Boris Pistorius - Bundeswehreinsatz EUNAVFOR MED IRINI
Vielen Dank. – Sehr geehrter Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Vor sechs Wochen, am 15. Februar, war der neue Sondergesandte der Vereinten Nationen für Libyen, Abdoulaye Bathily, zu Gesprächen hier in Berlin. Er hat eindrucksvoll die angespannte, ja, teilweise dramatische Lage in Libyen geschildert, und er hat sich ganz ausdrücklich für Deutschlands Beitrag in und für Libyen bedankt.
Zu diesem Beitrag, meine Damen und Herren, gehört nicht zuletzt der Einsatz unserer Bundeswehr im Rahmen der EU-Mission Irini. Heute bringt die Bundesregierung den Antrag auf Verlängerung des Mandats für diesen Einsatz unserer Bundeswehr ins Parlament ein. Wir bitten den Deutschen Bundestag um seine Zustimmung; denn dieses Engagement ist weiterhin nötig, um Libyen auf den Weg zu mehr Stabilität zu bringen.
Seit dem Fall des Diktators Gaddafi vor fast zwölf Jahren kommt Libyen nicht zur Ruhe. Wahlen, die im Dezember 2021 hätten stattfinden sollen, wurden verschoben. Die Lage ist auch deshalb so instabil, weil externe Mächte die Unruhen im Land für ihre Zwecke nutzen und mit Waffenlieferungen befeuern. Die Vereinten Nationen haben ein Embargo von Waffenlieferungen nach Libyen beschlossen. Wir alle aber wissen – nicht nur aus diesem Raum –: Ein Embargo ist immer nur so gut wie die Kontrollen zu seiner Durchsetzung.
Aus diesem Grund gibt es seit 2020 die EU-geführte Operation Irini im Mittelmeer. Zusammen mit unseren Partnern überwachen und kontrollieren unsere Marinesoldatinnen und ‑soldaten seitdem die Seewege von und nach Libyen, damit nicht zusätzliche Waffen in eine unkontrollierte Lage gelangen und damit dem Ölschmuggel, der den Konflikt mitfinanziert, besser Einhalt geboten werden kann. Im Rahmen von Irini wurden zu diesem Zweck seit März 2020 mehr als 8 700 Schiffe abgefragt, es wurden mehr als 430 mit Zustimmung der Besatzung betreten, und es wurden 25 sogenannte Boardings durchgeführt, bei denen Schiffe aktiv durchsucht wurden.
Meine sehr geehrten Damen und Herren, es wird hin und wieder gefordert, die Mission einzustellen. Sie sei überflüssig geworden, da die wichtigsten Schmuggelrouten Richtung Libyen nicht mehr über See verlaufen, sondern mittlerweile in der Luft und an Land. Ja, mag sein; aber nur weil der Dieb durchs Fenster einsteigen kann, heißt es noch lange nicht, dass man die Haustür offen stehen lässt. Fakt ist: Die Operation Irini hat den Seeweg für Schmuggler deutlich unzugänglicher gemacht als zuvor, und das soll auch so bleiben.
(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU und der FDP)
Diese Mission ist also weiter wichtig; und sie ist politisch richtig. Wir müssen sie als einen Baustein unserer langfristig angelegten Libyen-Politik verstehen und fortsetzen.
Aktuell beteiligt sich Deutschland an der Operation Irini mit Stabspersonal und einem Seefernaufklärer, also einem Flugzeug, das das Seegebiet überwacht. Im aktuellen Mandatszeitraum haben wir rund 40 Aufklärungsflüge durchgeführt. Auch unser U-Boot „U 35“ war zeitweise an der Operation beteiligt. Wir planen, diese Kräfte von April bis Juni 2023 durch den Einsatzgruppenversorger „Bonn“ der Marine zu ergänzen. Dann werden rund 200 Soldatinnen und Soldaten im Einsatz sein.
Meine Damen und Herren, die Zeitenwende, die der Bundeskanzler vor rund einem Jahr ausgerufen hat, darf man nicht auf Haushalts- oder Beschaffungsfragen reduzieren. Man darf sie auch nicht auf die nötige Ausrichtung auf Landes- und Bündnisverteidigung verengen. Und auch wenn wir wegen des russischen Angriffskrieges und des entsetzlichen Leids in der Ukraine in größter Sorge sind – auch das allein ist nicht die Zeitenwende. Die Zeitenwende heißt auch, dass wir uns auch in diesen Zeiten, auch jetzt und in Zukunft in global angespannter Lage weiter an Missionen des internationalen Krisenmanagements, also an Auslandseinsätzen, beteiligen.
(Beifall bei Abgeordneten der SPD, der CDU/CSU, des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN und der FDP)
Unsere Verantwortung endet nicht vor unserer Haustür – wie könnte es anders sein? –, unter anderem deshalb, weil Krisen und Spannungen in anderen Teilen der Welt immer häufiger und eigentlich fast regelmäßig auch Auswirkungen auf die Sicherheit bei uns zu Hause in Europa und in Deutschland haben.
Ganz konkret: Mehr Stabilität in Nordafrika bedeutet auch mehr Sicherheit in Europa und Deutschland. Die Verlängerung des Mandats stellt damit ein weiteres Element kluger und weitsichtiger Sicherheitspolitik dar. Wir müssen und werden daher gemeinsam mit unseren europäischen und internationalen Partnern weiterhin Verantwortung in der Welt übernehmen, gerade wenn es so dringend geboten ist wie bei diesem Einsatz.
(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN und der FDP)
Meine Damen und Herren, die Bundeswehr befindet sich in einer Umbruchphase. Unsere Soldatinnen und Soldaten konzentrieren sich deutlich stärker auf Landes- und Bündnisverteidigung, als es noch vor wenigen Jahren der Fall war und der Fall sein musste. Die Anpassungen, die dafür nötig sind, haben wir angestoßen. Ich setze mich mit Nachdruck dafür ein. Für unsere Soldatinnen und Soldaten, die zwei Jahrzehnte lang vor allem im Rhythmus und unter den Anforderungen der Auslandseinsätze gelebt und gedient haben, ist diese Umstellung mit Härten verbunden.
Das Mandat, um das es heute geht, zeigt daher noch etwas. Wir senden damit auch ein klares Zeichen an unsere Männer und Frauen in Uniform, das da lautet: Dieses Parlament steht hinter euch!
(Beifall bei der SPD, der CDU/CSU, dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und der FDP)
Der Deutsche Bundestag zeigt seiner Parlamentsarmee, dass er zu seiner Verantwortung steht. Die Verlängerung des Mandats heißt deshalb auch Anerkennung der bisher erbrachten Leistung. Aus meinen inzwischen schon einigen Gesprächen mit der Truppe weiß ich, wie wichtig das für die Soldatinnen und Soldaten ist. Und die allermeisten von Ihnen hier im Plenum wissen das aus ihren eigenen Besuchen in den Einsatzgebieten und an den Standorten.
Meine Damen und Herren, mein Dank gilt allen deutschen und internationalen Soldatinnen und Soldaten, die seit 2020 in der Operation Irini gedient haben und damit einem Mandat der Vereinten Nationen Gewicht verliehen haben.
(Beifall bei der SPD, der CDU/CSU, dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und der FDP)
Und mein Dank gilt den Abgeordneten des Deutschen Bundestages für ihre Unterstützung der Truppe, unserer Bundeswehr – hier in Deutschland genauso wie fern von zu Hause.
Vielen Dank.
(Beifall bei der SPD, dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und der FDP)
Vielen Dank, Herr Minister Pistorius. – Als nächster Redner hat das Wort der Kollege Roderich Kiesewetter, CDU/CSU-Fraktion.
(Beifall bei der CDU/CSU)
Quelle | Deutscher Bundestag, Nutzungsbedingungen |
Quellenangabe | Deutscher Bundestag via Open Parliament TV |
Abgerufen von | http://dbtg.tv/fvid/7552465 |
Wahlperiode | 20 |
Sitzung | 95 |
Tagesordnungspunkt | Bundeswehreinsatz EUNAVFOR MED IRINI |