31.03.2023 | Deutscher Bundestag / 20. WP / Sitzung 95 / Tagesordnungspunkt 21

Johannes ArltSPD - Nationale Sicherheitsstrategie für Deutschland

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Sehr geehrte Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Ich möchte mich zuerst mal bei der Union bedanken. Wir diskutieren hier zur besten Debattenzeit über die Sicherheit in Deutschland, und das ist richtig und wirklich richtig gut. Denn eigentlich ist es doch so: Obwohl wir im Privaten viel vorsorgen – wir alle schließen Versicherungen ab: Haftpflichtversicherung, Glasbruchversicherung, Kinderversicherung –, fällt es uns ziemlich schwer, über unsere eigene Sicherheit in unserem Land und die staatliche Sicherheitsvorsorge zu reden. Das wäre aber wichtig.

Wir leben in einem Zeitalter der Krisen. Wir hatten die Coronakrise, wir hatten die sogenannte Flüchtlingskrise, wir haben andere Krisen. All die haben wir irgendwie gehandelt, aber richtig darüber geredet haben wir nicht, und wir haben vielleicht auch nicht immer reflektiert, was wir aus der Krisenbewältigung gelernt haben.

Ich denke, es ist sehr wichtig, vorauszuplanen, vorauszuschauen, um der Bevölkerung Sicherheit zu geben – vom Behördenleiter bis zu jedem Bürger. Wir müssen also mehr über unsere Sicherheitsvorsorge reden.

(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN und der FDP)

Sicherheitsvorsorge ist aber nicht nur ein Thema der Außenpolitik, und wir müssen hier sehr konkret werden. Ich bin Frau Lindholz dankbar, dass sie hier wirklich ein paar konkrete Punkte genannt hat, was man tun kann; denn wir müssen nicht nur über die Außenpolitik, sondern auch über die Umsetzung reden. Wir müssen verständlich über Priorisierung und über unsere Ziele reden, sodass wir die Bürger dabei auch mitnehmen. Wir müssen konkret drei Fragen beantworten:

Erstens. Wie schauen wir als Deutschland auf Sicherheit, und was ist für uns schützenswert? Was sind unsere nationalen Interessen?

Zweitens. Welchen Bedrohungen sehen wir uns ausgesetzt, und wie wollen wir ihnen begegnen?

Drittens. Welche Werkzeuge stehen uns dafür zur Verfügung, und wie funktionieren diese?

Ich komme mal zum ersten Punkt: Wie schauen wir auf die Sicherheit? – Die Kollegen haben zu den außenpolitischen Aspekten schon sehr viel gesagt. Ich denke, es ist wichtig, dass wir priorisieren und Interessen definieren, unseren Standpunkt definieren, konkret werden, und es ist sehr wichtig, dass der Innen- und der Verteidigungsausschuss daran mitwirken, damit diese Punkte auch konkret werden.

Ich lege einfach mal los und klaue mir aus einem anderen Land, das seine nationalen Ziele definiert hat, als Beispiel zwei Ziele:

Sie sagen, unser wichtigstes Ziel ist der Schutz von Leben, Gesundheit und Sicherheit unserer Bürger. – Das ist doch mal was Konkretes!

Das zweite Ziel ist, die Versorgung und Lieferketten sicherzustellen und gesellschaftliche Funktionen aufrechtzuerhalten. Aber was heißt das denn wirklich? Das heißt, wir brauchen eine robuste Versorgung, die zentral funktioniert, und wir müssen den Zugang zu Trinkwasser und Lebensmitteln sichern. Wir müssen im Alltag und in der Krise die Gesundheitsversorgung und die Medikamentenversorgung sicherstellen, wir brauchen eine sichere Energieversorgung, und wir müssen auch Transporte und die Infrastruktur, die vital sind, sichern. Wir müssen die Lieferketten für die Wirtschaft und den Handel sicherstellen.

Das alles sind ganz konkrete Punkte, die in so einer Sicherheitsstrategie definiert werden müssen, damit wir wirklich zu einem konkreten Ergebnis kommen.

(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN und der FDP)

Ich wiederhole die zweite Frage: Welchen Bedrohungen sehen wir uns ausgesetzt, und wie wollen wir ihnen begegnen? Exemplarisch kann man dazu sagen: Wir müssen über Konfliktfelder reden. Wir müssen darüber reden, wie wir zivile und militärische Mittel einsetzen können. Wir müssen hierarchisieren, welche Bedrohungen, welche Konflikte wahrscheinlich sind. – Und dann brauchen wir einen ressortübergreifenden Dialog. Den brauchen wir auch in und mit unserer Bevölkerung; denn unsere Konflikt- und Krisenszenarien finden sich oft nur in Giftschränken und Geheimschutzstellen. Wir diskutieren sie aber nicht mit unserer Bevölkerung, was sehr wichtig wäre.

(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN und der FDP)

Themen dieser Szenarien können sein: militärische Bedrohungen, digitale Risiken, Bedrohungen der Informations- und Cybersicherheit, Terrorismus, Extremismus, internationale Kriminalität, Bedrohung der Energieversorgung, von Transporten und der Infrastruktur, Gesundheitskrisen, wie wir sie erlebt haben, Klimaveränderungen und die entsprechenden Effekte. – All das können Risiken und Bedrohungsszenarien sein, die wir im Zusammenhang mit so einer Strategie diskutieren müssen.

Ich komme jetzt einfach mal zu meinem Fachgebiet und zur militärischen Bedrohung. Man kann natürlich über die Lage sprechen, die uns allen bekannt ist, weshalb ich mich hier nicht wiederhole. Was folgt aber daraus an konkreten Maßnahmen? Natürlich müssen wir den Multilateralismus im Rahmen der NATO, der EU und der OSZE stärken. Wir müssen schauen, dass wir Streitkräfte haben, die bei Kriegen und Konflikten hantieren können, die auch in der Lage sind, einen Angriff erfolgreich zurückzuschlagen. Wir brauchen eine moderne, integrierte Gesamtverteidigungsplanung und Bereitschaftsgrade, um zu reagieren. Wir müssen Gesetze zielgenau anwenden können, je nach Lage und angepasst an die Bedrohungsszenarien.

(Beifall bei Abgeordneten der SPD, des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN und der FDP)

Wir brauchen auch nachrichtendienstliche Fähigkeiten. Wir brauchen die Möglichkeit, Fake News und entsprechenden Einwirkungskampagnen zu begegnen und so eine psychologische Verteidigung aufzubauen.

Wir brauchen daneben militärische und zivile Behörden, die in der Lage sein müssen, zu führen, zusammenzuarbeiten und zu priorisieren – und das auf nationaler Ebene, auf Landesebene und auch in den Kommunen und Landkreisen.

Und wir müssen uns sicher sein, was wir industriepolitisch wollen und wie unsere Schlüsseltechnologien definiert sind. Ich denke, in dieser Frage sind wir am weitesten.

Ich komme zum Schluss und wiederhole die drei Fragen: Wie schauen wir auf Sicherheit, und was ist uns schützenwert? Welchen Bedrohungen sehen wir uns ausgesetzt? Mit welchen Werkzeugen wollen wir ihnen begegnen? In diesem Zusammenhang sind Fragen zu klären: Macht es Sinn, dass die Bundespolizei Fähigkeiten zur Unterwasseraufklärung aufbaut, wenn Luftwaffe und Marine diese Fähigkeiten bei der Sicherung von Pipelines vielleicht viel besser bereitstellen können?

Herr Kollege.

Macht es Sinn, dass wir in 16 Landeshauptstädten übergreifende Krisen managen?

Herr Kollege, Ihre Redezeit ist zu Ende.

Okay; ich komme zum Schluss. – Der Antrag der Union hat auf jeden Fall diesen eigenständigen Blick vermissen lassen. Viereinhalb von sechs Forderungen sind leider Binsen, und darum müssen wir ihn ablehnen.

Danke.

(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN und der FDP)

Rüdiger Lucassen hat jetzt das Wort für die AfD-Fraktion.

(Beifall bei der AfD)


Daten
Quelle Deutscher Bundestag, Nutzungsbedingungen
Quellenangabe Deutscher Bundestag via Open Parliament TV
Abgerufen von http://dbtg.tv/fvid/7552413
Wahlperiode 20
Sitzung 95
Tagesordnungspunkt Nationale Sicherheitsstrategie für Deutschland
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