Boris Pistorius - Bundeswehreinsatz in Niger (EUMPM Niger)
Sehr geehrte Frau Präsidentin! Meine sehr geehrten Damen und Herren Abgeordneten! Herr Dr. Wadephul, das war ja ein schöner Rundumschlag für den Auftakt einer Debatte über ein neues Mandat.
(Dr. Johann David Wadephul [CDU/CSU]: War auch bitter nötig!)
Wir werden zu gegebener Zeit darauf zurückkommen. Seien Sie ganz beruhigt.
Die Sahelzone – das ist deutlich geworden – ist geprägt von Instabilität und Gewalt, die weit über die Region hinausstrahlen. Terrorismus, illegale Migration und Organisierte Kriminalität haben Auswirkungen und berühren auch Europa und Deutschland. Diese strahlen aus auf weitere Regionen – und damit auch auf uns. Deshalb ist das Ziel dieser Bundesregierung sehr klar: zusammen mit unseren Partnern alles zu tun, was in unserer Macht steht und was von den Partnern gewünscht wird; darauf lege ich übrigens viel Wert, Herr Dr. Wadephul.
(Dr. Johann David Wadephul [CDU/CSU]: Sie müssen beantworten, was Sie mit diesem Mandat ernsthaft erreichen wollen!)
Was glauben Sie, was die nigrische Regierung auf Ihren Vorschlag, mit einem robusten Mandat da hineinzugehen, um ihnen bei der Bekämpfung der Terroristen zu helfen, sagen würde? Reden Sie mit der nigrischen Regierung, die werden Ihnen etwas anderes sagen.
(Beifall bei der SPD, dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und der FDP – Zuruf des Abg. Dr. Johann David Wadephul [CDU/CSU])
Die haben eine völlig andere Interessenlage, als Sie hier suggerieren. Uns geht es darum, dass wir eine Verschärfung der Krisen vor Ort verhindern wollen. Wir wollen der fortschreitenden Instabilität entgegenwirken, und zwar mit den Partnern. Wir wollen die Gewalt eindämmen, und zwar mit den Partnern, und nicht als diejenigen, die alles besser wissen.
(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN und der FDP)
Meine Damen und Herren, Niger – und das muss man sehr deutlich sagen – kommt dabei aufgrund der zentralen Lage des Landes, aber vor allen Dingen auch aufgrund der vergleichsweise großen politischen Stabilität eine zentrale Rolle zu. Das Land hat sich seit Jahren als zuverlässiger Partner erwiesen. Mir war es deshalb besonders wichtig, früh in meiner Amtszeit gemeinsam mit meiner Kollegin Svenja Schulze dorthin zu reisen. Stabilität und Sicherheit, meine Damen und Herren, sind wichtig für die Sahelzone; aber sie liegen eben auch im ureigenen Interesse Deutschlands und Europas. Und es ist richtig, dass das Land stärker in das Zentrum unseres Engagements vor Ort rückt.
Die Regierung Nigers, meine Damen und Herren, will den Terrorismus und die Organisierte Kriminalität aus eigener Kraft und mit den eigenen Sicherheitskräften bekämpfen, und zwar aus den Gründen, die meine Kollegin Annalena Baerbock ausgeführt hat. Es geht um die Lebensbedingungen der Menschen vor Ort. Und dafür will das Land unter anderem seine Streitkräfte bis 2025 verdoppeln, von 25 000 auf 50 000 Mann.
Damit das Land das schaffen kann, braucht es die Unterstützung durch die internationale Gemeinschaft. Niger hat daher – und das ist wichtig – die Europäische Union eingeladen – nicht wir haben uns eingeladen –, eine militärische Partnerschaftsmission EUMPM Niger durchzuführen. Den Antrag für dieses Mandat für den Einsatz unserer Bundeswehr bringt die Bundesregierung heute ins Parlament ein. Es soll bis zum 31. Mai 2024 erteilt werden. Dieses Mandat will helfen, die Fähigkeit der Streitkräfte Nigers weiter zu verbessern, damit aus eigener Kraft für mehr Stabilität und Sicherheit gesorgt und effektiver gegen die Ausbreitung von Terrorgruppen auf ihrem Staatsgebiet vorgegangen werden kann.
Meine Damen und Herren, wichtig ist: Die Ziele der Mission orientieren sich am Bedarf der nigrischen Regierung und der nigrischen Bevölkerung, nicht an dem, was wir glauben, was sie brauchen. Konkret will EUMPM Niger die Einrichtung eines Zentrums für die Ausbildung der Techniker der Streitkräfte unterstützen, Spezialisten der Streitkräfte Nigers beraten und Fachausbildung durch kleine mobile Teams durchführen sowie beim Aufbau eines neuen Führungsunterstützungsbataillons helfen. Unser Engagement in Niger wird ein gemeinsames mit europäischen Partnern sein. Mit ihnen stehen wir dazu im ständigen Austausch; auch das ist relevant.
(Beifall bei der SPD, dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und der FDP)
Der deutsche Beitrag zu EUMPM Niger umfasst dabei vor allem die Beteiligung – das ist auch zu unterstreichen – an den Führungsstrukturen der Mission vor Ort. Deswegen, meine Damen und Herren, liegt die Mandatsobergrenze bei 60 Soldatinnen und Soldaten der Bundeswehr. Wir reden nicht über etwas, was vergleichbar ist mit dem Einsatz in Mali. Herr Dr. Wadephul, das sollten Sie wissen.
(Beifall bei der SPD, dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und der FDP – Dr. Johann David Wadephul [CDU/CSU]: Ich weiß das!)
– Ja, Herr Dr. Wadephul, nicht alles, was hinkt, ist ein Vergleich, glauben Sie mir.
Meine Damen und Herren, alle wissen: Außenpolitik, Sicherheitspolitik und Entwicklungszusammenarbeit können nur im klugen Zusammenspiel Fortschritte bewirken. Die EUMPM-Mission ist ein Baustein im Rahmen des integrierten Ansatzes der Europäischen Union in Niger, und sie ist ein Element unseres eigenen ressortübergreifenden Engagements vor Ort, zu dem eben auch die bilaterale Kooperation unserer Streitkräfte gehört.
(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN und der FDP)
In der vergangenen Woche waren meine Kollegin Svenja Schulze und ich vor Ort in Niger und haben vor Ort bekräftigt, wie sehr uns diese Kooperation am Herzen liegt, wie wichtig sie uns ist. Geleitet ist unsere Politik dabei vom Konzept der Hilfe zur Selbsthilfe. Wir wollen unsere afrikanischen Partner so stärken, dass sie in der Lage sind, Krisen eigenständig zu meistern. Wir wollen ihre Resilienz stärken. Und die EU-Mission ist dabei ein richtiger Schritt. Deutschland kann durch sie in Niger einen wertvollen Beitrag leisten. Die Bundeswehr ist seit Jahrzehnten in Afrika engagiert als Teil der internationalen Gemeinschaft im Rahmen von Einsätzen und Missionen, aber eben auch bilateral. Deutsche Soldatinnen und Soldaten bildeten Streitkräfte afrikanischer Staaten aus, beschützten Menschen, bekämpften Piraten, halfen bei humanitären Katastrophen und sicherten freie Wahlen. Seit 2017 unterstützt die Bundesregierung Niger im Rahmen ihrer Ertüchtigungsinitiative. Seit 2018 unterstützt die Bundeswehr die Streitkräfte in Niger mit Training und Ausbildung. Die Ausbildung nigrischer Spezialkräfte im Rahmen der Mission Gazelle ist eine Erfolgsgeschichte.
(Beifall bei der SPD, dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und der FDP)
Das Engagement der Bundeswehr in Niger hat dort einen wirklich guten Ruf – ich will darauf sehr deutlich hinweisen –, vor allem, wenn es darum geht, wie unsere Soldatinnen und Soldaten mit den nigrischen Partnern zusammenarbeiten, nämlich auf Augenhöhe. Sie fragen, sie hören zu, sie erklären; aber sie erklären dem Gegenüber nicht, was sie brauchen oder was sie zu tun haben. Bei unserem Besuch in der vergangenen Woche haben mir unsere Soldatinnen und Soldaten ihrerseits berichtet, wie sehr sie sich wertgeschätzt fühlen und wie großartig die nigrische Gastfreundschaft ist.
Meine Damen und Herren, so weit der Stand. Zu einer offenen und ehrlichen Debatte gehört für mich auch der Blick auf die Probleme und Belastungen unseres Sahelengagements. Die Sicherheitslage dort hat sich trotz erheblicher internationaler Unterstützung nicht verbessert. Seit dem brutalen Angriffskrieg Russlands gegen die Ukraine beobachten wir: Auch im Sahel, in ganz Afrika ist das geostrategische, das sicherheitspolitische Umfeld rauer geworden. Russische Narrative und Angebote scheinen gerade hier zu verfangen, die westliche Gemeinschaft verliert hier an Boden. Der Sahel ist und bleibt dennoch – gerade deswegen – strategisch relevant, gerade auch angesichts der russischen Präsenz in der Region. Und es bleibt wichtig und wird immer wichtiger, dass wir in der Region vertreten sind, dass wir engagiert bleiben und zeigen: Wir sind da. Wir sind als Partner da und bleiben es auch in Zukunft, meine Damen und Herren.
(Beifall bei der SPD, dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und der FDP)
Dazu gehört, Präsenz zu zeigen, auch militärisch; das ist wichtig für Niger, für Europa und am Ende auch für uns. Und natürlich gehört auch dazu, dass wir unsere Rolle, unsere Möglichkeiten und deren Grenzen im Sahel immer wieder überprüfen. Das ist unsere Pflicht. Auf einige Entwicklungen in der Region haben wir natürlich nur sehr begrenzten Einfluss. Aber den Einfluss, den wir haben, sollten wir nutzen, um Niger nach besten Kräften beim Aufbau seiner Streitkräfte zu unterstützen, damit sie selbstständig terroristische Bedrohungen eindämmen, die Bevölkerung schützen und für ein sicheres Umfeld sorgen können.
(Beifall bei Abgeordneten der SPD, des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN und der FDP)
Wenn wir hier im Parlament, meine Damen und Herren, über einen Auslandseinsatz sprechen, dann will ich zum Schluss betonen – das ist für unsere Soldatinnen und Soldaten wichtig; ich höre das immer wieder –: Der Respekt, den das Parlament seiner Parlamentsarmee zollt, wird sehr genau wahrgenommen – auch die Zwischentöne.
(Christine Aschenberg-Dugnus [FDP]: So ist es!)
Wer unter fordernden Bedingungen einen so anspruchsvollen Dienst leistet, verdient unsere volle Anerkennung. Unsere Männer und Frauen vor Ort leisten mit ihrem persönlichen Einsatz unter wirklich schwierigen Bedingungen einen ganz, ganz elementaren Beitrag für mehr Stabilität im Sahel und für die Sicherheit der Bevölkerung, und das seit Jahren. Dafür danke ich sehr herzlich.
(Beifall bei der SPD, dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und der FDP sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU)
Mein Dank gilt auch Ihnen, den Abgeordneten des Deutschen Bundestages, für Ihre Unterstützung unserer Bundeswehr bei jedem dieser Mandate. Dieser Einsatz im Niger hat diese Unterstützung aber eben auch verdient. Deshalb bitte ich Sie um Zustimmung zu diesem Mandat.
Vielen Dank.
(Beifall bei der SPD, dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und der FDP)
Das Wort hat der Abgeordnete Markus Frohnmaier für die AfD-Fraktion.
(Beifall bei der AfD)
Quelle | Deutscher Bundestag, Nutzungsbedingungen |
Quellenangabe | Deutscher Bundestag via Open Parliament TV |
Abgerufen von | http://dbtg.tv/fvid/7552575 |
Wahlperiode | 20 |
Sitzung | 96 |
Tagesordnungspunkt | Bundeswehreinsatz in Niger (EUMPM Niger) |