30.03.2023 | Deutscher Bundestag / 20. WP / Sitzung 94 / Zusatzpunkt 4

Ingmar JungCDU/CSU - Bekämpfung von schwerer Kinderkriminalität

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Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Frau Präsidentin, weil ich danebensaß, kann ich kurz helfen: Frau Kollegin Storch hat eben noch mal betont, dass sie nicht „Hetzer“ gerufen hat, sondern dass sie Herrn Fiedler „Nazi“ genannt hat. Vielleicht hilft das bei der Beurteilung der Frage des Ordnungsrufs.

Meine Damen und Herren, die Debatte, die wir heute führen, wurde ausgelöst durch schreckliche Taten, über die wir jetzt schon einiges gehört haben. Damit es deutlich ist: Es ist legitim, über Grenzen von Strafmündigkeit zu reden. Es ist legitim, dass wir hier darüber diskutieren. Es ist auch legitim, dass wir nach 100 Jahren der Geltung dieser Grenze uns fragen, ob sie heute noch angemessen ist – dann aber bitte seriös und in einem Gesamtkontext. Wer glaubt, Einzelfälle zum Anlass zu nehmen, um einfache Lösungen zu präsentieren, um billige Politik zu machen, dem geht es gerade nicht um Opferschutz, sondern der versucht, auf dem Rücken der Opfer Politik zu machen. Das ist schäbig, meine Damen und Herren.

(Beifall bei der CDU/CSU, der SPD, dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und der FDP)

Weil hier der Eindruck entsteht, dass es für Personen unter 14 Jahren gar keine Sanktionen gab: Wer das glaubt, soll bitte mal in das SGB VIII schauen. Da gibt es verschiedenste Maßnahmen, wie reagiert werden kann, bis hin zur Unterbringung in stationären Einrichtungen. Wir müssen darüber diskutieren, ob es dort Plätze in ausreichender Zahl gibt, ob dorthin in ausreichendem Maß zugewiesen wird, ob solche Maßnahmen in ausreichendem Maß ergriffen werden. Aber mit ganz einfachen Lösungen kommt man an der Stelle nicht weiter.

Einen Punkt, den Herr Fiedler genannt hat, möchte ich aufgreifen. Ja, der Resozialisierungsgedanke spielt im Jugendstrafrecht und generell im Jugendrecht eine viel größere Rolle. Wir müssen doch darüber diskutieren, wie wir solche Taten verhindern können, wie wir dazu kommen können, dass es seltener passiert. Wer glaubt, dass man das einfach damit beantwortet, dass man ein 12-jähriges Kind für zehn Jahre in den Knast sperrt, und dass dann, wenn der Mensch mit 22 Jahren herauskommt, alles wieder gut ist, der sieht die Welt zu einfach.

(Beifall bei der CDU/CSU, der SPD, dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und der FDP sowie der Abg. Heidi Reichinnek [DIE LINKE])

Gleichwohl – ich komme darauf zurück – ist es legitim, darüber zu reden. Die Grenze von 14 Jahren ist nicht gottgegeben; das ist eine Grenze, die schon damals, vor 100 Jahren, politisch gewählt wurde. Wir sind schon der Meinung, dass man auch mal auf die Länder um uns herum schauen kann; wir haben die Vergleiche gehört. Auch unmittelbare Nachbarländer wie die Schweiz oder die Niederlande haben andere Grenzen. Sie haben aber andere Strafrechtssysteme; das gehört auch zur Wahrheit. Der UN-Ausschuss für die Rechte des Kindes hat gesagt, die Grenze solle jedenfalls nicht unter 12 Jahren liegen. Eine Grenze bei 14 Jahren ist also nicht zwingend.

Ich schließe mich dem an, was die Minister Gentges und Strobl aus Baden-Württemberg gefordert haben. Sie haben gesagt: Lasst uns doch mal eine Studie in Auftrag geben. Lasst uns gemeinsam mit dem Bundesjustizministerium mal vernünftig darüber diskutieren, ob es vielleicht Anhaltspunkte dafür gibt, dass die Grenze heute anders gewählt werden muss, ob es vielleicht eine Art von Gleitzone unter 14 Jahren geben kann.

(Beatrix von Storch [AfD]: Ach nee! Wie jetzt? Ich dachte, das ist alles ganz schlimm!)

– Frau von Storch, hören Sie doch irgendwann mal zu, und versuchen Sie mal, zu verstehen, was hier passiert! Und rufen Sie nicht immer so einen Unsinn dazwischen! Das ist wirklich furchtbar!

(Beifall bei der CDU/CSU, der SPD, dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und der FDP sowie der Abg. Heidi Reichinnek [DIE LINKE] – Beatrix von Storch [AfD]: Sie reden einfach so viel Schrott!)

Man kann, wenn die Studie zu einem entsprechenden Ergebnis kommt, darüber nachdenken, ob eine solche Gleitzone nur für bestimmte Einzelfälle gelten soll. Wir haben eben von der AfD gehört, man könne dann ja die Einsichtsfähigkeit und Reife feststellen. Das ist eine ganz tolle Idee! Das ist bei Personen zwischen 14 und 18 heute schon möglich; das steht in § 3 Satz 1 des Jugendgerichtsgesetzes.

(Zuruf des Abg. Dr. Rainer Kraft [AfD])

Kommen Sie bitte zum Schluss.

Das muss jedes Mal positiv festgestellt werden. Aber vielleicht gibt es andere Maßnahmen, die Strafverfolger oder Gerichte in bestimmten Einzelfällen, auch bei Tätern unter 14 Jahren, ergreifen können, wenn sie zu dem Ergebnis kommen oder die Vermutung haben, dass man eine bestimmte Begutachtung vornehmen sollte.

All das wären Maßnahmen, die man zumindest mal überprüfen kann, über die man reden kann. Deswegen, glauben wir, wäre so eine Studie der richtige Weg. Einfache Lösungen sind auf jeden Fall das Falsche, meine Damen und Herren.

(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der SPD, des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN und der FDP)


Daten
Quelle Deutscher Bundestag, Nutzungsbedingungen
Quellenangabe Deutscher Bundestag via Open Parliament TV
Abgerufen von http://dbtg.tv/fvid/7552379
Wahlperiode 20
Sitzung 94
Tagesordnungspunkt Bekämpfung von schwerer Kinderkriminalität
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