20.04.2023 | Deutscher Bundestag / 20. WP / Sitzung 97 / Tagesordnungspunkt 8

Michael SchrodiSPD - Untersuchungsausschuss - Warburg Bank

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Sehr geehrte Frau Präsidentin! Meine sehr geehrten Damen und Herren! In Deutschland ist der Steuervollzug Aufgabe der Länder.

(Thorsten Frei [CDU/CSU]: Da kann aber jeder machen, was er will! – Zuruf des Abg. Michael Frieser [CDU/CSU])

Zum Steuerfall „Warburg Bank“ gibt es deshalb seit zweieinhalb Jahren einen Untersuchungsausschuss, und zwar dort, wo er hingehört: in Hamburg. Dort wurden alle relevanten Zeugen vernommen, alle Akten gesichtet,

(Michael Frieser [CDU/CSU]: Falsch!)

alle Fragen gestellt und beantwortet.

(Dr. Bernd Baumann [AfD]: Nee! – Weiterer Zuruf von der AfD: Steile These!)

Das Ergebnis nach diesen zweieinhalb Jahren ist eindeutig: An all diesen Unterstellungen – Herr Middelberg, keine neue Indizien – ist nichts dran. Es gab keine Verfehlungen der zuständigen Hamburger Behörden. Es gab keine politische Einflussnahme.

(Zuruf des Abg. Dr. Günter Krings [CDU/CSU])

Es gibt keinen finanziellen Schaden. Kein Steuergeld ist verloren gegangen.

(Thorsten Frei [CDU/CSU]: Weil der Bund sie gezwungen hat!)

Auch wenn Ihnen das politisch überhaupt nicht schmeckt: Nehmen Sie das zur Kenntnis, meine sehr geehrten Damen und Herren!

(Beifall bei der SPD sowie des Abg. Maximilian Mordhorst [FDP] – Thorsten Frei [CDU/CSU]: Das Bundesfinanzministerium ist tätig geworden!)

Dennoch will die CDU/CSU einen nahezu identischen Untersuchungsausschuss im Bundestag einrichten. Es ist offensichtlich: Der CDU/CSU geht es nicht um Erkenntnisgewinn, sondern um reine Stimmungsmache gegen Bundeskanzler Olaf Scholz.

(Zuruf von der CDU/CSU: Blödsinn!)

Beim intensiven Durchlesen Ihres Antrags stellt sich schon die Frage: Was wollen Sie eigentlich wirklich Neues untersuchen? Da gibt es nämlich wenig bis gar nichts, auch in Ihrem Antrag nicht. Um es an drei Beispielen konkret zu machen:

(Zuruf des Abg. Dr. Günter Krings [CDU/CSU])

Die Union will vermeintlich klären, ob es eine politische Einflussnahme auf ein Steuerverfahren in Hamburg gab.

(Thomas Rachel [CDU/CSU]: So ist es!)

Der Parlamentarische Untersuchungsausschuss in Hamburg hat sich damit intensiv beschäftigt und auch Antworten geliefert. Ich zitiere als Erinnerungsstütze für Sie aus dem „Hamburger Abendblatt“ vom 18. Juni 2021:

(Peter Beyer [CDU/CSU]: Oh, das ist ja ganz neu!)

Die frühere Leiterin des Hamburger Finanzamts für Großunternehmen … hat im Parlamentarischen Untersuchungsausschuss … am Freitagabend betont, dass … es keine politische Einflussnahme gab.

(Thorsten Frei [CDU/CSU]: Ach nein?)

Wen und was wollen Sie dazu eigentlich noch fragen, meine sehr geehrten Damen und Herren?

(Beifall bei der SPD sowie der Abg. Dr. Irene Mihalic [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN] und Maximilian Mordhorst [FDP] – Lachen bei Abgeordneten der CDU/CSU – Thorsten Frei [CDU/CSU]: Wenn es so einfach wäre!)

Beispiel zwei. Sie wollen vermeintlich wissen, wer die Verantwortung trägt – so schreiben Sie es – „für etwaige politische Entscheidungen mit erheblichen finanziellen Folgen“.

(Dr. Mathias Middelberg [CDU/CSU]: Ganz genau!)

Allein, es gab und gibt keinen finanziellen Schaden. Das wissen Sie auch ganz genau.

(Thorsten Frei [CDU/CSU]: Aber nur weil sich das Bundesfinanzministerium eingeschaltet hat! – Weitere Zurufe von der CDU/CSU)

Es gab auch nie die Gefahr einer Verjährung; auch die gab es nicht. Es gab im Hamburger Finanzamt die Frage, inwieweit die Rückforderung der Warburg Bank 2016

(Dr. Mathias Middelberg [CDU/CSU]: Er ist nicht auf der Höhe des Rechtsstaats!)

rechtlich durchsetzbar ist, und die Entscheidung, diese Gelder vorerst nicht zurückzufordern.

(Zuruf des Abg. Kay Gottschalk [AfD])

Der damalige Staatsanwalt in Köln, der die Ermittlungen gegen die Warburg Bank führte, war über diese Vorgänge informiert und betonte im Hamburger Untersuchungsausschuss, er sei mit der Entscheidung der Hamburger Finanzbehörden – Zitat – „absolut d’accord“ gewesen. Nach der juristischen Klärung durch das Landgericht Bonn im März 2020 hat die Hamburger Steuerverwaltung die Gelder auch sofort zurückgefordert, sogar mit finanziellem Gewinn, weil es noch entsprechende Verzugszinsen gab. Es ist alles schon bekannt, auch über die Zeitungen. Wen oder was wollen Sie hierzu überhaupt noch fragen, meine sehr geehrten Damen und Herren?

(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN und der FDP)

Zuletzt Beispiel drei. Sie wollen wissen, ob es vermeintliche Widersprüche in den Aussagen von Olaf Scholz gab.

(Zuruf des Abg. Gunther Krichbaum [CDU/CSU])

Also hierzu, liebe Kolleginnen und Kollegen, waren am Freitag letzter Woche zwölf Bundestagsabgeordnete im Hamburger Untersuchungsausschuss. Die „SZ“ vom 14. April 2023 schreibt:

Die Befragung zur Befragung … erstreckt sich an diesem Freitag über mehrere Stunden, die Eindrücke der Zeugen decken sich in wesentlichen Punkten. Scholz habe im Finanzausschuss betont, dass zum Fall alles bekannt sei, über die Berichterstattung hinaus könne er keine Auskunft geben.

(Zurufe der Abg. Thorsten Frei [CDU/CSU] und Gunther Krichbaum [CDU/CSU])

Auch die Generalstaatsanwaltschaft sieht keinen Anfangsverdacht wegen vermeintlicher Falschaussage von Olaf Scholz.

(Zuruf des Abg. Matthias Hauer [CDU/CSU])

Ergo: Auch hier nichts, kein Widerspruch! Wen oder was wollen Sie hier eigentlich noch fragen, meine sehr geehrten Damen und Herren?

(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN und des Abg. Maximilian Mordhorst [FDP] – Zuruf des Abg. Kay Gottschalk [AfD])

Es könnten noch weitere solcher in Fragen gekleideter Unterstellungen aus Ihrem Antrag aufgezählt werden, die längst aufgeklärt und widerlegt sind.

Übrigens, zu der Frage, Herr Middelberg, ob es Ihnen tatsächlich um Erkenntnisgewinn geht: Es gab 2020 drei Sitzungen des Finanzausschusses des Deutschen Bundestages, in denen Olaf Scholz

(Zuruf des Abg. Michael Frieser [CDU/CSU])

genau zu dem Thema Rede und Antwort stand.

(Lachen bei der CDU/CSU – Zuruf des Abg. Thorsten Frei [CDU/CSU])

Herr Hauer, Sie gerieren sich hier als Chefaufklärer.

(Dr. Mathias Middelberg [CDU/CSU]: Danach hat Ihre Ministerin Frau Paus geschrieben, er sei ein Lügner!)

Damals hatten Sie die große Gelegenheit, Fragen zu stellen. Und was war?

(Dr. Mathias Middelberg [CDU/CSU]: Das ist doch ein Lacher!)

In der Sitzung am 3. April, Herr Hauer, haben Sie keine einzige Frage gestellt.

(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN und des Abg. Maximilian Mordhorst [FDP] – Lachen bei Abgeordneten der CDU/CSU – Zuruf des Abg. Kay Gottschalk [AfD])

In der Sitzung am 1. Juli haben Sie keine einzige Frage gestellt.

(Matthias Hauer [CDU/CSU]: Ach!)

Auch in der Sitzung am 9. September – sagen Sie es selber! – haben Sie keine einzige Frage gestellt.

(Dr. Mathias Middelberg [CDU/CSU]: Der Drückeberger-Kanzler musste weg!)

Ihr Interesse und das Ihrer Kollegen an dem Thema war sehr begrenzt, bis Olaf Scholz zum Kanzlerkandidaten der SPD ausgerufen wurde. Dann wurde das für Sie ein politisches Thema. Seitdem wiederholen Sie falsche, längst widerlegte Unterstellungen, um Stimmung zu machen – damals gegen den Kanzlerkandidaten der SPD, jetzt gegen den Bundeskanzler. Und das wird Ihnen wieder nicht gelingen, meine sehr geehrten Damen und Herren.

(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN und der FDP – Zuruf des Abg. Kay Gottschalk [AfD])

Noch zu einer letzten relevanten Frage. Das Instrument „Untersuchungsausschuss“ ist ein wichtiges Element der parlamentarischen Kontrolle der Bundesregierung und ein wichtiges Minderheitenrecht der Opposition. Es ist daher übrigens wenig geeignet für politische Instrumentalisierung und Klamauk.

(Lachen des Abg. Patrick Schnieder [CDU/CSU])

Dieses Recht auf Untersuchung hat jedoch auch verfassungsrechtliche Grenzen. Wenn sich, wie in Ihrem Antrag, überwiegende Teile des Untersuchungsauftrags auf das Handeln der Freien und Hansestadt Hamburg beziehen, dann drängt sich geradezu die Frage auf, inwieweit Teile Ihres Untersuchungsauftrags und die Fragen von unserer Verfassung überhaupt noch gedeckt sind. Denn die Regierungs- und Verwaltungskontrolle des Parlaments – ein wichtiges Recht –, wie zum Beispiel ein Untersuchungsausschuss, hat das Verhalten der eigenen Exekutive zum Gegenstand. Der Bundestag kontrolliert die Bundesregierung. Die Regierungen der anderen Gebietskörperschaften unterliegen der Kontrolle ihrer Parlamente. Genau so wurde es übrigens auch bei der Einsetzung des Cum-ex-Untersuchungsausschusses 2016 von CDU/CSU und SPD gemeinsam formuliert. Ich mache es Ihnen mal griffiger: Die Maskendeal-Affäre des bayerischen Ministerpräsidenten Markus Söder

(Lachen des Abg. Michael Frieser [CDU/CSU])

wird deshalb nicht im Deutschen Bundestag,

(Thorsten Frei [CDU/CSU]: Hä?)

sondern im Bayerischen Landtag aufgeklärt.

(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN und der FDP)

Da gibt es übrigens mehr zu untersuchen und zu holen als hier.

(Abg. Kay Gottschalk [AfD] meldet sich zu einer Zwischenfrage)

Es lässt sich also abschließend sagen: Inwieweit die Ausweitung des Untersuchungsverfahrens auf eine rein Hamburger Angelegenheit einen verfassungsrechtlichen Eingriff in deren staatliche Hoheit bedeutet, scheint mir die allererste Frage zu sein, die der Geschäftsordnungsausschuss, an den wir heute den Antrag der CDU/CSU überweisen, wird klären müssen, meine sehr geehrten Damen und Herren. Allen weiteren Schritten sehen wir gelassen und mit großem Vertrauen entgegen.

(Alexander Dobrindt [CDU/CSU]: Peinlicher Ablenkungsversuch!)

Vielen Dank.

(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN und der FDP – Zuruf des Abg. Matthias Hauer [CDU/CSU])

Bevor ich den nächsten Redner aufrufe, gibt es eine Kurzintervention aus der AfD-Fraktion. – Herr Kollege, Sie haben das Wort.


Daten
Quelle Deutscher Bundestag, Nutzungsbedingungen
Quellenangabe Deutscher Bundestag via Open Parliament TV
Abgerufen von http://dbtg.tv/fvid/7552662
Wahlperiode 20
Sitzung 97
Tagesordnungspunkt Untersuchungsausschuss - Warburg Bank
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