30.03.2023 | Deutscher Bundestag / 20. WP / Sitzung 94 / Tagesordnungspunkt 9

Lars RohwerCDU/CSU - Strukturwandel in der Lausitz - Kohleausstieg

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Glück auf, Frau Präsidentin! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Am Dienstag fand hier in Berlin der Forschungsgipfel statt – ein Forschungsgipfel ohne die Bundesforschungsministerin. Unglaublich! Sie weilte, wie man so hört, außer Landes. Eigentlich sollte ja der Kanzler da sein; aber der musste seine Koalition zusammenhalten und schickte den Bundesarbeitsminister.

(Maja Wallstein [SPD]: Das ist doch eine gute Wahl! – Kathrin Michel [SPD]: Gute Wahl!)

Warum spreche ich das in einer Debatte zum Strukturwandel an? Ja, der Strukturwandel hat tatsächlich etwas mit Arbeit zu tun, aber eben auch mit Forschung. Im Freistaat Sachsen wird der Strukturwandel durch die Ansiedlung von Großforschungsinstituten begleitet. Kluge Köpfe in eine schöpferische Region zu holen, halte ich für intelligent.

(Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU und des Abg. Frank Müller-Rosentritt [FDP])

Denn die Erkenntnisse aus exzellenter Forschung in die Werkhallen und anschließend in die Städte und Gemeinden, in die Häuser und auf die Straßen zu bringen, ist wirklich eine kluge Idee. Deshalb hatte ich erwartet, die Bundesforschungsministerin, aus deren Haus die neuen Forschungsinstitute maßgeblich finanziert und gefördert werden, auf dem Forschungsgipfel zu erleben. Wieder einmal hat die Ministerin der vertanen Chancen eine Chance vertan.

(Zuruf des Abg. Dr. Christoph Hoffmann [FDP])

Nun war also der Bundesarbeitsminister da und hat durchaus interessante Sachen gesagt. Er sprach ausdrücklich von Sicherung der Wertschöpfung und des Wohlstands in Deutschlands. Ich bekam Hoffnung, dass dies zeitgleich unter der Moderation des Bundeskanzlers im Koalitionsausschuss Thema ist. Am Dienstagabend erblickte der 16-seitige Koalitionsvertrag 2.0 der Ampel das Licht der Welt. Und siehe da: Wertschöpfung und Sicherung des Wohlstandes? Leider Fehlanzeige.

(Alexander Ulrich [DIE LINKE]: Die Aktuelle Stunde ist später!)

Das A und O eines funktionierenden Strukturwandels ist eine gut ausgebaute Infrastruktur,

(Lisa Badum [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Da klatscht nicht einmal die eigene Fraktion! Wohin soll die Rede führen?)

aber in der Folge geht es natürlich um die Wertschöpfung und den Wohlstand in der Region. Wir müssen nachhaltige, resiliente Strukturen schaffen. Hier steht die Lausitz vor besonderen Herausforderungen. Hier müssen gemachte Zusagen auch eingehalten werden. Es wurde in den 30 Stunden Verhandlung kein einziges Projekt zur Begleitung des Strukturwandels in der Lausitz neu priorisiert oder zugesagt: weder die ICE-Trasse von Berlin über Cottbus nach Görlitz noch die unbedingt notwendige Elektrifizierung der Bahntrasse von Dresden nach Görlitz, auch nicht der sechsstreifige Ausbau der A4, und die Stärkung des gesellschaftlichen Zusammenlebens ebenso nicht.

(Knut Abraham [CDU/CSU]: Hört! Hört!)

Der Ausbau der Infrastruktur braucht bekanntlich Zeit, und Planungsschritte müssen beschleunigt werden – darüber haben Sie im Koalitionsausschuss gesprochen –, aber die Lausitz, die Sie mit viel zusätzlicher Energieversorgung sicher über den Winter gebracht hat, haben Sie von der Ampel völlig vergessen. Wertschöpfungsverluste, die durch das Ende des Braunkohleabbaus und der Braunkohleverstromung entstehen, müssen ausgeglichen werden. Es müssen nachhaltige und innovative Lösungen entwickelt werden, die neue Wertschöpfung schaffen. Unsere Volkswirtschaft braucht Vertrauen und Verlässlichkeit in politische Entscheidungen und keine ständig wechselnden Grundsatzentscheidungen.

(Beifall bei der CDU/CSU)

Wir brauchen die Kohle auf dem Weg zur energetischen Transformation. Bis wir mit erneuerbaren Energien Versorgungssicherheit gewährleisten können, brauchen wir die Arbeit der Energiearbeiter. Ehren wir also die Arbeit der Energiearbeiter: im Tagebau, im Kraftwerk und auch bei den erneuerbaren Energien. Diese Dinge gegeneinander auszuspielen, wie von den Grünen betrieben, ist einfach Gift für unser Land.

(Beifall bei der CDU/CSU – Lisa Badum [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Ist ja lustig, dass Sie das sagen!)

Die Menschen in der Lausitz fühlen sich veralbert, wenn sie uns im Krisenwinter mit ihrer Arbeit den Allerwertesten retten sollen und die Bundesregierung sie wenig später fallen lässt wie heiße Kartoffeln

(Maja Wallstein [SPD]: Das stimmt doch nicht!)

und der Bundesklimaminister sogar noch ankündigt, eher aussteigen zu wollen, und das am Neujahrstag.

(Beifall des Abg. Sepp Müller [CDU/CSU] – Zoe Mayer [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Und das von der Union! Peinlich!)

Der Kohleausstieg ist erstrebenswert und notwendig. Es führt kein Weg daran vorbei. Das bestreiten auch die Menschen in der Lausitz nicht. Doch der Weg dahin ist eine Herausforderung, und wir müssen die Menschen in dieser Transformation begleiten. Viele sorgen sich nicht nur um die Arbeitsplätze im Bergbau, sondern auch darum, dass die Region weiter an Bedeutung verlieren kann.

(Beifall des Abg. Sepp Müller [CDU/CSU])

Gleichzeitig wird ein vorgezogener Kohleausstieg auf 2030 von den Grünen bei einer Klausur in Berlin beschlossen,

(Dr. Paula Piechotta [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Weimar!)

und nicht mit den Menschen in der Region.

(Dr. Paula Piechotta [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Im Osten!)

Das befördert bestehende Ängste und kündigt nach dem für das Rheinische Revier auch den Kohlekompromiss für Ostdeutschland auf.

Die Grünen sorgen nicht für Planungssicherheit in der Lausitz, sondern sie zerstören sie und lassen die Menschen und Unternehmen in der Bergbauregion im Ungewissen über ihre Zukunft.

(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der AfD)

Erfolgreiche Veränderungsprozesse funktionieren aber nur mit überzeugten Mitstreitern, und Partizipation ist ganz besonders wichtig. Nur mit einem starken Verständnis für die Veränderungen und dem Willen zur Veränderung schaffen wir erfolgreiche Transformationsprozesse.

Kollege Rohwer, erlauben Sie eine Zwischenfrage aus der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen?

Gerne.

Vielen Dank, Herr Kollege Rohwer, für die Gelegenheit, eine Zwischenfrage zu stellen. – Sie haben gerade gesagt, die Grünen würden mit dem Beschluss, den wir gefasst haben, Planungssicherheit für die Beschäftigten verhindern. Stimmen Sie nicht mit mir überein, dass es für die Beschäftigten auch eine Gefahr ist – wenngleich eine Chance beispielsweise für den Klimaschutz –, wenn durch einen entsprechenden Anstieg der Preise beim CO2-Zertifikatehandel auf Ebene der Europäischen Union schon weit vor 2038 – vielleicht ungefähr um das Jahr 2030 herum – die Verstromung von Kohle nicht mehr rentabel ist und sich dadurch ein ungeplanter, nicht entsprechend begleiteter Kohleausstieg ergeben könnte, der rein marktwirtschaftlich getrieben ist? Dann würde beispielsweise das Problem entstehen, dass die Anpassungsleistungen, all die strukturpolitischen Vorhaben, die so wichtig sind und in dem Kompromiss damals vereinbart wurden, gar nicht mehr umgesetzt werden können. Stimmen Sie mit mir überein, dass ein nicht rechtzeitig geplanter, vorzeitiger Kohleausstieg nicht zu einer viel größeren Planungsunsicherheit bei den Beschäftigen führen könnte?

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der FDP – Christian Görke [DIE LINKE]: Dann macht es doch! – Zuruf von der CDU/CSU: Das muss der Markt regeln, nicht Sie!)

Vielen Dank für die Frage, weil mir das die Möglichkeit gibt, Sie noch einmal darauf hinzuweisen, dass wir diesen Ausstieg gemeinsam in einem Kohlekompromiss beschlossen haben.

(Lisa Badum [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Wir waren nicht dabei! – Bernhard Herrmann [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: „Spätestens“, Herr Rohwer!)

Die von der Kollegin Michel vorhin angesprochene Kommission hat den Plan gemeinsam mit Umweltverbänden, mit Kirchen, mit Staatskanzleien und Gewerkschaften verhandelt. Sie versuchen ständig, das Datum nach vorne zu ziehen.

(Lisa Badum [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Wir haben jetzt eine völlig andere Situation!)

Jetzt erzähle ich Ihnen etwas über erfolgreiches Changemanagement, weil Sie bei den Grünen und in der Grünenfraktion gerne so neudeutsche Dinge zitieren.

(Heiterkeit bei Abgeordneten der CDU/CSU – Lisa Badum [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Erkennen Sie auch die Realität an?)

– Jetzt rede ich. Ich habe Ihnen zugehört, jetzt können Sie auch mir zuhören. – Wenn Sie mit Leuten sprechen, die diese Transformationsprozesse erfolgreich gestaltet haben, dann sagen die Ihnen: Wissen Sie, Sie müssen das Alte, das zu Ende geht, bis zum Schluss wertschätzen, und Sie müssen es unterstützen

(Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU und der Abg. Maja Wallstein [SPD])

und gleichzeitig das Neue nach oben fahren.

(Bernhard Herrmann [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Ehrlich sein ist wertschätzend, Herr Rohwer! Was vorzumachen, ist nicht wertschätzend!)

Und wenn es so weit ist, dass beides miteinander auf derselben Höhe ist – das habe ich auch bei der SPD-Fraktion vorhin ganz deutlich gehört –, dann können Sie das Alte zur Ruhe legen – so wie beispielsweise in Nordrhein-Westfalen, wo der Ministerpräsident den Steinkohleausstieg fabriziert hat –, aber nicht anders. Sie müssen das Alte weiter wertschätzen; denn Sie werden es noch brauchen. Sie haben es ja in diesem Winter erlebt, und Sie werden es im nächsten Winter – davon bin ich fest überzeugt – noch einmal erleben: Sie werden im Winter ohne die Braunkohle nicht über die Runden kommen.

(Beifall bei der CDU/CSU – Zoe Mayer [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Klimaschutz ist auch eine Aufgabe!)

Die Redezeit läuft ab.

„Glück auf, Glück auf! Der Steiger kommt, und er hat sein helles Licht bei der Nacht schon angezündt“, so lautet der Beginn des bekannten Bergmannsliedes aus dem Erzgebirge – seit diesem Jahr auf Beschluss der deutschen Kultusminister nun auch immaterielles Kulturerbe. Die Arbeit der Kumpels über die letzten Jahrzehnte, ja Jahrhunderte, die von unschätzbarem Wert ist, verdient unsere vollste Anerkennung, und – das ist meine feste Überzeugung – wie wir diesen Winter gesehen haben, brauchen wir sie auch weiterhin. Ohne Kohleverstromung wären wir nicht durch diesen Krisenwinter gekommen. Glück auf, Brandenburg! Glück auf, Sachsen! Glück auf, Lausitz!

Vielen Dank.

(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der AfD)

Und die letzte Rednerin der Debatte ist für die SPD-Fraktion Maja Wallstein.

(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)


Daten
Quelle Deutscher Bundestag, Nutzungsbedingungen
Quellenangabe Deutscher Bundestag via Open Parliament TV
Abgerufen von http://dbtg.tv/fvid/7552262
Wahlperiode 20
Sitzung 94
Tagesordnungspunkt Strukturwandel in der Lausitz - Kohleausstieg
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