Jens BeeckFDP - Förderung eines inklusiven Arbeitsmarkts
Hochverehrte Frau Präsidentin! Herr Bundesminister Heil! Sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen! Wenn ich jetzt nur eine Minute weniger habe als die Kollegin Corinna Rüffer, wie es vorhin auf der Anzeigetafel stand, und die Zeit für die Antwort auf die Zwischenfrage des geehrten Kollegen Hubert Hüppe einbeziehe, dann weiß ich gar nicht, ob ich die Redezeit gefüllt kriege.
Lieber Hubert Hüppe, was war der Ansatz dieser Intervention? War es, darauf hinzuweisen, dass sich die drei Partner der Fortschrittskoalition dem Kern dieses guten Gesetzentwurfs aus unterschiedlichen Perspektiven genähert haben? Das ist dir gelungen; das wusste aber vorher auch jeder. Das Entscheidende daran ist – das ist übrigens tatsächlich das Wesentliche, weswegen ich dabei bleibe, dass das hier ein großer Wurf ist –: Wir haben uns auf die wesentlichen, die funktionierenden Dinge verständigt; die stehen drin.
Sie sind schon genannt worden: Wir befreien beispielsweise das Budget für Arbeit von der Begrenzung, da diese ungerechtfertigterweise davon ausgeht, dass Menschen, die das Budget für Arbeit beziehen, nur einen relativ geringen Lohn bekommen, sondern machen den Zuschuss unbegrenzt. Wir bekommen mehr Mittel durch die Ausgleichsabgabe. Diese Mittel der Ausgleichsabgabe machen wir außerdem auch noch gängiger, weil die Maßnahmen – erstens – nur noch für den ersten Arbeitsmarkt zur Verfügung gestellt werden und weil – zweitens – die entsprechenden Anträge an das Integrationsamt jetzt, falls sie wegen bürokratischer Fragen nicht hinreichend schnell bearbeitet werden, nach sechs Wochen als genehmigt gelten. Auch das führt zur Gängigkeit. Das ist der entscheidende Unterschied dieses Gesetzes zu früheren.
Hier hast du, lieber Hubert Hüppe, leider gezeigt, dass du noch in der alten Welt bist. Wir gehen weg von ideologischen Diskussionen. Wir gehen weg von Instrumenten, die nicht funktionieren
(Beifall bei der FDP sowie des Abg. Dr. Martin Rosemann [SPD])
und die im Übrigen mittlerweile auch rechtlich extrem angreifbar sein dürften. Auch das wird von niemandem bestritten, übrigens auch nicht von den Sachverständigen, auf die du Bezug genommen hast. Franz Josef Düwell ist ein uns allen bekannter und von uns allen hochgeschätzter Sachverständiger. Aber auch er kann nicht bestreiten, dass diese Ordnungswidrigkeit für Arbeitgeber bei nahezu 300 000 Pflichtarbeitsplätzen, die zu besetzen sind, und nur 180 000 bis 190 000 Menschen mit Schwerbehinderung, die dafür infrage kommen, nicht abwendbar ist. Deswegen ist sie rechtlich auch so schwer umzusetzen, wie sich das in der Vergangenheit gezeigt hat.
Wir machen das Gegenteil. Kollegin Rüffer hat völlig recht: Wir werden sehen, dass dieser Gesetzentwurf echte Erfolge bei der Integration von Menschen mit Teilhabebedarf im Arbeitsmarkt bringt. Ich bin sehr stolz darauf, dass wir das trotz aller unterschiedlichen Perspektiven gemeinsam geschafft haben, und ich freue mich darauf, dass wir das so umsetzen werden.
(Beifall bei der FDP, der SPD und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)
Ich will noch mal zu dieser Bußgeldvorschrift kommen. Das ist wie so oft ein Reflex: Man soll sich doch nicht freikaufen dürfen oder Ähnliches. Ich habe gerade darauf hingewiesen: Diese Vorschrift hat in der Vergangenheit nie funktioniert. Es ist bei dem jetzigen Auseinanderlaufen der Zahl von Menschen mit Schwerbehinderung, die einen Arbeitsplatz suchen, sogar des Umfangs der Unterbeschäftigung und der Zahl der Pflichtarbeitsplätze überhaupt nicht mehr erkennbar, wie man dieser Vorschrift als Arbeitgeber nachkommen könnte, wenn man denn nur wollte. Deswegen schaffen wir sie ab.
Dafür bringen wir deutlich mehr Geld in die direkte Unterstützung des Matchings. Alles, was hier an Kritik kommt, ist eigentlich, erstens, ein bisschen vorhersehbar und, zweitens, nicht überzeugend. Die Linke wird gleich sagen: Die Ausgleichsabgabesätze müssen wir überall noch mal fast verdoppeln. – Tatsächlich ist es aber so, dass wir in der Vergangenheit bis auf ein einziges, glaube ich, Integrationsamt überall genug Geld hatten. Wir haben es nur nicht auf der Straße gekriegt. Mit den entbürokratisierenden Maßnahmen, die wir in unserem Gesetz haben, sorgen wir dafür, dass das künftig nicht mehr passiert, sondern dass wir es schaffen, selbst dann, wenn die Bearbeitung nicht rechtzeitig fertiggestellt ist, die Anträge als genehmigt anzusehen und damit das Matching zusammenzubringen; das ist ganz wesentlich.
Ich will noch auf einen Punkt hinweisen, den wir mit diesem Gesetz auch noch umsetzen; das ist noch gar nicht genannt worden. Die VersMedV muss dringend angepasst werden. Denn die Frage „Wie ist ein Grad der Behinderung, ein Grad der Schädigung eigentlich einzuschätzen?“ muss sich sowohl an neuen medizinischen als auch an gesellschaftlichen Fragen ausrichten. Das ist in der Vergangenheit nicht immer gelungen. Wir sind da als Bundestag nur sehr begrenzt in der Pflicht. Die Pflicht, die wir an der Stelle haben, nämlich die der Beteiligung von Menschen mit Behinderung im Sachverständigenbeirat bei der Neuausrichtung des Beirates, erfüllen wir. Ich hoffe sehr, dass die Länder ihrer Verantwortung gerecht werden und uns auch an dieser Stelle endlich ein entscheidendes Stück voranbringen.
Abschließend darf ich sagen: Natürlich wissen wir, dass das eine oder andere noch offen ist; auch das ist keine neue Erkenntnis. Man kann bei einem Koalitionsvertrag, der Inklusionspolitik so stark wie noch nie zuvor betont, nicht alle Vorhaben in einem Gesetz umsetzen. Daher werden wir hier auch weiterhin etwas tun.
Abschließend. Lieber Hubert Hüppe, du hast recht mit den Sachverständigen. „ Wat lernt uns dat?“, wie man bei mir im Emsland fragen würde. Auch nach einer Sachverständigenanhörung ist man nicht zwingend schlauer als vorher. Im Übrigen: Vielleicht lernen wir ja auch voneinander. In einem Jahr ziehen wir gemeinsam Bilanz, und dann – da bin ich sicher – sind wir alle sehr zufrieden.
Vielen Dank.
(Beifall bei der FDP, der SPD und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)
Das Wort hat der Kollege Sören Pellmann für die Fraktion Die Linke.
(Beifall bei der LINKEN)
Quelle | Deutscher Bundestag, Nutzungsbedingungen |
Quellenangabe | Deutscher Bundestag via Open Parliament TV |
Abgerufen von | http://dbtg.tv/fvid/7552755 |
Wahlperiode | 20 |
Sitzung | 97 |
Tagesordnungspunkt | Förderung eines inklusiven Arbeitsmarkts |