19.04.2023 | Deutscher Bundestag / 20. WP / Sitzung 96 / Tagesordnungspunkt 4

Christina StumppCDU/CSU - Maßnahmen gegen Lebensmittelverschwendung

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Sehr geehrte Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Schlagzeilen produzieren, das kann unser Landwirtschaftsminister Özdemir; aber liefern tut er nicht. Gemeinsam mit Ihrem Kollegen Buschmann wollten Sie Anfang des Jahres das sogenannte Containern entkriminalisieren. Auf der Beliebtheitsskala der Menschen konnten Sie damit vermutlich Punkte sammeln. Die Arbeit hingegen sollten andere haben, nämlich die Justizminister der Länder. Die waren davon aber gar nicht begeistert. Ich zitiere einmal Minister Herbert Mertin aus Rheinland-Pfalz von der FDP. Den beschlich nämlich das Gefühl, bei einer strafrechtlichen Scharade mitzuwirken. Er stellte sofort klar, das Entwenden weggeworfener Lebensmittel aus Abfallcontainern bliebe ohne Gesetzesänderung weiterhin zumindest als Diebstahl strafbar. Zu Recht! Es kommt ja auch niemand auf die Idee, private Abfalltonnen für Mülltaucher freizugeben.

Was Sie den Menschen vor allem hätten sagen müssen, Herr Özdemir: Das Containern ist aus gesundheitlichen Gründen sehr bedenklich; denn in den Abfalltonnen landen schon der Umwelt und der Wirtschaftlichkeit zuliebe hauptsächlich Lebensmittel, die nicht mehr sicher sind. Diese können weder verkauft noch gespendet werden, weswegen sie vorwiegend Abfall sind. Deswegen steht auch ihr Inverkehrbringen unter Strafe. Wenn Sie bei den Menschen nun den Eindruck erwecken, die Lebensmittel aus der Tonne stünden zur unentgeltlichen Selbstbedienung bereit, dann gefährden Sie nicht nur deren Gesundheit, sondern stellen auch den Supermarkt wegen fahrlässiger Entsorgung vor ein haftungsrechtliches Problem.

(Beifall bei der CDU/CSU)

Noch ein Funfact – wir haben dezidiert nachgefragt –: Die Bundesregierung weiß nicht, in wie vielen Fällen bisher überhaupt Strafen wegen des Containerns verhängt wurden.

(Renate Künast [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Da muss man in den Bundesländern fragen!)

Herr Özdemir bauscht hier ein Problem auf, das gar keines ist.

Sinnvoll wäre es, meine Damen und Herren, sich ernsthaft um die Verwertung noch genießbarer und sicherer Lebensmittel zu kümmern. Im September letzten Jahres erklärte der Minister im Plenum:

Es geht um die Reduzierung der Lebensmittelverschwendung – … da führen wir Dinge der Vorgängerregierung fort und ergänzen sie jetzt um einige neue Maßnahmen …

Schön, dass er das damals noch einmal deutlich gemacht hat; denn in der Tat hat die unionsgeführte Bundesregierung in dieser Frage schon eine Menge getan.

(Beifall bei der CDU/CSU)

Ich nenne beispielhaft die Initiative „Zu Gut für die Tonne“, die Verbraucherinnen und Verbrauchern bereits seit 2012 zeigt, wie sie mit Lebensmitteln besser umgehen können. Neue Initiativen dieser Bundesregierung sehen wir aktuell aber nicht.

2019 haben wir die Nationale Strategie zur Reduzierung der Lebensmittelverschwendung beschlossen. Damit wollen wir die gesamten Lebensmittelabfälle bis 2030 halbieren. Wenn wir dieses Ziel erreichen wollen, müssen wir jetzt loslegen. Die Union packt das Thema mit dem heute vorliegenden Antrag direkt an. Unser klares Bekenntnis: Wir wollen die Lebensmittelverschwendung wirksam verringern, wir wollen Lebensmittelspenden fördern.

(Beifall bei der CDU/CSU – Renate Künast [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Da fängt schon der Fehler an!)

Um es noch mal deutlich zu sagen: In Deutschland ist es bisher so, dass der Handel dafür haftet, wenn er Lebensmittel nach Erreichen des Mindesthaltbarkeitsdatums in den Verkehr bringt. Das gilt auch dann, wenn die Lebensmittel verschenkt statt verkauft werden. Dieses Haftungsrisiko will verständlicherweise kaum ein Supermarkt oder Discounter eingehen. Die Ampelkoalition hat sich die Klärung haftungsrechtlicher Fragen zwar selbst in den Koalitionsvertrag geschrieben, unternimmt in dieser Hinsicht aber leider nichts. Deshalb fordern wir die Bundesregierung heute mit unserem Antrag auf, die kostenlose Weitergabe von Lebensmitteln an die Tafeln und andere soziale Einrichtungen zu vereinfachen, indem sie spendende Unternehmen vom Haftungsrisiko befreit.

(Beifall bei der CDU/CSU)

Wir alle wissen: Die Tafeln sind angesichts der extrem gestiegenen Lebensmittelpreise und des Flüchtlingszustroms an der Belastungsgrenze. Mit großem ehrenamtlichem Engagement arbeiten sie für einen sozialen Ausgleich, der eigentlich gar nicht zu ihren Aufgaben gehört. Dies gilt es wertzuschätzen und stärker zu unterstützen.

(Beifall bei der CDU/CSU)

Darüber hinaus wäre es eine große Erleichterung für die Tafeln, wenn ihre Fahrzeuge durch ein grünes Kennzeichen von der Kraftfahrzeugsteuer ausgenommen werden könnten.

(Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU – Artur Auernhammer [CDU/CSU]: So ist es!)

Meine Damen und Herren, wir müssen erstens – das ist das Allerwichtigste – dafür sorgen, dass Lebensmittelabfälle gar nicht erst entstehen. Hier sind sämtliche Akteure der Lieferkette, insbesondere aber auch wir als Verbraucherinnen und Verbraucher gefordert.

(Zuruf des Abg. Dr. Gero Clemens Hocker [FDP])

Denn mit 59 Prozent fällt der größte Teil der Abfälle in privaten Haushalten an. So landen jährlich pro Bundesbürger unter anderem 27 Kilo Obst und Gemüse, 10 Kilo Brot, ja sogar 5 Kilo Chips und Süßigkeiten im Müll.

Wir müssen deshalb, zweitens, das Mindesthaltbarkeitsdatum noch einmal verstärkt ins Bewusstsein der Menschen rücken. Die EU-Kommission plant hierzu bereits eine Reform. Hier muss sich die Bundesregierung dafür einsetzen, den Unterschied zwischen Verbrauchs- und Mindesthaltbarkeitsdatum besser verständlich zu machen. Auch der Hinweis „Oft länger gut“ oder „Mindestens haltbar bis, aber nicht schlecht nach diesem Datum“ sollte ergänzt werden.

Auch fordern wir, bei der EU darauf hinzuwirken, die Ausnahmen von der Pflicht einer MHD-Kennzeichnung weiter auszuweiten; denn insbesondere trockene Lebensmittel wie Reis oder Nudeln können bei richtiger Lagerung faktisch nicht schlecht werden. Leider wird nach Ablauf des Datums noch viel zu viel davon weggeschmissen.

Meine Damen und Herren, zu guter Letzt – das ist der dritte Punkt – müssen wir die Datenbasis verbessern. Wir brauchen Zahlen, Daten, Fakten zur Lebensmittelverschwendung, und zwar entlang der gesamten Wertschöpfungskette. Hierfür fordern wir die Einrichtung einer bundesweit zuständigen Kompetenzstelle. Nur so können die Daten systematisch und sektorübergreifend erfasst und Verbesserungen sichtbar gemacht werden.

Abschließend – da dürfen wir uns nichts vormachen – braucht es dafür unsere Bürgerinnen und Bürger; denn nur mit Bewusstsein und mehr Wertschätzung für Essen und für unsere Produkte helfen wir den Erzeugern und leisten wir im Sinne der Nachhaltigkeit auch der Umwelt zuliebe einen großen Dienst.

Vielen Dank.

(Beifall bei der CDU/CSU)

Für die SPD-Fraktion hat nun die Kollegin Rita Hagl-Kehl das Wort.

(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)


Daten
Quelle Deutscher Bundestag, Nutzungsbedingungen
Quellenangabe Deutscher Bundestag via Open Parliament TV
Abgerufen von http://dbtg.tv/fvid/7552584
Wahlperiode 20
Sitzung 96
Tagesordnungspunkt Maßnahmen gegen Lebensmittelverschwendung
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