Jürgen HardtCDU/CSU - 75 Jahre European Recovery Plan (Marshall Plan)
Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Es ist gut, dass in dieser Debatte der Inhaber des schönsten Ehrenamtes der Bundesregierung, der Koordinator für die transatlantische Zusammenarbeit, Michael Link, spricht, aber auch seine beiden Vorgänger in dem Amt, Peter Beyer und ich. Und ich freue mich, dass auf der Tribüne der Chair des German Marshall Fund, J. Robinson West, mit dem deutsch-europäischen Team des German Marshall Fund Platz genommen hat. Das ist heute ein schöner und wichtiger Tag für uns alle.
(Beifall bei der CDU/CSU, der SPD und der FDP sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)
Ich freue mich bibelgetreu über den einen Sünder, der Buße tut, mehr als über tausend Gerechte. Jürgen Trittin hat heute eine Rede gehalten, die pro NATO, pro amerikanisch, pro Marktwirtschaft war; das habe ich so nicht erwartet.
(Stefan Müller [Erlangen] [CDU/CSU]: Wer hätte das gedacht!)
Ich brauchte den Umweg über die Hofgartenwiese in Bonn in den 1980er-Jahren nicht.
(Agnieszka Brugger [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Das liegt vielleicht an deinen ideologischen Scheuklappen!)
Ich war immer dieser Meinung; aber es ist ja gut, dass wir uns hier unter den demokratischen Kräften so einig sind.
(Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU)
Ich will an dieser Stelle aber noch einige Aspekte ansprechen, die in dieser Debatte noch nicht so genannt worden sind. Ich finde, das ist eine beachtliche Leistung der politischen Führung in Amerika: Nach 1,1 Millionen gefallenen und verwundeten amerikanischen Soldaten legt ein US-Präsident ein Marshallplan-Programm auf, das eben auch dem Verantwortlichen für den Zweiten Weltkrieg, Deutschland, diese finanziellen Möglichkeiten eröffnet. Das ist ein Beispiel dafür, was man in einer Demokratie erreichen kann, wenn man bereit ist, Führung zu zeigen.
Ich möchte an dieser Stelle auch daran erinnern, dass bis zum heutigen Tag viele private Haushalte in Deutschland von diesem Marshallplan ganz konkret profitieren. Denn wenn wir unsere Gebäudesanierung mit günstigen Krediten von der KfW finanzieren, tun wir das letztlich mit dem Geld, das vom Marshallplan-Programm übrig geblieben ist, also die Rückläufe und die Zinsen. Immer wenn die KfW einen Kredit vergibt, könnte sie eigentlich einen kleinen Stempel draufdrücken: Danke, Amerika! Danke, Marshallplan!
(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP sowie des Abg. Michael Roth [Heringen] [SPD])
Ich finde an diesem Programm auch so bemerkenswert, dass es so stark auf marktwirtschaftliche Instrumente setzt und diese Win-win-Situation erzeugt hat. Die Möglichkeit, dass die Deutschen nach dem Krieg mit diesem Programm die Kapitalbasis fanden, um ihre Fähigkeiten in ein Wirtschaftswunder umzusetzen, hat darüber hinaus in der europäischen Nachbarschaft und dann auch in Amerika positive wirtschaftliche Effekte gehabt, und zwar viel mehr, als wenn man das mit Subventionspolitik, mit Dirigismus oder anderen entsprechenden Regeln gemacht hätte. Die Kräfte der Marktwirtschaft sind durch dieses Marshallplan-Programm ganz klar in den Mittelpunkt gestellt worden. Das ist etwas, was uns auch für die Zukunft helfen sollte.
Ich komme jetzt zu der Frage, warum wir einen eigenen Antrag geschrieben haben. Erstens steht in unserem Antrag die, wie ich finde, richtige solidarische Leistung unsererseits, nämlich die Erhöhung unserer Verteidigungsausgaben mit Blick auf das 2-Prozent-Ziel der NATO. Zweitens steht in dem Antrag, dass wir uns mit Blick auf die Zukunft der Ukraine an dem Marshallplan ein Beispiel nehmen sollten – an der Großzügigkeit, aber eben auch an den marktwirtschaftlichen Instrumenten.
Es wäre schön gewesen, wenn der Marshallplan auch im Osten unseres Landes zur Wirkung gekommen wäre. Das Angebot lag auf dem Tisch. Es wurde nicht angenommen, auch von Polen, Ungarn und Bulgarien nicht. Trotzdem möchte ich den Bürgerinnen und Bürgern im Osten Deutschlands, von denen sich der eine oder andere in der Diskussion gegenwärtig vielleicht in der alten Sowjetromantik befindet, sagen: Wenn es in der DDR so etwas wie einen Marshallplan gegeben hätte, dann hätten wir viele ökonomische Probleme, die bis heute nachwirken, in unserem Lande nicht. Das ist auch eine Lehre aus dem Jubiläum, das wir heute feiern.
Herzlichen Dank.
(Beifall bei der CDU/CSU sowie des Abg. Michael Roth [Heringen] [SPD])
Als Nächstes spricht Michelle Müntefering für die SPD-Fraktion.
(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN und der FDP)
Source | Deutscher Bundestag, Nutzungsbedingungen |
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Electoral Period | 20 |
Session | 95 |
Agenda Item | 75 Jahre European Recovery Plan (Marshall Plan) |