19.04.2023 | Deutscher Bundestag / 20. WP / Sitzung 96 / Zusatzpunkt 1

Axel EcheverriaSPD - Aktuelle Stunde - Weiternutzung der Kernkraft

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Sehr geehrte Frau Präsidentin! Sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen der demokratischen Fraktionen! Sehr geehrte Zuschauerinnen und Zuschauer! Auf Wunsch der Union sprechen wir wieder einmal über Atomkraft in Deutschland. Jakob Blankenburg hat gerade schon darauf hingewiesen: Am vergangenen Samstag sind die letzten drei Meiler vom Netz gegangen. Damit ist eine seit Jahrzehnten geführte gesellschaftliche Debatte und der damit einhergehende politische Streit eigentlich beendet worden; denn deren Grundlage ist schlichtweg nicht mehr da.

(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)

Erinnern wir uns noch einmal zurück: Ursprünglich, im Jahr 2002, wurde der Atomausstieg von Rot-Grün hier in diesem Haus beschlossen. 2010 kam es dann unter Schwarz-Gelb zum Ausstieg vom Ausstieg.

(Jens Spahn [CDU/CSU]: Aha!)

2011 folgte in Anbetracht der Reaktorkatastrophe von Fukushima der Ausstieg vom Ausstieg vom Ausstieg. Dieser Schritt alleine hat die deutschen Steuerzahlerinnen und Steuerzahler 2,4 Milliarden Euro gekostet.

(Dr. Johannes Fechner [SPD]: Ganz genau! – Jürgen Trittin [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN], an die CDU/CSU gewandt: Ja, ja!)

Halten wir fest: Wir wissen seit mindestens 21 Jahren – mit ein paar Monaten der Unterbrechung unter Schwarz-Gelb –, dass dieser Moment des endgültigen Ausstiegs kommen würde. Haben wir diese Zeit denn genutzt? Haben wir in Deutschland ein Endlager für Atommüll? Nein! Wir haben noch nicht mal eins in Aussicht. Und es ist immer noch so, dass der Bayerische Ministerpräsident durch dieses Land läuft, Atomkraftwerke will, aber ein mögliches Endlager in Bayern ablehnt.

Haben wir genug Trassen, um den im Norden gewonnenen grünen Strom in den Süden zu bringen? Nein! Auch hier haben viele bayerische Extrawünsche dafür gesorgt, dass die Durchführung so manches Projekts verlangsamt wurde. Haben wir die Zeit genutzt, um die Infrastruktur, zum Beispiel durch den Bau von Windrädern, auszubauen, um so viel Strom wie nur möglich aus erneuerbaren Energien zu produzieren? Ja, zum Teil ist das so. Aber während zum Beispiel in Niedersachsen richtig gute Arbeit geleistet wurde, hat man sich in Bayern und leider auch in Nordrhein-Westfalen entspannt zurückgelehnt.

(Henning Rehbaum [CDU/CSU]: Das stimmt überhaupt nicht! Faktenfreie Rede!)

– Na, doch. – Machen wir uns nichts vor: In dieser Aktuellen Stunde geht es viel weniger um Atomkraft als um den Landtagswahlkampf in Bayern.

(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)

Es geht doch insbesondere darum, die energiepolitischen Fehler der CSU zu kaschieren; denn diese sind durch den Krieg in der Ukraine und seine Auswirkungen noch einmal deutlich klarer zutage gefördert worden.

Aber sei es drum; lassen wir die politischen Nebelkerzen einmal außen vor. Sie wollen uns hier ernsthaft erzählen, dass eine sichere, zuverlässige, klimafreundliche und wahrscheinlich auch in Ihrer Welt nachhaltige Energieversorgung durch Atomstrom möglich ist. Ernsthaft?

(Florian Hahn [CDU/CSU]: Aber mit Kohle? Ernsthaft?)

Die Zuverlässigkeit der Atomkraftwerke – das wurde schon gesagt – kann man sich gerade in Frankreich ganz gut ansehen: Die reine Existenz von Atomkraftwerken ist keine Garantie für Versorgungssicherheit.

(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN – Zuruf des Abg. Florian Hahn [CDU/CSU])

Gerade die Auswirkungen des Klimawandels haben in Frankreich dazu geführt, dass viele AKWs nicht am Netz bleiben konnten; aber Sie wollen das Klima durch Atomstrom retten. Ja, Atomstrom ist klimafreundlicher als die Verstromung von Gas und natürlich auch von Kohle. Aber auch Atomstrom ist keineswegs klimaneutral: Vom Abbau des Urans bis zur Endlagerung – überall entstehen Emissionen. Und wenn wir ehrlich sind, wissen wir noch gar nicht, wie viele, da wir noch nicht wissen, was beim Endlager genau auf uns zukommt; denn weder haben wir eins gefunden, noch haben wir eins gebaut, und noch viel weniger betreiben wir eins. Und da zeigt sich auch die Janusköpfigkeit der CSU und des Bayerischen Ministerpräsidenten: Ja zu Atomstrom muss dann auch Ja zu einem Endlager heißen; notfalls auch in Bayern.

(Beifall bei Abgeordneten der SPD und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)

Die Ampel hat die Laufzeit der Atomkraftwerke im Streckbetrieb bis zum 15. April dieses Jahres verlängert. Wir wollten für den Winter die Sicherheit schaffen, mögliche Schwierigkeiten bei der Stromversorgung überbrücken zu können. Es hat sich aber gezeigt: Wir hätten die Atomkraftwerke eigentlich gar nicht gebraucht.

Fassen wir zusammen. Wir wissen seit Jahrzehnten, dass wir aus der Kernkraft aussteigen. Wir haben immer noch keine Lösung für die Endlagerung, und wir sprechen immer noch von einer Hochrisikotechnologie. In den letzten Jahrzehnten wurden die notwendigen Schritte zur Vorbereitung des Ausstiegs in manchen Bundesländern schlichtweg verschlafen. An dieser Stelle kann man nur sagen: Liebe Unionsfraktion, setzen Sie die ideologischen Scheuklappen ab, und hören Sie auf, hier den bayerischen Landtagswahlkampf zu führen. Arbeiten Sie stattdessen mit uns zusammen, um eine bezahlbare, sichere und unabhängige Stromversorgung für dieses Land hinzubekommen. Ich bin mir sicher: Das wollen wir im Grunde eigentlich alle. Jeder Euro, den wir jetzt noch in das Auslaufmodell Atomstrom investieren würden, wäre ein Euro, der letztendlich beim Ausbau der erneuerbaren Energien fehlen würde.

Herzlichen Dank.


Daten
Quelle Deutscher Bundestag, Nutzungsbedingungen
Quellenangabe Deutscher Bundestag via Open Parliament TV
Abgerufen von http://dbtg.tv/fvid/7552568
Wahlperiode 20
Sitzung 96
Tagesordnungspunkt Aktuelle Stunde - Weiternutzung der Kernkraft
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