31.03.2023 | Deutscher Bundestag / 20. WP / Sitzung 95 / Zusatzpunkt 5

Johann WadephulCDU/CSU - 75 Jahre European Recovery Plan (Marshall Plan)

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Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Ich möchte es vorweg sagen: Dies ist eine Feierstunde!

(Alexander Graf Lambsdorff [FDP]: So ist es!)

Mit dem sogenannten Marshallplan, der vor fast 75 Jahren in Kraft getreten ist, haben die USA nicht nur den Grundstein für den Wiederaufbau des kriegszerstörten Europas gelegt, sondern die USA haben damit auch eine wesentliche Grundlage für das spätere Wirtschaftswunder hier in Deutschland und damit für unseren heutigen Wohlstand, für die Stärke Deutschlands als derzeit viertgrößte Volkswirtschaft der Welt gelegt.

Aber er war mehr als das: Mit dem Marshallplan haben die USA zur Versöhnung und zur späteren Integration Europas beigetragen. Dank der Hilfe der USA wurde das eben noch im furchtbaren Zweiten Weltkrieg bis auf den Tod verfeindete, in Trümmern liegende Europa wiederaufgebaut, und es begann – erst noch zaghaft – die europäische Zusammenarbeit, die in die Europäische Union mündete. Dies alles, meine sehr verehrten Kolleginnen und Kollegen, muss uns nicht nur heute am Feiertag, sondern auch darüber hinaus zu tiefer Dankbarkeit gegenüber den Vereinigten Staaten von Amerika verpflichten.

(Beifall bei der CDU/CSU und der SPD sowie des Abg. Michael Georg Link [Heilbronn] [FDP])

Die Vereinigten Staaten von Amerika haben sich damit kategorisch anders verhalten als die Sowjetunion, die damals unter anderem den östlichen Teil Deutschlands, die spätere DDR, besetzt hielt, sie nicht wirtschaftlich aufbaute, sondern wirtschaftlich deindustrialisierte und ausplünderte. Sie hat die Menschen in eine pseudokommunistische Diktatur gezwungen, sie eingeschlossen und sie mit Mauer, Stacheldraht und Selbstschussanlagen daran gehindert, sich frei in Europa zu bewegen. Ich finde, das muss in allen Debatten, die heutzutage auf die historische Verantwortung der verschiedenen Nationen für Europa zurückblicken, ein kategorischer Unterschied bleiben. Die Vereinigten Staaten von Amerika, die Republik Frankreich und das Vereinigte Königreich haben das freie Europa aufgebaut. Ihnen sind wir zu Dank verpflichtet, liebe Kolleginnen und Kollegen!

(Beifall bei der CDU/CSU, dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und der FDP sowie bei Abgeordneten der SPD)

Deswegen darf in diesem Hause nicht unerwähnt bleiben, dass es der Vorsitzende der AfD, Herr Chrupalla, in einer der letzten außenpolitischen Debatten dieses Hauses für richtig gehalten hat, die USA als Besatzungsmacht zu bezeichnen. Ich kann dazu nur sagen: Es ist gut, dass das eine Einzelmeinung von ganz rechts außen ist. Sie ist verabscheuungswürdig.

(Stephan Brandner [AfD]: Das sind historische Fakten! Natürlich war das eine Besatzungsmacht! Was denn sonst?)

Ich glaube, wir müssen uns der Gemeinsamkeit der Demokratinnen und Demokraten in diesem Haus bewusst sein und sollten zusammenstehen und eine derartige Geschichtsklitterung nicht zulassen.

(Beifall bei der CDU/CSU, der SPD, dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und der FDP – Stephan Brandner [AfD]: Schauen Sie mal in die Geschichtsbücher rein! Das sollte auch Sie nicht überfordern!)

Für die CDU/CSU-Fraktion ist die Westbindung, die Integration Deutschlands in europäische Strukturen, in NATO-Strukturen Teil unserer DNA. Sie werden sich daran erinnern – der Kollege Stegner wird möglicherweise gleich darauf eingehen –, dass es für die Sozialdemokratische Partei in der ersten Dekade der Bundesrepublik schwer war, diesen Weg zu beschreiten und bis zum Godesberger Programm zu der Erkenntnis zu kommen, dass er richtig ist. Es ist gut, dass wir jetzt hier zusammenstehen.

(Zuruf des Abg. Leif-Erik Holm [AfD])

Für die Union war immer klar, dass wir das, was uns die Vereinigten Staaten von Amerika gegeben haben – die Bildung von demokratischen Strukturen, der Beitrag zur Entnazifizierung Deutschlands, der Beitrag zum Wiederaufbau Deutschlands –, zurückzahlen müssen, indem wir gute Europäer und verlässliche Bündnispartner im NATO-Bündnis sind. Unter diesem Aspekt muss man alle aktuellen Debatten um die Fortentwicklung der NATO und auch unsere Beiträge sehen. 2 Prozent ist nicht nur eine schlichte Zahl, sondern es bedeutet ein Zurückzahlen von Verantwortung, die wir übernehmen, indem wir unseren Beitrag für das NATO-Bündnis durch die Bundeswehr und durch das Erreichen des 2-Prozent-Zieles leisten, liebe Kolleginnen und Kollegen.

(Beifall bei der CDU/CSU)

Wir müssen dieses transatlantische Verhältnis jederzeit bewahren. Das ist nicht einfach. Das haben wir in Zeiten der Präsidentschaft Donald Trumps mit dessen Populismus erlebt. Wir erleben es auch hier in manch überzogener Debatte – Stichwort „Chlorhühnchen“. Es gibt beiderseitig Kritik zu üben; aber, ich glaube, wir müssen erkennen, dass uns Freihandel – der Marshallplan war ja ein wirtschaftlicher Plan – Frieden, Freundschaft und gegenseitige Solidarität garantiert. Deswegen muss ich auch in Zeiten von Gesetzgebungsakten wie dem Inflation Reduction Act in den Vereinigten Staaten von Amerika sagen: Wir sind gegen Protektionismus! Wir stehen für den Freihandel zwischen den Ländern, und wir sollten uns gemeinsam dafür einsetzen, dass die Europäische Union diesen möglichst schnell gemeinsam mit den Vereinigten Staaten von Amerika erreicht.

(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der SPD und der FDP)

Und, ich glaube, wir sollten den Marshallplan fortdenken hinsichtlich der aktuellen Lage. Es ist genug zur Ukraine gesagt worden, auch heute von der geschätzten Vorrednerin, Frau Kollegin Brugger, viel Richtiges. Aber es wird irgendwann eine Zeit nach diesem Krieg geben; hoffentlich möglichst schnell. Der Marshallplan könnte eine Art Blaupause für Europa sein, die Ukraine später aufzubauen. Auch dort werden wir Beiträge leisten müssen in Bezug auf Korruptionsbekämpfung und den Aufbau rechtsstaatlicher Strukturen. Dann werden wir gefordert sein, wieder einen verantwortlichen Beitrag zu leisten, damit ein wirtschaftlicher Aufschwung und eine Stabilisierung der Ukraine gelingen. Dann ist es Zeit für einen Marshallplan 2.0 Europas für die Ukraine. Dazu sollte Deutschland dann einen Beitrag leisten.

Herzlichen Dank für die Aufmerksamkeit.

(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der SPD und der Abg. Sara Nanni [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN] und Ulrich Lechte [FDP])

Das Wort hat der Kollege Dr. Ralf Stegner für die SPD-Fraktion.

(Beifall bei der SPD und der FDP sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU)


Daten
Quelle Deutscher Bundestag, Nutzungsbedingungen
Quellenangabe Deutscher Bundestag via Open Parliament TV
Abgerufen von http://dbtg.tv/fvid/7552431
Wahlperiode 20
Sitzung 95
Tagesordnungspunkt 75 Jahre European Recovery Plan (Marshall Plan)
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