Alexander ThromCDU/CSU - Ausreisepflichten im Asylrecht
Sehr geehrter Herr Präsident! Werte Kolleginnen und Kollegen! Lieber Herr Kollege Castellucci, Ihr Verweis auf Kanada ist schlicht unredlich. Denn Kanada hat eine Quote bei der Aufnahme aufgrund von humanitärer Hilfe. Die haben wir nicht. Wir helfen allen, die kommen und Schutz brauchen; diese werden bei uns aufgenommen. Aber genauso müssen wir umgekehrt umso konsequenter bei denen, die keinen Schutz brauchen, die keine Bleibeberechtigung haben, dafür sorgen, dass sie wieder in ihre Heimatländer zurückkehren – eben mit Abschiebungen, Herr Kollege Castellucci.
(Beifall bei der CDU/CSU – Zuruf der Abg. Filiz Polat [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN])
Seit heute – diese Debatte ist sehr wertvoll – wissen wir, dass Ihre Rückführungsoffensive tatsächlich eine Rückführungsverweigerung ist.
(Dr. Bernd Baumann [AfD]: Das wissen wir schon länger! – Filiz Polat [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Tolles Wortspiel, Herr Throm!)
Man hätte ja noch ein bisschen Hoffnung auf die FDP haben können. Aber Herr Kollege Thomae, Sie haben gesagt: Alle abgelehnten Personen – und nur über diese Personengruppe diskutieren wir ja heute – sollen arbeiten dürfen und damit nicht abgeschoben werden.
(Stephan Thomae [FDP]: Nee! Die sollen nicht im Sozialsystem kleben bleiben!)
– Das haben Sie gesagt. Lesen Sie es im Protokoll nach. – Sie haben das damit begründet, dass der Aufwand für eine Abschiebung so hoch ist, dass sie so teuer ist und oft scheitert. Deswegen sollten wir die entsprechenden Bemühungen eher auf andere Dinge richten. Das ist eine Aufforderung an Menschen aller Herren Länder der Welt, nach Deutschland zu kommen. Denn gemäß dieser Aussage – und die Ampel sagt das insgesamt – kann jeder kommen und dann, wenn er es irgendwie hierher schafft, auch entsprechend bleiben.
(Beifall bei der CDU/CSU – Zuruf der Abg. Filiz Polat [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN])
Liebe Kolleginnen und Kollegen, ich möchte heute auch einmal – –
(Abg. Canan Bayram [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN] meldet sich zu einer Zwischenfrage)
– Herr Präsident, da ist der Wunsch nach einer Zwischenfrage.
Herr Kollege, lassen Sie eine Zwischenfrage zu?
(Heiterkeit bei Abgeordneten der CDU/CSU)
Jetzt kann ich wohl schlecht Nein sagen.
(Ralph Edelhäußer [CDU/CSU]: „Nein“! – Gegenruf des Abg. Christoph de Vries [CDU/CSU]: Das wäre jetzt geil gewesen! – Heiterkeit bei Abgeordneten der CDU/CSU)
Bitte schön.
Vielen Dank, Herr Präsident. – Danke, lieber Herr Kollege, dass Sie die Frage zulassen. Sie haben die vorherige Debatte, also bevor Sie ans Rednerpult gegangen sind, nicht ganz zutreffend zusammengefasst. Deswegen will ich Ihnen noch mal die Gelegenheit geben, darüber nachzudenken und mir zu antworten.
Was der Kollege, der vor Ihnen geredet hat, gesagt hat, war ja, dass es in 16 Jahren CDU-Mitregierung nicht gelungen ist, die gesetzlichen Regeln, aber auch die daran hängenden internationalen Vereinbarungen so zu gestalten, dass der Anspruch, den Sie auch hier wieder geltend machen, ein bestimmtes Ziel zu erreichen, erreicht wurde. Und dann hat er gesagt: Pragmatisch könnte man sich diese Fragen neu stellen.
Deswegen meine Frage an Sie: Sind Sie bereit, mit Leuten wie den Taliban in Afghanistan oder mit Unrechtsregimen in Ländern wie unter anderem Syrien Abkommen zu treffen, Verhandlungen zu führen, um Menschen außerhalb dieses Landes zu verbringen? Ich frage Sie: Wo ist da bei Ihnen eigentlich die Schmerzgrenze?
(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der SPD und des Abg. Stephan Thomae [FDP])
Liebe Frau Kollegin, ich habe genau das wiedergegeben, was vorher gesagt wurde. Ja, wir haben uns 16 Jahre lang bemüht, Ordnung in das Asylsystem zu bekommen,
(Stephan Thomae [FDP]: Redlich bemüht! „Hat sich stets bemüht“! – Ulle Schauws [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Sie haben es nicht hinbekommen, wollten Sie sagen! Ja, das stimmt!)
und wir haben es insbesondere nach 2015/2016 in schwierigen Verhandlungen mit der SPD ein Stück weit geschafft,
(Zuruf der Abg. Filiz Polat [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN])
aber – da gebe ich Ihnen recht – nicht so weit, wie CDU/CSU dies eigentlich gewollt hätten, weil immer wieder die Blockierer der SPD in der Koalition saßen.
(Beifall bei der CDU/CSU)
Aber wir haben es geschafft, die Zahl der Asylbewerber auf unter 200 000 herunterzudrücken, was wir als entsprechende Zielvorgabe hatten.
(Christian Petry [SPD]: Das ist ja sachlich falsch, was Sie da sagen!)
Und die Zahl der Abschiebungen war deutlich höher, als es heute unter Ihrer Regierung der Fall ist.
(Beifall bei der CDU/CSU – Christian Petry [SPD]: Das ist ja fast Geschichtsverklärung!)
Das heißt, wir waren mit Ordnung und Steuerung in der Vorgängerkoalition deutlich besser unterwegs, als Sie es sind. Sie geben jegliche Steuerung auf.
Jetzt will ich Ihnen zu Ihrer Frage eine Geschichte erzählen. Es geht um einen Straftäter aus Illerkirchberg, einen Afghanen, Sexualstraftäter, der ein 14-jähriges Mädchen unter Drogen gesetzt hat und stundenlang missbraucht hat.
(Zuruf der Abg. Filiz Polat [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN])
Er wurde zu drei Jahren Strafhaft verurteilt und ist seit Anfang 2022 entlassen, war dann noch drei Monate in Abschiebehaft, die dann aufgehoben werden musste, weil er nicht abgeschoben werden konnte. Die Justizministerin von Baden-Württemberg, Frau Gentges – die ist bei uns für Migration zuständig –, hat dreimal an Innenministerin Faeser mit der Bitte um Unterstützung geschrieben. Dieser Schwerststraftäter, dem auch eine hohe Rückfallquote attestiert wurde, also eine Gefährdung für die Bevölkerung in Illerkirchberg ist – denn dorthin musste er wieder zurückgehen; keine andere Gemeinde oder Stadt in Baden-Württemberg war bereit, diesen Straftäter bei sich aufzunehmen –, ist jetzt wieder im gleichen Ort, wo er dieses 14-jährige Mädchen missbraucht hat.
(Dr. Malte Kaufmann [AfD]: Schämt euch dafür! Unglaublich! Unfassbar!)
Keine Handlung, nichts von Frau Faeser!
Ich habe dann Anfang Februar ein Schreiben an die Innenministerin gerichtet.
Herr Kollege, ist das noch die Beantwortung der Frage?
(Christoph de Vries [CDU/CSU]: Ja! – Weiterer Zuruf von der CDU/CSU: Natürlich!)
Das überlasse ich Ihnen, ob Sie das als solche bewerten. Es ist jedenfalls zum Thema. Die Kollegin hat ja gefragt, ob ich auch bereit wäre, mit Afghanen zu verhandeln; dazu will ich jetzt gleich kommen.
Ich habe dann Frau Faeser angeschrieben, ihr Anfang Februar den Fall geschildert und sie auch um Unterstützung gebeten. Ich war dann am Sonntag, den 19. März, extrem erstaunt,
(Zuruf von der CDU/CSU, an die Abg. Canan Bayram [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN] gewandt: Das ist nicht zum Lachen! Stehen bleiben!)
als ich diese Schlagzeile in der „Bild am Sonntag“ gesehen habe:
(Der Redner hält ein Papier hoch)
„Faeser will wieder nach Afghanistan abschieben“, und darüber in Rot: „Bei Gefahr für Deutschland“. Na ja, okay. Es hat gewirkt. Respekt! Die Innenministerin will offensichtlich Ernst machen.
(Zuruf der Abg. Filiz Polat [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN])
Am 20. März, am Montag danach, habe ich ein Schreiben von Staatssekretär Özdemir als Antwort auf mein Schreiben an die Ministerin erhalten. Ich zitiere:
Abschiebungen setzen in einem Rechtsstaat voraus, dass sie möglich und vertretbar sind. Das sehe ich im Falle von Afghanistan derzeit aber nicht.
Das heißt, die Luftnummer der Innenministerin am Sonntag in „Bild am Sonntag“ wurde am Montag sofort wieder zurückgenommen. Das nenne ich – auch in Zeiten eines hessischen Landtagswahlkampfes – schäbig, wenn man so mit der Erwartungshaltung der Bevölkerung umgeht, dass schwere Straftäter auch wieder zurückgeführt werden.
(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der AfD)
Und jetzt – letzte Bemerkung, Herr Präsident – zu Afghanistan. Es finden Verhandlungen der Bundesregierung statt, im sogenannten Doha-Format. Bis Mitte letzten Jahres waren mehrere Diplomaten nach Kabul geflogen. Den Inhalt der Gespräche kenne ich nicht. Aber es finden Gespräche statt. Und dann sollten die Gespräche auch mal dazu genutzt werden, solche üblen Straftäter nach Afghanistan zurückzuführen.
Herzlichen Dank.
(Beifall bei der CDU/CSU)
Quelle | Deutscher Bundestag, Nutzungsbedingungen |
Quellenangabe | Deutscher Bundestag via Open Parliament TV |
Abgerufen von | http://dbtg.tv/fvid/7552157 |
Wahlperiode | 20 |
Sitzung | 93 |
Tagesordnungspunkt | Ausreisepflichten im Asylrecht |