Mathias PapendieckSPD - Aktuelle Stunde: Maßnahmen gegen die hohen Lebensmittelpreise
Sehr geehrte Frau Präsidentin! Sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen! Ich möchte, bevor ich zum Thema rede, doch noch etwas zur Diskussion hier sagen. Herr Schattner, Sie haben in Ihrem Redebeitrag auf dem Alter einer anderen Kollegin herumgehackt. So was macht man nicht; das möchte ich am Anfang doch ganz klar sagen.
(Beifall bei der SPD und der LINKEN – Dr. Bernd Baumann [AfD]: Da haben wir von Ihrer Seite aber schon Schlimmeres erlebt!)
Wir haben heute in der Diskussion inhaltlich einiges zu den Lebensmittelpreisen, zu der Herstellung im Agrarbereich usw. gehört. Ich möchte etwas zum Lebensmitteleinzelhandel sagen. Wir haben im Lebensmitteleinzelhandel in den letzten zehn Jahren eine unglaubliche Konzentration erlebt. Mehrere Marken wurden übernommen, wurden aufgekauft, wurden konzentriert.
(Hermann Färber [CDU/CSU]: Mit Ministererlaubnis!)
Ich erinnere an Kaiser’s, ich erinnere an Plus, ich erinnere an Real.
(Alexander Engelhard [CDU/CSU]: Sigmar Gabriel war das, oder?)
– Ja, daran waren mehrere Ministerinnen und Minister von verschiedenen Parteien beteiligt.
(Alexander Engelhard [CDU/CSU]: SPD-Minister!)
Ich glaube, diese Konzentration war ein Fehler.
(Beifall bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)
Gemeinsam sollten wir in Zukunft keine weiteren Konzentrationen im Lebensmitteleinzelhandel zulassen. Das geht nicht; das ist der falsche Weg.
(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN, der FDP und der LINKEN – Hans-Jürgen Thies [CDU/CSU]: Gabriel hat das doch gemacht, oder?)
– Ihr Wirtschaftsminister auch, nicht?
Ein anderes Thema ist, dass wir auch die Eigentümer der Lebensmittelkonzerne betrachten müssen. Unter den Top Ten der reichsten Deutschen sind nicht durch Zufall mehrere Eigentümerfamilien. Deren Vermögen ist während der Coronakrise sogar gewachsen.
(Dr. Oliver Vogt [CDU/CSU]: Das klingt ja fast wie eine Forderung von den Linken!)
Darüber muss man nachdenken und daraus am Ende auch Schlussfolgerungen ziehen.
Noch etwas hat sich im Lebensmitteleinzelhandel verändert. Ich habe mit 16 im Supermarkt angefangen und 23 Jahre in dem Bereich gearbeitet. Damals war es so: Ein Supermarkt oder ein Discounter konnte 800 Quadratmeter groß sein; ein Lebensmittelvollsortimenter konnte 1 200 Quadratmeter groß sein, so groß wie das Haus hier – 1 200 Quadratmeter, das war die normale Fläche. In der Zeit wurden Regelungen aufgehoben, was dann zur Folge hatte, dass ein Vollsortimenter heutzutage eine Fläche von 2 000 bis 2 500 Quadratmeter hat, wenn er neu baut, und ein Discounter immer über 1 000 Quadratmeter groß ist.
Jetzt befinden wir uns in einer Energiekrise; die Preise haben sich verändert. Da muss man doch feststellen, dass genau diese Flächen dazu führen, dass die Bewirtschaftung dieser Gebäude, dieser Supermärkte am Ende teurer geworden ist. Das haben wir als Betriebsleiter immer ein Stück weit angemerkt. Leider haben die Geschäftsführungen oftmals anders entschieden, und die Flächen wurden immer größer, was dann zur Folge hatte, dass die kleinen Märkte aus den Innenstädten verdrängt worden sind. Die Menschen, die Bürgerinnen und Bürger, müssen jetzt weitere Wege fahren, um ihre Lebensmittel zu kaufen. Das ist auch nicht nachhaltig, in keinster Weise.
(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)
Dementsprechend muss man darüber nachdenken, wie man die Innenstadtentwicklung durchführt, und möglicherweise Regelungen noch mal ändern.
Einen anderen Punkt möchte ich auch noch ansprechen. Wie sind denn die Eigentümer und die Betreiber aufgeteilt? Betreiber wie Rewe und Edeka, die die Marktführer sind, haben in der Regel Investoren, die die Gebäude bauen, die Standorte entwickeln. Das machen sie meistens mit einem Vertrag über 20 Jahre, einmal 10 Jahre und zweimal 5 Jahre als Option. Der Händler kann entscheiden, ob das Objekt gut oder nicht gut läuft. Wenn es nicht gut läuft, dann kündigt er es nach 20 Jahren auf, und in dem Moment ist die Welt für ihn in Ordnung. Aber was ist denn, wenn in dem Moment das Objekt gut läuft, wenn man nach 20 Jahren feststellt, dass das Objekt ein gut laufender Supermarkt ist? Der Investor weiß das ganz genau und erhöht am Ende die Miete.
(Renate Künast [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Ja, wir müssen endlich die Gewerbemieten regeln! – Alexander Engelhard [CDU/CSU]: Sozialismus pur!)
– Gerne, Frau Künast.
Auch das hat am Ende dazu beigetragen, dass die Kosten gestiegen sind. Da muss man gegensteuern; da müssen wir als Staat am Ende Verantwortung übernehmen. Wir sind jetzt an dem Punkt, dass wir die Rahmenbedingungen festsetzen und gemeinsam darüber diskutieren und sagen müssen: Okay, wir haben jetzt diese hohe Inflation; daraus müssen wir unsere Schlussfolgerungen ziehen.
(Alexander Engelhard [CDU/CSU]: Weniger Schulden machen!)
Ich will aber auch noch einen weiteren Punkt ansprechen, der hier von Vorrednern genannt worden ist. Es ging darum, dass Bioprodukte in irgendeiner Weise preistreibend sind und das eine gefährliche Situation ist.
(Dr. Oliver Vogt [CDU/CSU]: Wer hat denn das gesagt?)
– Es ging um Schadstoffe, die dann verboten werden usw.
(Zuruf von der CDU/CSU: Das ist ja was anderes!)
Die Eigenmarken, die wir in den Supermarktregalen haben, können von den Kunden gekauft werden; die entscheiden selber darüber.
(Dr. Oliver Vogt [CDU/CSU]: Das wollen wir ja auch!)
Der Preis der Bioprodukte ist – schon vor der jetzigen Energiekrise bzw. Ukrainekrise und auch schon vor der Coronakrise – prozentual immer weiter gestiegen. Die Menschen haben die Produkte freiwillig gekauft, sie hatten das Geld; das muss man so deutlich sagen. Aber jetzt hat sich die Situation geändert. Dementsprechend ist es auch völlig legitim, wenn jetzt zum Beispiel möglicherweise der eine oder andere Bauer sagt: „Okay, es gibt ein anderes Käuferverhalten; ich baue jetzt mehr in konventioneller Landwirtschaft an“, was völlig okay ist.
(Dr. Oliver Vogt [CDU/CSU]: Das kann er doch machen! Völlig in Ordnung!)
– Ich wollte es an der Stelle nur sagen. Das ist jetzt nicht ein Problem der Regulierung. Das ist der Markt, der da funktioniert.
(Dr. Oliver Vogt [CDU/CSU]: Das hat auch keiner behauptet!)
– Ich wollte es an der Stelle nur noch mal klarstellen.
Also: Ich hoffe, dass wir hierfür gemeinsam Lösungen finden.
Ich danke Ihnen für Ihre Aufmerksamkeit.
(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN und der FDP)
Das Wort hat Dr. Sebastian Schäfer für die Fraktion Bündnis 90/Die Grünen.
(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der SPD und der FDP)
Quelle | Deutscher Bundestag, Nutzungsbedingungen |
Quellenangabe | Deutscher Bundestag via Open Parliament TV |
Abgerufen von | http://dbtg.tv/fvid/7552503 |
Wahlperiode | 20 |
Sitzung | 95 |
Tagesordnungspunkt | Aktuelle Stunde: Maßnahmen gegen die hohen Lebensmittelpreise |