Katja AdlerFDP - Corona-Bericht Gesundheit Kinder und Jugendliche
Es ist immer wieder anstrengend, nach der AfD reden zu müssen.
(Martin Reichardt [AfD]: Das ist eine Ehre!)
Sehr geehrte Frau Präsidentin! Werte Kolleginnen und Kollegen! Am 8. April endeten die letzten Coronaschutzmaßnahmen – ein Ende, das gleichzeitig ein Beginn der Aufarbeitung sein muss, einer Aufarbeitung, die für mich insbesondere als Kinder- und Jugendpolitikerin dringend notwendig ist.
(Beifall bei der FDP sowie bei Abgeordneten der SPD)
Denn es geht dabei um die rund 14 Millionen Kinder und Jugendlichen im Land, die wir in der Coronapandemie nahezu völlig aus den Augen verloren haben. Bei durchschnittlich 38 Wochen Schulschließung haben wir ihnen 190 Tage lang den Zugang zu sozialen Kontakten verwehrt, ihr Recht auf Bildung vernachlässigt und sind ihrem besonderen Bedürfnis nach Schutz vor Gewalt und sexuellem Missbrauch zu wenig nachgekommen.
Für uns alle war dieses Virus, war diese Pandemie neu, und wir alle haben in den vergangenen drei Jahren gemeinsam viel gelernt. Was wir nun brauchen, ist der Blick nach vorne. Den kann es aber nur geben, wenn wir zurückschauen und wenn wir vor allem auf die Auswirkungen schauen,
(Bernd Schattner [AfD]: Und auf die Schuldigen!)
die Corona und die Schutzmaßnahmen bei unseren Kindern und Jugendlichen verursacht haben.
Der vorliegende Bericht hat diese Auswirkungen klar benannt. Studien berichten über teilweise deutliche Anstiege bei ärztlichen Diagnosen wie Essstörung, Depression und Angststörung. Vor der Coronapandemie haben zwei von zehn Kindern über psychische Belastungen berichtet; Ende 2020 waren es fünf von zehn Kindern. Also jedes zweite Kind hat von psychischen Belastungen berichtet! Der Body-Mass-Index bei Kindern und Jugendlichen ist ebenfalls signifikant angestiegen, wobei die unter 13-Jährigen eine besonders hohe Gewichtszunahme aufweisen, was nicht überraschen dürfte: Hat doch der Medienkonsum in dieser Zeit Rekordhöhen erreicht und waren auch Sportvereine geschlossen und teilweise sogar die Spielplätze gesperrt, durch Absperrbänder der Polizei gesichert. Und nicht jedes Kind hat automatisch auch ein eigenes Kinderzimmer oder einen gesicherten Zugang zu einem eigenen Garten mit einem eigenen Trampolin oder Sandkasten.
Und wenn Sie, Herr Lauterbach, am 10. Januar 2022 bei „Hart aber fair“ einen Zusammenhang zwischen Schulschließungen und Zunahme psychischer Störungen bei Kindern negiert haben, so war dies eine klare Fehleinschätzung. Diese Störungen stehen mit den coronabedingten Restriktionen und den Schulschließungen im unmittelbaren Zusammenhang,
(Beifall bei Abgeordneten der FDP – Zuruf der Abg. Leni Breymaier [SPD])
wie dieser Bericht zeigt und Sie, Herr Lauterbach, Ende des Jahres auch eingeräumt haben.
Wie können wir nun helfen? Ziel ist es – da sind sich alle Beteiligten einig –, Kindern und Jugendlichen ein gutes und ein gesundes Aufwachsen zu ermöglichen. Dies kann durch die Vernetzung der fünf Handlungsfelder Frühe Hilfen, Kindertagesbetreuung, Schulen, Gesundheitswesen, Jugend- und Familienhilfe gelingen – mit dauerhaften, flächendeckenden Angeboten, die das gewaltfreie Aufwachsen ebenso fördern wie die sprachliche, motorische und sozial-emotionale Entwicklung. An den Schulen werden wir ab dem Schuljahr 2023/24 in einem Modellprogramm des Bundesfamilienministeriums Mental Health Coaches einsetzen, um in Fragen zur mentalen Gesundheit und bei akuten psychischen Krisen frühzeitig zu unterstützen.
Eine Psychologin aus Bad Homburg, meinem Wahlkreis, berichtet, dass sie zwar mehr denn je arbeitet, es trotzdem aber nicht reicht, weil täglich fünf bis sechs Menschen anrufen, die einen Therapieplatz benötigen. Sie kann diese aber nicht bedienen, insbesondere auch deswegen, weil Kinder und Jugendliche in der Regel wegen ihrer schulischen Verpflichtungen nur am Nachmittag kommen können.
Frau Adler, gestatten Sie eine Zwischenfrage oder Zwischenbemerkung aus der AfD-Fraktion?
Nein.
(Lachen bei Abgeordneten der AfD)
In eine Situation zu geraten, in der nur noch Kinder mit Suizidversuchen Hilfe finden, muss dringend – da gehe ich von allgemeinem Konsens aus – vermieden werden.
Nach vorne zu blicken, heißt auch, zu erinnern, um zu erkennen, was künftig vermieden werden muss. Hier bitte ich, Herrn Lauterbach zitieren zu dürfen. Herr Lauterbach schrieb am 4. Mai 2020 auf Twitter:
Regulärer Unterricht fällt für mindestens 1 Jahr aus. Das kann jetzt als epidemiologisch sicher gelten. Daran ändern weder Apps noch Masken etwas.
Neben Epidemiologie muss aber immer auch Psychologie und mindestens Kinder-, Jugend- und Sozialpolitik mitgedacht werden. Das wurde seit 2020 leider klar versäumt. Wir Freien Demokraten hatten bereits aber der zweiten Welle auf die Rechte der Kinder und Jugendlichen hingewiesen
(Martin Reichardt [AfD]: Ja, aber nur hingewiesen!)
und wollten Schulschließungen vermeiden.
(Maria Klein-Schmeink [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Wir auch!)
Diese Pandemie war sicherlich nicht die letzte,
(Enrico Komning [AfD]: Aha! Schon wieder was in Planung?)
aber sie muss die letzte sein mit solch massiven und teilweise unverhältnismäßigen, ja, schädigenden Einschränkungen.
(Beifall bei der FDP)
Ich bin nicht nur Politikerin, ich bin auch Lobbyistin für unsere Kinder und Jugendlichen. Es wäre gut, könnte das der eine oder andere Politiker mehr bei seinen künftigen Entscheidungen ähnlich sehen.
Herzlichen Dank.
(Beifall bei der FDP sowie bei Abgeordneten der SPD und des Abg. Helge Limburg [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN])
Nächste Rednerin: für die Fraktion Die Linke Heidi Reichinnek.
(Beifall bei der LINKEN)
Quelle | Deutscher Bundestag, Nutzungsbedingungen |
Quellenangabe | Deutscher Bundestag via Open Parliament TV |
Abgerufen von | http://dbtg.tv/fvid/7552896 |
Wahlperiode | 20 |
Sitzung | 98 |
Tagesordnungspunkt | Corona-Bericht Gesundheit Kinder und Jugendliche |