Florian HahnCDU/CSU - Bundeswehreinsatz in Niger (EUMPM Niger)
Sehr geehrte Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Der Sahel ist Epizentrum des globalen Terrorismus und der Organisierten Kriminalität sowie entscheidendes Scharnier illegaler Migration nach Europa. Dies ist bittere Erkenntnis und leider so aktuell wie nie zuvor. Auch wenn unser klarer Fokus bei der Bundeswehr derzeit richtigerweise auf Landes- und Bündnisverteidigung liegt, werden Stabilisierungs- und Ausbildungseinsätze zur Ertüchtigung lokaler Sicherheitskräfte in Krisenregionen wie der Sahelzone weitergehen; denn wir müssen unsere Sicherheitsinteressen dort vertreten, wo sie bedroht sind.
In Mali ist das nicht mehr möglich. Deshalb wäre es tatsächlich richtig, MINUSMA schon zum Jahresende zu beenden.
(Sara Nanni [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Haben Sie mal mit der Bundeswehr gesprochen?)
„Bis Mai 2024 in Mali bleiben macht unter den aktuellen Bedingungen überhaupt keinen Sinn“ –
(Ulrich Lechte [FDP]: Ihr wisst doch, dass man zwölf Monate Abzugszeit braucht!)
das haben Sie, Herr Bundesminister, so bereits am 30. Januar dieses Jahres nach dem Besuch im Einsatzführungskommando gesagt. Ich kann Ihnen nur sagen: Erkenntnis reicht hier nicht. Sie konnten sich offensichtlich nicht entsprechend gegen Ihre Kollegin, die Bundesaußenministerin, durchsetzen, obwohl Sie diese Erkenntnis hatten. Ich kann Ihnen, Frau Kollegin Baerbock, nur sagen: Wenn Ihre feministische Außenpolitik daraus besteht, dass Sie Soldatinnen und Soldaten der Bundeswehr länger als nötig in gefährlichen Einsätzen lassen, nur um bei den Vereinten Nationen das Gesicht zu wahren,
(Ulrich Lechte [FDP]: Wider besseres Wissen!)
dann lehnen wir als CDU/CSU diese Außenpolitik ab.
(Beifall bei der CDU/CSU – Ulrich Lechte [FDP]: Das ist Opposition pur, nicht faktenbasiert! – Zuruf der Bundesministerin Annalena Baerbock – Zuruf der Abg. Agnieszka Brugger [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN])
Der Kollege Wadephul hat richtig gefragt: Hat die Bundesregierung einen Plan für die Sahelregion? – Ich frage mich: Welche Interessen hat Deutschland denn vor Ort, und wie will man sie vertreten? Auch die Antwort darauf sind beide Minister heute schuldig geblieben. Ich sehe hier nur Flickschusterei, viel Stückwerk und viel Nebeneinander in einer für Europas Sicherheit wichtigen Weltregion.
Das beste aktuelle Beispiel dafür ist das Mandat für EUMPM in Niger, das heute eingebracht wird. Man kann nur überrascht sein – –
Kollege Hahn, ich habe die Uhr angehalten. Gestatten Sie eine Frage oder Bemerkung der Kollegin Brugger?
Frau Brugger, bitte schön.
Lieber Kollege Hahn, Frau Präsidentin, vielen Dank, dass Sie die Zwischenfrage zulassen. – Ich höre diese Leier jetzt schon länger,
(Dr. Johann David Wadephul [CDU/CSU]: Das ist keine Leier!)
dass wir keine abgestimmte Strategie in der Sahelregion haben. Im Gegenteil: Diese Regierung hat an ganz vielen Stellen Entscheidungen getroffen, hat zum Beispiel aufgrund der russischen Präsenz, der Menschenrechtsverletzungen und auch der mangelnden Erfolge und der Putsche die Ausbildung der malischen Armee eingestellt.
Was hat Ihre Verteidigungsministerin Annegret Kramp-Karrenbauer damals getan, als die Söldner aufgetaucht sind? Sie hat einen Tweet abgesetzt. Es ist monatelang nichts passiert; die Ausbildung ging weiter. Diejenigen, die keine Strategie für die Sahelregion hatten und haben, sind Sie. Ich vertraue der Bundeswehr bei der Abzugsplanung. Tun Sie es nicht, Herr Hahn?
(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der FDP)
Frau Kollegin, ich vertraue selbstverständlich unseren Soldatinnen und Soldaten. Es ist völlig klar, dass die Bundeswehr in der Lage ist, so einen Abzug nicht nur zu planen, sondern ihn auch tatsächlich – Sie behaupten, dass man dafür ein Jahr bräuchte –
(Ulrich Lechte [FDP]: Das sagt die Bundeswehr! Das wissen Sie ganz genau! Experte der Union angeblich!)
schneller durchzuführen. Das ist nämlich die Wahrheit.
In Wahrheit ist es so, dass Sie vor wenigen Monaten noch behauptet haben, wir müssten unbedingt bis Mai nächsten Jahres in Mali bleiben, um dort Wahlen abzusichern, obwohl Sie schon damals eigentlich wussten, dass sie aller Voraussicht nach überhaupt nicht stattfinden werden
(Zuruf von der SPD)
und dass dies im Übrigen auch im Hinblick auf den Abzugstermin ein großer Unsinn ist. Der letzte Soldat geht am Wahltag. Wie soll die Bundeswehr denn da Wahlen in einem überaus riesigen Land absichern, im Rahmen eines Einsatzes, der nur in Gao stationiert ist? – Das ist Ihre Außenpolitik, das ist Ihr falscher Ansatz, und das machen wir so nicht mit. Deswegen werden wir auch den Antrag, das Abzugsmandat für MINUSMA, so wie er jetzt ist, nicht mittragen. Das kann ich Ihnen schon mal versprechen.
(Beifall bei der CDU/CSU – Zuruf der Abg. Sara Nanni [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN])
Jetzt aber noch mal zurück zu dem Referentenentwurf – so würde ich das mal nennen – des neuen Mandats für den Einsatz in Niger. Das vorliegende Zuleitungsexemplar ist nicht nur lieblos gefertigt,
(Agnieszka Brugger [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Sollen da noch Herzchen drauf?)
sondern lässt auch eine Reihe von Fragen offen: Was geschieht mit dem Lufttransportstützpunkt der Bundeswehr in Niamey, wenn der MINUSMA-Einsatz beendet wird, und was bedeutet das dann für die neue Mission in Niger? Warum gibt es neben der mandatierten Mission weitere deutsche Soldaten im Niger, die vom Mandat nicht erfasst sind? Ist deren Bedrohungslage eine andere als die der Soldaten unter dem Mandat? Wie soll beispielsweise, falls notwendig, eine Evakuierung erfolgen? Und wie stellt sich die Bundesregierung vor, dass die sanitätsdienstliche Versorgung bei den Einsätzen im Norden sichergestellt wird? Die Einsatzorte der mobilen Trainingsteams der Bundeswehr sind durch die nigerische Regierung nicht definiert.
(Ulrich Lechte [FDP]: Nigrische!)
Das bedeutet, dass man im Niger noch nicht genau zu wissen scheint, wann man wo was machen möchte.
Vollkommenes Unverständnis habe ich für die Aussagen zur sanitätsdienstlichen Versorgung unserer Soldaten. Es ist die Rede davon, dass man sich auf die zivilen Einrichtungen in Niamey abstützen will.
(Dr. Johann David Wadephul [CDU/CSU]: Ja, Wahnsinn! Völlig unverantwortlich!)
Das kann ja wohl nicht wirklich wahr sein. Im Moment befindet sich auf dem Lufttransportstützpunkt Niamey noch Sanitätspersonal, das zur MINUSMA-Mission gehört. Warum werden die Soldaten der Niger-Mission nicht dort sanitätsdienstlich versorgt, und wie wird, falls das in der ersten Zeit doch der Fall sein sollte, die sanitätsdienstliche Versorgung der Soldaten sichergestellt, wenn MINUSMA beendet ist?
Wir als CDU/CSU halten den Einsatz grundsätzlich für denkbar; aber die Bundesregierung muss nacharbeiten. Wichtig sind – damit wir zustimmen können – klare Zielsetzungen, gute Rahmenbedingungen für unsere Soldaten und Soldatinnen vor Ort; denn das sind wir unseren Soldatinnen und Soldaten schuldig, die wir nach Niger schicken möchten.
(Beifall bei der CDU/CSU – Ulrich Lechte [FDP]: Herzlich willkommen in der Opposition!)
Ich schließe die Aussprache.
Quelle | Deutscher Bundestag, Nutzungsbedingungen |
Quellenangabe | Deutscher Bundestag via Open Parliament TV |
Abgerufen von | http://dbtg.tv/fvid/7552581 |
Wahlperiode | 20 |
Sitzung | 96 |
Tagesordnungspunkt | Bundeswehreinsatz in Niger (EUMPM Niger) |