30.03.2023 | Deutscher Bundestag / 20. WP / Sitzung 94 / Tagesordnungspunkt 9

Gerald UllrichFDP - Strukturwandel in der Lausitz - Kohleausstieg

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Sehr geehrte Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Meine Damen und Herren! Wir alle wissen: Der Osten Deutschlands hat in den letzten Jahrzehnten einen starken Strukturwandel erlebt –

(Maja Wallstein [SPD]: Ja!)

einen deutlich größeren Strukturwandel als der Rest des Landes; das ist unbestritten. Was hat uns diese Erfahrung gelehrt? Sie hat uns gelehrt, dass sich ein Strukturwandel von oben nur sehr, sehr beschränkt aufzwingen lässt.

(Maja Wallstein [SPD]: Genau!)

Fördergelder allein reichen dafür bei Weitem nicht aus. Wir haben auch gelernt, dass ein Strukturwandel Zeit braucht.

Aber all diese Lehren berücksichtigen Sie, meine Damen und Herren von den Linken, leider überhaupt nicht.

(Beifall des Abg. Reinhard Houben [FDP])

Allein durch einen Bundestagsbeschluss wird die Akzeptanz für das Vorziehen des Kohleausstiegs in den ostdeutschen Revieren nicht größer werden. Die Akzeptanz erreicht man nicht, indem man den Menschen einfach Geld zum Leben gibt, sondern sie brauchen eine Zukunft –

(Maja Wallstein [SPD]: Ja!)

für sich und vor allen Dingen auch für ihre Kinder.

(Beifall bei der FDP sowie bei Abgeordneten der SPD, der CDU/CSU und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)

Es müssen Strukturen geschaffen werden, die den Menschen neue Möglichkeiten eröffnen.

Die Förderung, die für 2027 bis 2038 vorgesehen ist, wollen Sie schon von jetzt an bis 2033 ausgeben. Sie wollen die Förderung also um fünf Jahre vorziehen, obwohl es keine klare Vorstellung davon gibt, für was Sie diese Gelder eigentlich ausgeben wollen. Der Bau von neuen Gaskraftwerken – das wurde heute schon mehrfach gesagt –,

(Zuruf des Abg. Christian Görke [DIE LINKE])

die wasserstofffähig sind, dauert Jahre, genauso wie der Bau der dazugehörigen Infrastruktur und die Renaturierung. Darüber können Sie sich nicht hinwegsetzen,

(Zuruf des Abg. Christian Görke [DIE LINKE])

indem Sie die jährlichen Mittelzuweisungen einfach erhöhen. Das wird zu nichts führen.

Dieser Strukturwandel kann nur funktionieren, wenn wir privates Kapital in die Region locken. Der Staat muss dabei auf allen Ebenen die Grundlagen schaffen. Wie bringt man aber privates Kapital in eine Region? Wo gehen Unternehmen wirklich gern hin? Unternehmen gehen dorthin, wo eine gute Infrastruktur vorhanden ist, wo es eine gute Verkehrsanbindung und einen guten Netzausbau gibt und wo vor allen Dingen wenig bürokratischer Aufwand erwartbar ist.

In der Region Südthüringen, aus der ich komme, wurden nach der Friedlichen Revolution viele mittelständische Unternehmen aufgebaut. Das gelang, weil wir nicht Jahre mit Genehmigungsverfahren verbracht haben und auch nicht extrem komplizierte Förderanträge ausfüllen mussten, sondern weil alles schnell und unkompliziert ging. Das muss unser Auftrag sein, auch für das gesamte Kohlerevier.

(Beifall bei der FDP)

Wir sollten darüber nachdenken, in der gesamten Kohleregion einen Raum für ein Reallabor zu schaffen, in dem es weniger Bürokratie gibt. Dort wird sich automatisch privates Kapital ansiedeln, was wir dann dafür nutzen können, um für die Menschen einen Strukturwandel herbeizuführen.

(Beifall bei der FDP sowie des Abg. Sepp Müller [CDU/CSU] – Sepp Müller [CDU/CSU]: Gute Idee!)

Das alles fehlt in Ihrem Antrag. Sie schreiben nichts darüber, wie man neue Wirtschaftsstrukturen schafft. Sie schreiben nichts darüber, wie man private Investitionen voranbringt, wie man Unternehmen vor Ort unterstützt oder wie man Neuansiedlungen schafft. Es ist schon klar, dass Sie Mitbestimmung von Betriebsräten bei der strategischen Ausrichtung von Unternehmen wollen. Was wir aber nicht brauchen, ist ein Weiter-so, sondern wir brauchen Umbruch und neues Denken. Wir wollen nicht in Richtung Sozialismus gehen. Das muss man Ihnen immer wieder sagen. Sie wollen es vielleicht, wir wollen es ganz sicher nicht.

(Beifall bei der FDP sowie bei Abgeordneten der SPD und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN – Caren Lay [DIE LINKE]: Meine Güte! – Christian Görke [DIE LINKE]: Falsche Rede!)

Interessant finde ich Ihren Antrag vor allem den Punkt 1b: eine neue Aufteilung der Fördermittel in stark und weniger geförderte Gebiete. Mich würde interessieren, ob derselbe Ansatz auch für das Mitteldeutsche Revier gilt. Heißt das mit Blick auf die Region Altenburg zum Beispiel, dass Sie als Linke im Bund Ihrem Parteikollegen Bodo Ramelow die Fördermittel kürzen wollen? Weiß das der Ministerpräsident von Thüringen überhaupt? Aber Frau Hennig-Wellsow und Herr Lenkert werden schon wissen, was sie als Bundestagsabgeordnete aus Thüringen hier unterstützen oder vielleicht auch nicht.

In einem gebe ich Ihnen allerdings recht: dass sich die energiepolitischen Rahmenbedingungen mit dem Beschluss des Bundestages verändert haben. Wir sehen auch, dass andere Regionen ihren Ausstieg vorziehen. Hier haben sich die Menschen vor Ort anhand der gegebenen Möglichkeiten entschieden, das zu machen, und nicht auf Berlin gewartet.

Wir müssen den Menschen und den Unternehmen in den Revieren im Osten helfen und dürfen dem Strukturwandel als Bund nicht im Wege stehen. Wenn wir das schaffen, dann werden die Menschen dort – da bin ich mir sehr sicher – auch zu dem Entschluss kommen, den Strukturwandel schneller als geplant anzugehen. Ihren Antrag brauchen wir dazu jedenfalls nicht.

(Beifall bei der FDP sowie bei Abgeordneten der SPD und des Abg. Bernhard Herrmann [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN] – Zuruf der Abg. Caren Lay [DIE LINKE])

Und für die Unionsfraktion hat das Wort der Kollege Lars Rohwer.

(Beifall bei der CDU/CSU)


Daten
Quelle Deutscher Bundestag, Nutzungsbedingungen
Quellenangabe Deutscher Bundestag via Open Parliament TV
Abgerufen von http://dbtg.tv/fvid/7552261
Wahlperiode 20
Sitzung 94
Tagesordnungspunkt Strukturwandel in der Lausitz - Kohleausstieg
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