Fabian FunkeSPD - Souveränität Deutschlands innerhalb der EU
Sehr geehrter Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Sehr geehrte Damen und Herren! Kolleginnen und Kollegen der AfD, ich muss sagen, ich bin von diesem Antrag echt enttäuscht. Sein Inhalt ist wenig überraschend, die Forderungen sind ziemlich banal, und insgesamt waren Sie auch schon mal kreativer, was absurde Vorschläge und künstliche Kontroverse angeht. Aber gut, dann lassen Sie uns mal über dieses inhaltslose Papier reden.
Punkt eins: Souveränität. Sie regen sich fürchterlich darüber auf, dass die 27 Mitgliedstaaten Teile ihrer Souveränität an die EU abgeben, und unterstellen, die EU würde übergriffig und einseitig in die nationalstaatliche Souveränität eingreifen. Ich glaube, Sie brauchen dringend eine kleine EU-Geschichtsstunde.
Der Vertrag von Lissabon – die Grundlage unserer Europäischen Union, wenn man so möchte – wurde 2008 und 2009 von 28 souveränen demokratischen Nationalstaaten ratifiziert. In jedem Land gab es eine deutliche Mehrheit dafür, bestimmte Zuständigkeiten an die EU zu übertragen und, ja, freiwillig Teile der eigenen Souveränität an das Kollektiv abzugeben. Eines dieser 28 Länder, wie Sie vielleicht mitbekommen haben, hat mittlerweile seine volle Souveränität zurückgeholt und ist seitdem so souverän, dass es derzeit in Supermärkten an frischem Gemüse fehlt und dass jede Verhandlung über internationale Abkommen eine halbe Staatskrise auslöst. Glückwunsch!
(Johannes Schraps [SPD]: Hört! Hört!)
Was Sie hier fordern, ist plumper Nationalismus, nicht mehr und nicht weniger. Und – Spoiler Alert! – die Abgabe von Souveränität gab es auch schon in der Geschichte: Das Königreich Preußen, das Kurfürstentum Salzburg und die Republik Florenz haben historisch – mehr oder weniger freiwillig – ihre Souveränität abgegeben, und ich habe das Gefühl, die kommen da auch ganz gut klar.
(Beifall bei der SPD – Zuruf des Abg. Dr. Bernd Baumann [AfD])
Punkt zwei: der Vorwurf, die EU sei undemokratisch – auch ein AfD-Evergreen. Machen wir weiter mit der EU-Geschichtsstunde. Das Europäische Parlament: 2019 gewählt von 198 Millionen Europäern, der Europäische Rat: bestehend aus demokratisch gewählten Regierungsoberhäuptern, Teilnahme an Wahlen: insgesamt 230 Millionen EU-Bürgerinnen und EU-Bürger, Kommissionspräsidentin: vorgeschlagen durch den Rat, gewählt durch das Europäische Parlament.
Wir wissen: Mehr Demokratie geht immer. Und deswegen streiten wir für eine demokratischere Europäische Union mit mehr demokratischen Elementen, auch im Rahmen der Zukunftskonferenz. Aber dass sie nicht legitimiert ist, kann man nun wirklich nicht sagen.
(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)
Herr Kollege, erlauben Sie eine Zwischenfrage der Kollegin Beatrix von Storch?
Definitiv nicht.
(Zuruf der Abg. Beatrix von Storch [AfD])
Ein anderes Beispiel: Eurobarometer 2022 – und nicht Ihre wahllosen Zahlen von 2011. Auf die Frage „Profitiert mein Land von der EU-Mitgliedschaft?“ antworteten 72 Prozent mit Ja. Auf die Frage „Sollte das EP eine größere Rolle spielen?“ antworteten 55 Prozent mit Ja. So sieht die Begeisterung für die Europäische Union wirklich aus.
(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN und der FDP)
Punkt drei: Wirtschaftsunion ja, alles andere nein. Das, was Sie fordern, ist, Zollunion und Freihandel beizubehalten und Finanzpolitik, Industriepolitik und die anderen Vertiefungen nicht weiter zu verfolgen. Aber schauen wir uns das doch mal an – das hat die Kollegin Chantal Kopf vorhin schon gesagt –: Für die Bewältigung der großen Herausforderungen, die vor uns liegen, gerade in der Industriepolitik, gerade in der Transition der Wirtschaft in eine grüne Wirtschaft, braucht es die Europäische Union, es braucht die gemeinsame Anstrengung, um die Voraussetzungen dafür zu schaffen.
Ihre Positionen sind feindlich und existenzgefährdend für die deutsche Wirtschaft.
(Johannes Schraps [SPD]: Genau!)
Aber auch bei den anderen Fragen – Russland, China, globaler Wettbewerb, Abhängigkeiten der Lieferketten – glauben Sie doch nicht ernsthaft, dass wir als Deutschland diese Probleme alleine lösen können.
(Dr. Bernd Baumann [AfD]: Das sagt doch kein Mensch!)
Wir können sie nur in einem gemeinsamen Europa mit gemeinsamen Strategien lösen.
(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN und der FDP – Dr. Bernd Baumann [AfD]: Da habe ich nichts dagegen!)
Ich bin ja froh, dass Sie den Schengenraum als was Positives beschrieben haben. Ich frage mich allerdings, warum – das ist noch gar nicht so lange her – im letzten Jahr Ihr sächsischer Landesverband erst wieder die willkürliche Schließung der polnischen und tschechischen Grenze nach Deutschland forderte. Da sollten Sie vielleicht mal miteinander reden.
Herr Kollege, kommen Sie bitte zum Schluss.
Es bleibt ein weiterer Antrag bestehend aus blinder Ideologie und Nationalismus. Das ist schlecht für Deutschland; das lehnen wir ab.
Vielen Dank.
(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN und der FDP)
Vielen Dank, Herr Kollege Funke. – Bevor ich dem nächsten Redner das Wort erteile: Die AfD-Fraktion hat um eine Kurzintervention der Kollegin von Storch gebeten, die ich zulasse. Frau Kollegin von Storch, Sie haben das Wort.
(Zuruf von der SPD: Oje!)
Quelle | Deutscher Bundestag, Nutzungsbedingungen |
Quellenangabe | Deutscher Bundestag via Open Parliament TV |
Abgerufen von | http://dbtg.tv/fvid/7552169 |
Wahlperiode | 20 |
Sitzung | 93 |
Tagesordnungspunkt | Souveränität Deutschlands innerhalb der EU |