19.04.2023 | Deutscher Bundestag / 20. WP / Sitzung 96 / Tagesordnungspunkt 4

Luiza Licina-BodeSPD - Maßnahmen gegen Lebensmittelverschwendung

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Sehr geehrte Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Kommen wir wieder zu den Anträgen. Heute liegen uns gleich zwei Anträge zum wichtigen Thema der Vermeidung von Lebensmittelverschwendung vor. Die Ampel hat sich das – es wurde schon gesagt – in den Koalitionsvertrag geschrieben. Wir wollen natürlich mit allen Beteiligten in der Kette die Lebensmittelverschwendung verbindlich reduzieren, haftungsrechtliche Fragen klären und genauso prüfen, ob steuerrechtliche Erleichterungen für Spenden möglich sind. Das ist rechtlich höchst kompliziert. Das braucht seine Zeit, und die nimmt sich das Ministerium auch zu Recht. 16 Jahre werden es nicht werden; darauf muss ich hinweisen.

2019 hat das BMEL ja bereits die Nationale Strategie zur Reduzierung der Lebensmittelverschwendung vorgelegt; das Ziel bleibt auch weiterhin bestehen. Verpflichtende Maßnahmen werden durch das BMEL zusammen mit den Stakeholdern in den Dialogforen geprüft und entsprechende Maßnahmen erarbeitet.

Zu den Sektoren gehören die Primärproduktion, die Verarbeitung, der Groß- und Einzelhandel, die Außer-Haus-Verpflegung und auch die privaten Haushalte. Ihre Ministerin hat ja, wie gesagt, drei Jahre mit ihrem Ministerium an diesem Thema gearbeitet und sich daran versucht. Jetzt werden wir das Thema am Ende umsetzen.

Vor dem Hintergrund, dass 59 Prozent der Lebensmittelverschwendung in privaten Haushalten stattfindet und nur 7 Prozent im Handel, ist meines Erachtens auch das Anti-Wegwerf-Gesetz, das wir in diesem Zusammenhang immer wieder mal diskutieren, nicht zielführend. Am Ende ist dies keine Lösung für das Problem, weil der Schwerpunkt der Lebensmittelverschwendung in den Privathaushalten liegt und gesetzliche Maßnahmen zur deutlichen Reduzierung der Lebensmittelverschwendung in dieser Lebensmittelversorgungskette nicht ausreichen würden. Es sind die Privathaushalte, die mit Lebensmitteln verantwortungsvoller umgehen müssen. Da müssen wir uns alle, wie man so schön sagt, an die eigene Nase fassen und zu Hause mal hinschauen, was tatsächlich noch essbar ist und was wirklich in den Mülleimer gehört.

Bei der Außer-Haus-Verpflegung haben wir das gleiche Problem. Man beobachtet, dass die Portionen bei der Außer-Haus-Verpflegung immer größer werden. Da ist auch die Frage, ob es sein muss, dass am Ende die Hälfte im Müll landet.

Wir brauchen auch keine neue Bürokratie. In den Anträgen ist die Rede von „Berichtspflichten“, von „Monitoring“, von „Kompetenzstellen“. Ich bin ganz erstaunt, was da alles an Ideen auftaucht; denn im Rahmen der regelmäßigen EU-Berichterstattung wird das Aufkommen an Lebensmittelabfällen ja bereits ermittelt und auch an die EU-Kommission weitergeleitet.

Der Petitionsausschuss des Bundestages hat sich im November 2022 mit der öffentlichen Petition für ein gesetzliches Lebensmittelwegwerfverbot befasst und ist am Ende auch zu dem Ergebnis gekommen, dass eine gesetzliche Regelung nicht zielführend ist.

Ich erinnere auch an Initiativen, die es bereits gibt, die noch aus Ihrer Zeit stammen, zum Beispiel „Zu gut für die Tonne!“. Das ist zum einen ein Preis für herausragende Projekte und zum anderen eine öffentlichkeitswirksame Initiative,

(Zuruf der Abg. Christina Stumpp [CDU/CSU])

um einfach auch das Bewusstsein der Verbraucherinnen und Verbraucher zu schärfen, welche Lebensmittel noch genießbar sind und welche nicht.

Ich komme zu einzelnen Punkten in Ihrem Antrag. Sie fordern, dass zum Beispiel Schulen entsprechende Aufklärungsarbeit leisten sollen. Das ist Länderzuständigkeit. Wir sind nicht diejenigen, die das regeln können. Aber in den Ländern machen das die verantwortungsvollen Schulen und Kindergärten ja bereits. Sie weisen die Schüler/-innen und Kinder auf die Problematik hin.

Es werden zu Recht haftungsrechtliche Freistellungen gefordert, wenn Unternehmen oder gemeinnützige Institutionen Lebensmittel weitergeben. Das ist aber nicht schlüssig. Denn rechtlich betrachtet, muss ich am Ende auch eine Antwort darauf geben, wer bei auftretenden Gesundheitsschäden oder vielleicht auch bei Schlimmerem verantwortlich ist. Deshalb ist das schwierig.

Es ist auch nachvollziehbar und ein guter Ansatz, dass Sie fordern, Kraftfahrzeuge der Tafeln von der Kfz-Steuer zu befreien. Allerdings würde das natürlich aus rechtlichen Erwägungen heraus bedeuten, dass wir für den gesamten, ich sage mal, gemeinnützigen Organisationsbereich über eine solche Maßnahme nachdenken müssten. Ansonsten wäre das eine rechtswidrige Ungleichbehandlung. Da würden dann ganz viele andere auch gerne auf diesen Zug aufspringen. Aus haushaltsrechtlichen Gründen weiß ich nicht, ob wir da zusammenkommen können.

Als Fazit kann man feststellen, dass es im Umgang mit Lebensmitteln vor allem bei uns allen und bei Ihnen, liebe Zuschauerinnen und Zuschauer, Verhaltensänderungen braucht, da der Schwerpunkt der Lebensmittelverschwendung in den Privathaushalten liegt. Wir können auch mit Aufklärungskampagnen zukünftig dafür sorgen, dass wir vielleicht noch mal über das Mindesthaltbarkeitsdatum nachdenken.

Ich komme zum Schluss. Ihre Anträge sind ein Sammelsurium aus vielen Ideen und viel Bürokratie. Es steckt viel Gutes und auch Interessantes darin, aber eben auch nicht so Gutes. Deshalb lehnen wir Ihre Anträge ab.

Vielen Dank.

(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN und des Abg. Dr. Gero Clemens Hocker [FDP])

Ich schließe die Aussprache.


Daten
Quelle Deutscher Bundestag, Nutzungsbedingungen
Quellenangabe Deutscher Bundestag via Open Parliament TV
Abgerufen von http://dbtg.tv/fvid/7552592
Wahlperiode 20
Sitzung 96
Tagesordnungspunkt Maßnahmen gegen Lebensmittelverschwendung
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