Katrin Göring-Eckardt - Nationale Sicherheitsstrategie für Deutschland
Frau Präsidentin! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Es ist richtig, dass sich die Bundesregierung vorgenommen hat, eine Nationale Sicherheitsstrategie zu verabschieden. Die Zeiten haben sich nicht zuletzt durch den völkerrechtswidrigen Angriffskrieg Putins auf die Ukraine dramatisch verändert. Wir müssen den Blick auf das richten, was um uns, was auf der Welt passiert. Gut wäre es übrigens, wir täten dies immer auch in enger Abstimmung mit unseren europäischen und westlichen Partnern.
Eine Abstimmung ist aber nicht nur mit unseren engsten Partnern sinnvoll, nein, sie wäre es auch innerhalb der Bundesrepublik Deutschland selbst, meine Damen und Herren.
(Beifall bei der CDU/CSU)
Ich bin der CDU/CSU sehr dankbar, dass sie diesen Aspekt, der ausdrücklich kein Randaspekt ist, in die Debatte eingebracht hat. Wenn wir über die nationale Sicherheit sprechen, dann sind es am Ende immer auch die Länder, die die Sicherheit der Bürgerinnen und Bürger in unserem Staat vor Ort schützen. Wir tun das gerne. Wir tun das mit viel Leidenschaft. Wir hätten aber mit selbiger Leidenschaft auch erwartet, in die Erarbeitung einer Sicherheitsstrategie einbezogen zu werden.
(Beifall bei der CDU/CSU)
Im letzten Jahr startete das Auswärtige Amt einen – ich zitiere von der Webseite des Auswärtigen Amtes – „intensiven Dialogprozess im Frühjahr und Sommer 2022“. Weiter heißt es:
Jede und jeder kommt zu Wort, es wird debattiert und gemeinsam überlegt. ... Wie kann sich Deutschland besser auf Krisen vorbereiten – sei es bei Bedrohungen von außen oder bei Naturkatastrophen? Wie schützen wir unsere kritische Infrastruktur, und wie stellen wir uns besser auf gegen Cyberangriffe?
Als für die vorgenannten Themen Katastrophenschutz und Cybersicherheit in Deutschland zuständige Minister haben wir diese Ankündigung seitens der Innenministerkonferenz mit großem Interesse vernommen.
Das ursprünglich große Interesse wich einer großen Enttäuschung, meine Damen und Herren. Kein intensiver Dialog, jedenfalls nicht mit den zuständigen Ländern. Jede und jeder konnte zu Wort kommen, ja, aber nicht die zuständigen Länder. Debatten über Cyberraum und Katastrophenschutz fanden ohne die zuständigen Länder statt. Nach und nach stellte sich heraus, dass die Länder gar nicht beteiligt werden sollten.
(Agnieszka Brugger [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Stimmt nicht! – Zuruf des Abg. Jürgen Trittin [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN])
Dies stieß übrigens nicht nur in den unionsgeführten Ressorts übel auf, sodass die Innenministerkonferenz einstimmig von der Bundesinnenministerin einforderte, in den intensiven Dialogprozess einbezogen zu werden.
(Beifall bei der CDU/CSU – Alexander Graf Lambsdorff [FDP]: Um im Anschluss wieder ein paar Milliarden zu fordern!)
Meine Damen und Herren, außer einer Videoschalte Ende 2022,
(Filiz Polat [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Hört! Hört!)
in der die voraussichtlichen Überschriften skizziert wurden, passierte inhaltlich jedoch rein gar nichts. Vielmehr ging zusätzliches Porzellan zu Bruch, als das Auswärtige Amt zusagte, im Januar die Chefs der Staatskanzleien nach Berlin einzuladen, um diesen vor Ort Einblick in den eingestuften Entwurf zu gewähren, diese Zusage jedoch leider nicht einhielt.
(Johannes Arlt [SPD]: Haben Sie inhaltlich auch etwas?)
Außer abstrakten warmen Worten im kalten Berliner Winter nahmen die Chefs der Staatskanzleien nichts – ich sage: nichts! – mit nach Hause.
(Zuruf von der AfD: Skandal!)
Das hat nicht nur die unionsgeführten Kollegen sehr geärgert, und das zu Recht.
(Beifall bei der CDU/CSU)
Heute Nachmittag sollen die Länder nun Gelegenheit bekommen, ihren Input zu einer Strategie zu geben, die sie weiterhin nicht schriftlich vorliegen haben
(Andrea Lindholz [CDU/CSU]: Tolle Lösung!)
und lediglich aus Überschriften vorgetragen bekommen haben. Es dürfte kein Zufall sein, dass das heute passiert, angesichts der Debatte, die wir hier miteinander führen.
(Alexander Graf Lambsdorff [FDP]: Es dürfte auch kein Zufall sein, dass Sie kurz vor der Wahl in Hessen hier reden!)
Meine Damen und Herren, uns Ländern geht es nicht um Befindlichkeiten.
(Dr. Nils Schmid [SPD]: Nein, nein!)
– Die Innenministerkonferenz, Herr Kollege, ist sich da sehr einig. – Uns Ländern geht es nicht um Befindlichkeiten,
(Zuruf von der SPD: Wahlkampf!)
es geht uns um die Sicherheit in unserem Lande angesichts unserer staatspolitischen Verantwortung als Länder.
(Beifall bei der CDU/CSU – Zuruf des Abg. Jürgen Trittin [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN])
Dass wir der Bundesregierung die Expertise aus den unterschiedlichen Bereichen der Länder nahezu aufdrängen müssen, das ist schon ein bemerkenswerter – man muss schon sagen: skandalöser – Vorgang.
(Beifall bei der CDU/CSU – Dr. Ralf Stegner [SPD]: Die haben Sie uns heute vorenthalten! – Sara Nanni [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Was sind denn Ihre inhaltlichen Punkte, Herr Beuth?)
Hierdurch werden die Kompetenz und die jahrzehntelange Erfahrung der Länder im Bereich der polizeilichen und der nichtpolizeilichen Gefahrenabwehr, einschließlich des Katastrophenschutzes, der Prävention sowie der Arbeit der Verfassungsschutz- und Cybersicherheitsbehörden völlig ignoriert.
(Andrea Lindholz [CDU/CSU]: So ist es!)
Meine Damen und Herren, eine Nationale Sicherheitsstrategie ohne eine ordentliche, angemessene Einbeziehung der Länder wäre das Papier nicht wert, auf dem sie steht. Die Bundesregierung sollte die Länder schleunigst, umfassend und auf Augenhöhe in den Erarbeitungsprozess einbeziehen. Wir werden sodann unseren tatkräftigen Beitrag leisten,
(Dr. Nils Schmid [SPD]: Dann werden Sie die Wahl verlieren!)
um in unser aller Interesse für die Sicherheit der Bundesrepublik und der Bürgerinnen und Bürger unseren strategischen Anteil zu leisten.
Vielen Dank.
(Beifall bei der CDU/CSU – Gabriele Katzmarek [SPD]: Die Anreise hat sich nicht gelohnt! – Friedrich Merz [CDU/CSU], an die SPD gewandt: Das ist die blanke Arroganz! Das ist wirklich unerträglich!)
Rebecca Schamber ist die nächste Rednerin für die SPD-Fraktion.
(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der FDP)
Quelle | Deutscher Bundestag, Nutzungsbedingungen |
Quellenangabe | Deutscher Bundestag via Open Parliament TV |
Abgerufen von | http://dbtg.tv/fvid/7552420 |
Wahlperiode | 20 |
Sitzung | 95 |
Tagesordnungspunkt | Nationale Sicherheitsstrategie für Deutschland |