändert dazu, Menschen, die im Mittelmeer in Seenot geraten, zu retten, egal wo sie herkommen und wo sie hinwollen.

(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der FDP und der Abg. Sara Nanni [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN])

Bei dieser Gelegenheit ein paar Worte zum Kollegen Nolte. Ausweislich Ihrer Rede wissen Sie nicht genau, wo das Mittelmeer liegt und wo die Nordsee.

(Lachen des Abg. Gerold Otten [AfD])

Aber das reicht immer noch, um Ihr krudes Menschenbild zu verbreiten und die Schuld den Geflüchteten zuzuweisen.

(Zuruf des Abg. René Bochmann [AfD])

Man meint geradezu, eine klammheimliche Freude an jedem im Mittelmeer Ertrunkenen wahrzunehmen. Und ich sage Ihnen: Das ist widerlich.

(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN und der FDP – Dr. Bernd Baumann [AfD]: Das ist eine Frechheit! Freude an Ertrunkenen? Das kann doch nicht wahr sein!)

Herr Kollege Dr. Weingarten, erlauben Sie eine Zwischenfrage von Herrn Nolte?

(Zuruf von der SPD: Er ist schon nervös!)

Aber sicher.

Herr Kollege, ich habe die Nordsee überhaupt nicht erwähnt. Vielleicht sollten Sie mal zuhören und nicht nur auf das Smartphone gucken; das hilft.

Ich habe gerade bedauert, dass viele Menschen auf dem Mittelmeer umkommen. Ein Grund dafür sind die Pullfaktoren. Die gingen zum einen früher von militärischen Operationen wie Sophia aus, die Sie immer mit unterstützt haben. Da lade ich Sie ein, sich mal die Statistiken anzuschauen: In den Jahren, wo so was lief und wo die selbsternannten Seenotrettungsorganisationen besonders aktiv waren, sind mehr Menschen auf dem Mittelmeer gestorben als sonst. Und schauen Sie sich auch die australischen Statistiken an! Das ist Fakt. Sie schauen durch Ihre ideologische Brille und sind einfach nicht in der Lage, mit der Realität irgendwie umzugehen.

(Beifall bei der AfD)

Jeder, der das jetzt hört, kann die Daten nachvollziehen und das nachlesen, was ich Ihnen gerade sage.

Sie machen sich gar nicht mehr die Mühe, noch mit der Realität zu arbeiten, wie sie ist. Ihnen reichen ein paar Sprechblasen: Die AfD ist doof; –

Stellen Sie bitte Ihre Frage.

– die AfD ist rechts. – Das ist Ihr Anspruch. So, Herr Kollege, können Sie da nicht rangehen. Schauen Sie sich die Zahlen an! Durch die „Arbeit“ – in Anführungsstrichen – dieser kriminellen Schlepper aus Europa und aus Afrika –

Herr Nolte, haben Sie eine Frage an den Kollegen Weingarten?

(Josephine Ortleb [SPD]: Er hatte schon Redezeit!)

– sterben Menschen auf dem Mittelmeer.

(Beifall bei der AfD)

Liebe Kolleginnen und Kollegen, mir ist es intellektuell jetzt nicht ganz gegeben, in diesem Wortschwall eine Frage zu erkennen.

(Jan Ralf Nolte [AfD]: Frage oder Bemerkung!)

Aber ich sage Ihnen ganz deutlich: In einem Punkt haben Sie recht. Ich habe gesagt, Sie kennen den Unterschied zwischen Nordsee und Mittelmeer nicht. Das stimmt nicht; Sie kennen den Unterschied zwischen Ostsee und Mittelmeer nicht.

Ansonsten: Ihnen geht es um Statistiken, die Sie wo auch immer herholen. Uns geht es um Menschen.

(Lachen bei der AfD – Gerold Otten [AfD]: Genau darum geht es!)

Wenn Sie den Unterschied nicht kennen, ist Ihnen nicht zu helfen.

(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der FDP)

Liebe Kolleginnen und Kollegen, wir betrachten das Mittelmeer mit seiner gesamten strategischen Situation.

(Gerold Otten [AfD]: Sie können Ostsee und Nordsee nicht auseinanderhalten! – Beatrix von Storch [AfD]: Sie sind einfach nur stumpf! So stumpf!)

– Gemach, gemach! – Durch die Unterstützung des syrischen Unrechtsregimes hat sich Russland Militärstützpunkte am Mittelmeer als Ausgangspositionen gesichert; ich weiß, dass Ihnen das recht ist. Ja, Sea Guardian hat kein Mandat, das explizit auf die Gefahren der Großmachtpolitik der Russischen Föderation eingeht.

(Lachen bei Abgeordneten der AfD)

Aber wir beobachten jeden Schritt, den Russland in der Mittelmeerregion tut, und stärken damit die Handlungsfähigkeit der NATO an ihrer Südflanke.

(Gerold Otten [AfD]: Das hat doch nichts mit Sea Guardian zu tun!)

Das engmaschige Lagebild zur Einschätzung der Situation, zu dem Sea Guardian beiträgt, ist mit dem aggressiven Auftreten Russlands noch wichtiger geworden.

(Zuruf des Abg. Martin Reichardt [AfD])

– Ich weiß, dass das Ihre geistigen Verbündeten sind; aber Sie sollten es sich trotzdem anhören.

Meine Damen und Herren, mit dem Tender „Rhein“ und indirekt jetzt auch mit der Fregatte „Sachsen“ leisten wir einen wichtigen Beitrag. Den Besatzungen und allen anderen Soldatinnen und Soldaten in diesem Einsatz gilt unser gemeinsamer Dank.

(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU, des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN und der FDP)

Wir müssen das Mittelmeer im Auge behalten. Das gilt nicht nur für Syrien. Es geht auch um den Libanon – einst ein blühendes Land der Region, geprägt von wirtschaftlichem Erfolg und religiöser Toleranz, heute teilweise zerstört, wirtschaftlich ruiniert und weitgehend unter dem Einfluss einer fremden Macht, des Iran. In dieser schwierigen Lage ist es ein wichtiges Zeichen, dass wir uns als Bundestag zu diesem Land bekennen. Der interfraktionelle Parlamentskreis Libanon, den wir gegenwärtig gründen, ist da ein deutliches Zeichen.

(Beifall des Abg. Kevin Leiser [SPD])

Und noch mehr muss uns die Lage unseres engsten Verbündeten in der Region, des Staates Israel, beschäftigen. Ungeachtet aktueller politischer Differenzen mit der gegenwärtigen Regierung: Israels Sicherheit beruht auch auf deutscher Unterstützung und deutschen Waffen, und jetzt und in der Zukunft beruht auch unsere militärische Sicherheit auf israelischer Waffentechnik. Auch das verpflichtet uns dazu, genau auf das unmittelbare Umfeld unseres Verbündeten zu schauen. Sea Guardian tut das. Die Mission ist die militärische Grundlage für offene Seewege und den Schutz kritischer Infrastruktur im Mittelmeer. Gleichzeitig bietet sie die Chance, Kooperationen auszubauen und die Zukunft gemeinsam zu gestalten.

Meine Damen und Herren, wir müssen wachsam und handlungsbereit sein. Senden Sie dazu bitte an die Soldatinnen und Soldaten unserer Einheiten, die in Sea Guardian eingebunden sind, ein klares Signal, und stimmen Sie dem Antrag der Bundesregierung auf Fortführung des Mandates um ein Jahr bis Ende März 2024 zu!

Herzlichen Dank.

(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der FDP und der Abg. Dr. Anja Reinalter [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN])

Der letzte Redner in der Debatte ist für die Unionsfraktion Dr. Volker Ullrich.

(Beifall bei der CDU/CSU)

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Electoral Period 20
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