Rebecca SchamberSPD - Nationale Sicherheitsstrategie für Deutschland
Werte Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Sehr geehrte Damen und Herren! Ich möchte die Debatte nutzen, um noch einmal einen grundlegenden Blick auf den Begriff „Sicherheit“ zu werfen.
(Friedrich Merz [CDU/CSU]: Antworten Sie doch mal auf die Rede!)
Zu Recht diskutieren wir in der aktuellen weltpolitischen Lage viel über militärische Sicherheit. Der Angriff auf die Ukraine war ein tiefer Einschnitt in unser aller Leben, ein Angriff auf die europäische Friedensordnung
(Friedrich Merz [CDU/CSU]: Hören Sie auf, vorzulesen, und antworten Sie auf diese Rede!)
– Herr Merz, wie ich meine Rede gestalte, das überlassen Sie bitte mir –,
(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der FDP – Friedrich Merz [CDU/CSU]: Antworten Sie doch mal auf diese Rede, anstatt hier etwas vorzulesen! – Gegenruf der Abg. Gabriele Katzmarek [SPD]: Unverschämt, Herr Merz!)
ein Angriff auf den Multilateralismus, und er hat wahrscheinlich unser aller Sicherheitsbedürfnis verändert.
Allerdings ist Sicherheit noch mehr als die Abwesenheit militärischer Gewalt, mehr als die bestmögliche Ausstattung unserer Bundeswehr – für die ich mich als Verteidigungspolitikerin explizit einsetze. Die Vereinten Nationen definieren sieben Dimensionen menschlicher Sicherheit: wirtschaftliche Sicherheit, Ernährungssicherheit, gesundheitliche Sicherheit, Umweltsicherheit, persönliche Sicherheit, kulturelle Sicherheit, politische Sicherheit. Warum ist das so wichtig? Nehmen wir an, in der Ukraine würden die Waffen schweigen – wir alle hoffen darauf, dass das so bald wie möglich der Fall ist –, dann würden jedoch die Menschen dort nicht sofort in Sicherheit sein, weil sie kaum Zugang zu einer intakten Gesundheitsversorgung haben, weil nicht ausreichend Lebensmittel vorhanden sind, weil ihre ganze Lebensumwelt zerstört wurde und sie bis zum Wiederaufbau zahlreiche Gefahren birgt.
Wir sehen auch, dass Unsicherheit in all ihren Formen und Ausprägungen zu Konflikten weltweit führt. Aktuell erleben wir eine nie dagewesene Ernährungskrise. Erst kürzlich veröffentlichten die Vereinten Nationen, dass 26 Prozent der Weltbevölkerung keinen Zugang zu sauberem Trinkwasser haben. Auch diese Unsicherheit kann in Zukunft vermehrt zu Konflikten führen. Deshalb zielen wir mit unseren Projekten der Entwicklungszusammenarbeit darauf ab, den Grundstein für Sicherheit in diesen Dimensionen zu legen und bereits Erreichtes zu stärken. Deshalb vertreten wir in Bezug auf die Nationale Sicherheitsstrategie einen erweiterten Sicherheitsbegriff, der sich auch, aber nicht nur auf die militärische Sicherheit unseres Landes bezieht.
(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN und der FDP)
Gerade wegen dieser vielen Verflechtungen, die sich auf die Sicherheit von Menschen und die Sicherheit eines Landes auswirken, haben wir uns als Koalition vorgenommen, eine Nationale Sicherheitsstrategie für Deutschland zu erarbeiten. Jetzt bemängeln Sie in Ihrem Antrag, dass es nicht schnell genug geht. Und ja, wir haben uns im Koalitionsvertrag darauf verständigt, eine Nationale Sicherheitsstrategie zu erarbeiten. Und ja, wir hatten uns vorgenommen, die Strategie früher zu veröffentlichen, eben weil wir schon vor dem Angriff Putins realisiert hatten, dass es einer Nationalen Sicherheitsstrategie mit einem erweiterten Sicherheitsbegriff bedarf.
(Beifall bei Abgeordneten der SPD und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)
Durch den Überfall Putins auf die Ukraine wurden wir drastisch schnell mit negativen Entwicklungen eines Krieges konfrontiert, eines Krieges, den niemand mehr für möglich hielt. In vielen Bereichen sind neue Realitäten entstanden, auf die wir schnell reagiert haben. Unsere Nationale Sicherheitsstrategie muss und wird für die kommenden Jahre wegweisend sein.
(Beifall bei Abgeordneten der SPD und der Abg. Merle Spellerberg [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN])
In der Ampel beleuchten wir alle Aspekte, arbeiten konstruktiv, ressortübergreifend und achtsam, eben um den zentralen sicherheitspolitischen Herausforderungen dieser neuen Zeit gerecht zu werden.
Liebe Kolleginnen und Kollegen von der Union, Sie unterstellen in Ihrem Antrag ja geradezu, dass diese Koalition ohne die Nationale Sicherheitsstrategie nicht handlungsfähig wäre.
(Zuruf vom BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN: Wo ist Herr Merz auf einmal hin?)
Ich kann Ihnen ganz klar sagen: Das Gegenteil ist der Fall. Jeden Tag werden hier im Parlament und durch die Bundesregierung wegweisende Entscheidungen getroffen und Weichen gestellt. Lassen Sie mich nur kurz einige Dinge aufzählen: das Sondervermögen für die Bundeswehr, die Waffenlieferungen an die Ukraine, die einen Paradigmenwechsel in der deutschen Politik bedeuten, darüber hinaus die umfangreiche Unterstützung der Ukraine, die Resilienzstrategie von Bundesinnenministerin Faeser, die wichtige sicherheitspolitische Weichen stellt, die Afrika-Strategie von Bundesentwicklungsministerin Svenja Schulze, die die Beziehungen zu den Partnerländern des Globalen Südens auf eine neue Stufe stellt, das LNG-Beschleunigungsgesetz, das dazu beiträgt, dass wir unabhängiger in unserer Energieversorgung werden. Diese Liste könnte ich noch sehr viel länger ausführen.
(Beifall bei der SPD, dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und der FDP – Andrea Lindholz [CDU/CSU]: Das zeigt doch das ganze Problem! Unglaublich! Sie haben es nicht verstanden! Eine Katastrophe!)
Und Sie wollen ernsthaft der Ampel mit Ihrem Antrag Untätigkeit unterstellen!
(Beifall bei der SPD, dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und der FDP)
Dabei haben wir innerhalb eines Jahres mehr Beschleunigung in den jeweils sicherheitsrelevanten Bereichen erzielt, obwohl die gegenwärtigen Umstände besonders herausfordernd sind, herausfordernder als in den zuletzt vergangenen 16 Jahren.
(Beifall bei der SPD – Philipp Amthor [CDU/CSU]: Dann machen Sie doch was! Dann werden Sie doch mal tätig!)
– Das habe ich gerade aufgezählt, Herr Amthor.
Meine sehr geehrten Damen und Herren, ich denke an ein Zitat von Jean-Paul Sartre: „Vielleicht gibt es schönere Zeiten; aber diese ist die unsere.“ Unsere Zeit ist geprägt durch die Gewissheit, dass Krieg in Europa kein Relikt des 20. Jahrhunderts ist. Deshalb ist Sicherheit in all ihren Facetten Kern unseres außen- und innenpolitischen Handelns, und deshalb machen wir uns stark für einen integrierten Ansatz, der alle Politikfelder zusammenführt.
Ich freue mich, wenn wir an dieser Stelle bald tatsächlich und konstruktiv über die Nationale Sicherheitsstrategie sprechen.
(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN – Andrea Lindholz [CDU/CSU]: Na, dann reden Sie auch mal mit den Ländern! Mann, ist das peinlich hier! Sie lesen die Rede vor, statt Antworten zu geben! Sie sind nicht mal in der Lage, auf Reden zu antworten!)
Herzlichen Dank.
(Beifall bei der SPD, dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und der FDP)
Jetzt hat Robert Farle das Wort.
Quelle | Deutscher Bundestag, Nutzungsbedingungen |
Quellenangabe | Deutscher Bundestag via Open Parliament TV |
Abgerufen von | http://dbtg.tv/fvid/7552421 |
Wahlperiode | 20 |
Sitzung | 95 |
Tagesordnungspunkt | Nationale Sicherheitsstrategie für Deutschland |