Anna KassautzkiSPD - Europäische und deutsche Datenwirtschaft
Sehr geehrter Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen der demokratischen Fraktionen! Sehr geehrte Damen und Herren! Wir sprechen heute über den Data Act. Der Data Act ist Teil eines Gesamtkonzepts der Europäischen Union, das die Weichen für die digitale Zukunft stellt. Und wir müssen uns fragen, welche Art von Zukunft das sein soll.
Wir nutzen Social Media, wir bestellen Sachen im Internet, wir können einfach mit unseren Freundinnen und Freunden auf der ganzen Welt direkt oder in Gruppen kommunizieren. Unser Leben wird immer digitaler, immer vernetzter. Dasselbe gilt für Geräte und Maschinen, die uns umgeben, die uns Arbeit abnehmen oder die uns durch die Gegend fahren: der Staubsaugerroboter, der meine Wohnung putzt, während ich nicht da bin; das selbstparkende Auto; die Landmaschine, die selbstständig über das Feld fährt. Sie alle generieren sogenannte IoT-Daten. IoT steht für: Internet of Things, Internet der Dinge, vernetzte Geräte. All diese Maschinen generieren, sammeln und speichern Daten. Daten über mich, über mein Leben. Teilweise sagen diese Daten viel über mich aus, auch wenn sie nicht direkt personenbezogen sind.
Der Staubsaugerroboter kann meine Wohnung kartografieren, speichert also wichtige Informationen über meine Lebensverhältnisse. Aber kartografiert er die Wohnung nur, oder weiß er dank GPS-Daten auch, wo genau meine Wohnung liegt?
Das Auto vermisst und trackt jede meiner Bewegungen, mein Fahrverhalten, meine Gewohnheiten.
Die Landmaschine generiert Daten über Bodenbeschaffenheit, Fläche und Nutzung in landwirtschaftlichen Betrieben. Das sind auch für die Landwirtinnen und Landwirte wichtige Informationen.
Diese Daten sind zwar maschinengeneriert, tragen aber sehr viele Informationen über die Nutzer/-innen der Maschinen in sich. Wem gehören diese Daten? Wer darf sie nutzen? Wer darf sie verwerten, verkaufen, zusammenführen? Wer bekommt sie überhaupt zu sehen? Um diese Fragen geht es im Data Act, also um die Frage: In welcher digitalen Zukunft wollen wir leben?
Die vergangenen Jahre haben gezeigt, dass Hersteller/-innen und Verkäufer/-innen vernetzter Geräte sehr großes Interesse an diesen Daten haben: zur Profilbildung von Nutzerinnen und Nutzern, zu Marketingzwecken, zur Verbesserung ihrer Produkte. Dabei wissen die Nutzer/-innen oft nicht, welche Daten wo über sie liegen.
Wir beginnen gerade, dieses Chaos aufzuräumen, das in der unregulierten digitalen Welt in den letzten Jahren entstanden ist. Die DSGVO war der Anfang. Durch sie dürfen personenbezogene Daten nicht einfach nur so, sondern nur mit meiner Erlaubnis über mich erhoben werden. Der Data Act ist der nächste logische Schritt. Hier geht es nicht mehr nur um personenbezogene Daten, sondern auch um die Daten, die meine Geräte über mich sammeln, also nicht mehr nur die Daten über meinen genauen Wohnort, sondern beispielsweise auch über den Schnitt meiner Wohnung.
Ein weiterer Schritt in Richtung einer nutzer/-innenzentrierten digitalen Zukunft ist der AI Act. Denn was passiert mit diesen riesigen Datenmengen? Wo Menschen diese Datenmengen nicht mehr sinnvoll auswerten können, kommt KI ins Spiel. Und wir müssen entscheiden, was eine KI darf und was sie nicht darf. Da gibt es noch viele offene Fragen, beispielsweise auch im Urheberrecht; aber darum geht es heute nicht.
Unsere vernetzte Welt läuft auf der Basis von Daten. Deswegen ist es so wichtig, dass diese Datenströme klaren Regeln folgen. Nach Jahren des ungebremsten Datensammelns und ‑verwertens stellt der Data Act den Umgang mit Gerätedaten vom Kopf auf die Füße. Die Daten kommen dahin zurück, wo sie hingehören, nämlich zu den Nutzerinnen und Nutzern. Das war der Grundgedanke der DSGVO, und das ist der Grundgedanke des Data Acts.
Der Data Act gibt Nutzerinnen und Nutzern die Möglichkeit zurück, über die von ihnen generierten Daten zu verfügen. Ich kann dann sehen, welche Daten mein Staubsaugerroboter über meine Wohnung erhebt. Besser noch, ich kann entscheiden, was mit diesen Daten passieren soll. Daten von Landmaschinen und Autos stehen in Zukunft nicht mehr nur den Herstellerfirmen zur Verfügung; sie müssen auch den Zuliefererbetrieben und vor allem den Nutzerinnen und Nutzern zugänglich gemacht werden.
Beispiel gefällig? Der Hersteller von Autobatterien hat künftig auch Zugriff auf die Daten der Batterien im laufenden Betrieb, solange die Nutzer/-innen sie zur Verfügung stellen. Der Autoproduzent kann das nicht einfach verbieten. Und der Autobatteriehersteller kann sein Produkt verbessern. Damit stärken wir die Positionen von kleineren Unternehmen, von Start-ups gegenüber den großen. Für die, die vorher Monopole auf diese Daten hatten, mag das unbequem sein. Aber genau da wollen und müssen wir hin in einer gerechteren digitalen Zukunft.
(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN und des Abg. Dr. Volker Redder [FDP])
Aktuell leiten viele Geräte automatisch Daten aus, ohne dass ich das überhaupt mitbekomme. Das kann ich nur verhindern, wenn ich technisch versiert bin. Zukünftig bekommen alle Nutzer/-innen weitreichende Einblicke und Möglichkeiten, zu entscheiden, was mit ihren Daten passiert. Die DSGVO hat Nutzer/-innen befähigt, über ihre personenbezogenen Daten zu verfügen, ihren Schutz einzuklagen. Der Data Act befähigt sie, über die von ihnen generierten Daten zu verfügen. Dabei müssen wir darauf achten, dass ein Nein zur Datennutzung nicht dazu führt, dass ich das Produkt nicht mehr nutzen kann. Ein Staubsaugerroboter funktioniert auch, wenn er keine Daten über mich sammelt. Hier muss im Trilog noch nachgeschärft werden.
(Beifall bei der SPD sowie der Abg. Tobias B. Bacherle [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN] und Anke Domscheit-Berg [DIE LINKE])
Wir stärken die digitale Souveränität Europas mit diesem Gesetz auf eine ganz fundamentale Art und Weise, nämlich indem wir Nutzer/-innen stärken. In den nächsten Monaten wird sich der europäische Trilog mit dem Data Act beschäftigen. Die Bundesregierung hat sich geeint in den vergangenen Monaten intensiv in Brüssel in die Verhandlungen eingebracht. Die Positionierung der Kommission steht – klar, sie haben den Vorschlag eingebracht. Die Positionierung des Parlaments steht. Jetzt steht auch die Positionierung des Rates.
Auch wir haben als Zuständige der Fraktionen immer wieder unsere Vorstellungen und Vorschläge in den Prozess eingebracht, beispielsweise im Digitalausschuss. Wir schaffen Rechtssicherheit in einem Bereich der nutzergenerierten Gerätedaten, die es so aktuell noch gar nicht gibt.
Die Bundesregierung hat sich für eine klare Abgrenzung zu den anderen Rechtsakten wie der DSGVO, dem AI Act oder dem Data Gouvernance Act starkgemacht. Genauso hat sie sich dafür eingesetzt, dass klar ist, wer eigentlich Dateninhaber/-in, Datenempfänger/-in, dritte Partei oder Nutzer/-in ist und wer wann welche Rechte genießt.
Der Data Act ist ein Meilenstein der europäischen Digitalgesetzgebung. Ich freue mich auf das Trilogverfahren.
Herzlichen Dank.
(Beifall bei der SPD, dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und der FDP)
Vielen Dank, Frau Kollegin. – Nächste Rednerin ist die Kollegin Barbara Lenk, AfD-Fraktion.
(Beifall bei der AfD)
Quelle | Deutscher Bundestag, Nutzungsbedingungen |
Quellenangabe | Deutscher Bundestag via Open Parliament TV |
Abgerufen von | http://dbtg.tv/fvid/7552478 |
Wahlperiode | 20 |
Sitzung | 95 |
Tagesordnungspunkt | Europäische und deutsche Datenwirtschaft |