Philipp AmthorCDU/CSU - Wirtschaftsstandort Deutschland - Bürokratieabbau
Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Wenn man die Debatte so verfolgt, dann kann man wirklich sagen: Eigentlich müsste die Ampel doch dankbar sein, dass die Union 16 Jahre regiert hat. Sie müssten dankbar sein, nicht nur für das, was wir für das Land erreicht haben – das erwarte ich gar nicht –; aber wenn wir 16 Jahre nicht regiert hätten, hätten Sie gar keine Argumente, um unsere Anträge abzulehnen, liebe Kolleginnen und Kollegen.
(Beifall bei der CDU/CSU)
Das, was zählt, ist die jetzige Realität. Wenn man sich den Bürokratieabbau anschaut, dann muss man doch leider sagen: Der Anstieg der Bürokratie in diesem Land scheint mir das einzige praktische Anwendungsfeld für Ihr vermeintliches Deutschlandtempo zu sein, liebe Kolleginnen und Kollegen.
(Dr. Till Steffen [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Hahaha!)
Denn nur die Bürokratie nimmt bei Ihnen richtig Fahrt auf. Über die Zahlen des Normenkontrollrates, Herr Houben, können wir jetzt vor und zurück diskutieren. Fakt ist: Der Aufwuchs bei der Bürokratie ist zu viel. Bei Ihnen ist er um Milliarden gestiegen. Wir haben Bürokratie in Milliardenhöhe abgebaut.
(Reinhard Houben [FDP]: Nein! Das haben Sie auch nicht!)
Das ist der Unterschied zwischen unseren Regierungen, liebe Kolleginnen und Kollegen.
(Beifall bei der CDU/CSU)
Da wir den Bürokratieabbau nicht nur zum Gegenstand der wirtschaftspolitischen, sondern auch der rechtspolitischen Debatte machen, muss ich Ihnen sagen: Natürlich sind insbesondere wir Rechtspolitiker an guter Gesetzgebung interessiert. Das Problem ist aber: Gute Gesetzgebung ist für die Ampel allenfalls eine Überschrift für blumige Positionspapiere, für Referate, für Abteilungen in Ministerien. Mit der Wirklichkeit Ihrer Politik hat gute Gesetzgebung aber leider wenig zu tun. Denn die Wirklichkeit Ihrer Politik ist schlechte und schlampige Gesetzgebung. Sie reißen jede Frist; fast jede relevante Anhörung hier im Parlament wird für Sie zum Desaster. Das bedeutet am Ende schlechte Gesetze und mehr Bürokratie für unser Land, liebe Kolleginnen und Kollegen.
(Beifall bei der CDU/CSU)
Deswegen braucht es jetzt ein Bürokratieentlastungspaket – Julia Klöckner ist überzeugend darauf eingegangen –, wie wir es Ihnen heute vorlegen. Wenn man unsere konkreten Vorschläge und Ihre Verteidigungslinien vergleicht, dann wird deutlich: Das, was Sie wollen, ist zu wenig. Es wird zu spät kommen, und es ist vor allem ohne Konzept. Ich werde auf alle drei Punkte eingehen. Wenn man sagt, Ihre Vorschläge zum Bürokratieabbau seien zu wenig, dann ist das fast ein Kompliment; denn bei Lichte betrachtet ist das, was Sie vorlegen, eigentlich gar nichts. Das Einzige, was Sie in den vergangenen Monaten hinbekommen haben, ist eine Verbändeanhörung, um festzustellen, dass es Probleme beim Aufwuchs der Bürokratie gibt. Aber, liebe Kolleginnen und Kollegen, durch Zusammenstellung von Wunschlisten baut man Bürokratie nicht ab, sondern nur durch Beschlüsse und Anträge im Deutschen Bundestag, und auf die warten wir von Ihnen bis heute.
(Beifall bei der CDU/CSU)
Ich will eines noch sagen, weil Sie in den Rückspiegel schauen und sagen, die Union sei an allem schuld: Sie regieren seit 500 Tagen in diesem Land. Das sind 500 Tage,
(Klaus-Peter Willsch [CDU/CSU]: … zu viel!)
die Sie nicht genutzt haben, um im Bereich des Bürokratieabbaus voranzukommen.
(Julia Klöckner [CDU/CSU]: Im Gegenteil!)
Das Gegenteil ist der Fall. Vor allem kommt es viel zu spät; denn Sie haben für die Wirtschaft die Zeichen der Zeit anscheinend nicht erkannt. Inflation, Energiekrise, gestörte Wertschöpfungsketten – und Sie machen einfach weiter, als wäre nichts gewesen. Deutschland verliert seine Wettbewerbsfähigkeit. Jetzt bräuchte es Entlastung, liebe Kolleginnen und Kollegen!
(Beifall bei der CDU/CSU)
Herr Amthor, möchten Sie eine Zwischenfrage des Kollegen Till Steffen zulassen?
Gern.
Vielen Dank, Herr Kollege für die Gelegenheit, Ihnen eine Zwischenfrage zu stellen. – Sie haben die Beratungen im Rechtsausschuss angesprochen. Das Thema bewegt uns in der Tat und in diesem Zusammenhang nicht nur die Frage „Was wird eigentlich reguliert?“, sondern auch die Frage: Wie wird reguliert? Wir haben uns im Rechtsausschuss den Bericht des Normenkontrollrates sehr intensiv angeschaut. Herr Houben hat eben auch betont: Ein großer Teil des Erfüllungsaufwandes, der zusätzlich festgestellt worden ist, ist auf die Anhebung des Mindestlohns zurückzuführen.
Ich möchte Sie fragen: Meinen Sie denn, dass es eine sinnvolle Abbildung von Bürokratie ist, wenn man als Erfüllungsaufwand die Anhebung eines Lohns mitrechnet? Die Zahl der auszuzahlenden Lohnfälle ist ja gleich geblieben. Das ist die eine Frage.
Die andere Frage bezieht sich auf die 500 Tage, die Sie angesprochen haben: Haben Sie eigentlich zur Kenntnis genommen, dass wir diese Zeit genutzt haben, um die Fesseln der Bürokratie für den Ausbau der Erneuerbaren zu lösen, die Ihr Wirtschaftsminister Altmaier all denen angelegt hatte, die ein Interesse daran hatten, in diesem Bereich voranzukommen? Haben Sie zur Kenntnis genommen, dass es jetzt wirklich vorangeht, da wir ganz viele Gesetze gemacht haben, um die Fesseln zu lösen,
(Jens Spahn [CDU/CSU]: Welche Fesseln?)
die in diesem Bereich bestanden?
(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der SPD)
Also, Herr Kollege Steffen, vielen Dank. – Um die zweite Frage gleich zu beantworten: dass es jetzt so richtig vorangeht, merke nicht nur ich nicht, sondern das merkt das ganze Land nicht.
(Beifall bei der CDU/CSU – Lachen des Abg. Dr. Till Steffen [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN])
Das merken Sie vielleicht hier in irgendwelchen Ampelrunden. Die Realität in diesem Land sieht anders aus.
Ich bin dankbar, dass Sie die Debatte über den Nationalen Normenkontrollrat und dessen Jahresbericht noch einmal referenzieren. Der Mindestlohn ist dafür ein passendes Beispiel. Nicht die Erhöhung des Mindestlohns hat einen Aufwuchs an Bürokratie ausgelöst, sondern das Bürokratiemonstrum, das Sie dabei hinten draufgesattelt haben – Stichwort: Mindestlohndokumentationspflichtenverordnung usw.
(Beifall bei der CDU/CSU – Friedrich Merz [CDU/CSU]: Das ist genau der Punkt!)
Sie reden hier so darüber, als ginge es um die Lohnerhöhung. Ich sage Ihnen: Das ist das größte Bürokratiemonster, das es in diesem Hause je gegeben hat. Das ist die Realität.
(Beifall bei der CDU/CSU)
Lieber Herr Steffen, wir haben anscheinend sehr unterschiedliche Herangehensweisen, uns mit diesem Bericht des Normenkontrollrates zu beschäftigen. Sie schauen sich den an, um irgendwie letzte Verästelungen zu finden, die Ihre Politik rechtfertigen, nach dem Motto: So schlimm ist es gar nicht. – Wir schauen ihn uns objektiv an, um Politik zu verbessern. Das würde Ihnen auch guttun, Herr Steffen.
(Beifall bei der CDU/CSU)
Zu wenig, zu spät und ohne Konzept – das ist die Realität des Bürokratieabbaus durch die Ampel. Wenn ich Ihnen sage „ohne Konzept“, dann will ich vor allem darauf eingehen, wie Sie den Bürokratieabbau konkret umsetzen wollen.
Herr Amthor, vielleicht bevor Sie das tun: Herr Houben würde gern eine Zwischenfrage stellen.
Wenn Sie nicht zum FDP-Bundesparteitag wollen, gerne.
(Heiterkeit bei Abgeordneten der FDP)
Weil die Anträge auf FDP-Bundesparteitagen besser vorbereitet sind als Ihrer, –
(Beifall bei Abgeordneten der FDP, der SPD und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)
Ach, ich könnte Ihnen Gegenbeispiele bringen.
– stelle ich Ihnen gerne folgende Frage, Herr Amthor: Ich habe hier – Stichwort „Normenkontrollrat“ – deutlich die Zeitschiene vorliegen, wann das Dritte Bürokratieentlastungsgesetz, das wir seinerzeit als FDP freundlich begleitet haben, von der Regierung Merkel IV eingebracht worden ist. Wenn Sie das ins Verhältnis setzen zum Wahltermin, hat es nach der Bundestagswahl 2017 ungefähr zwei Jahre und vier Monate gedauert, bis dieses Bürokratieentlastungsgesetz vorgelegt wurde.
(Julia Klöckner [CDU/CSU]: Ja, wegen der SPD, weil sie es nicht wollte!)
Sie werfen uns jetzt vor, dass wir so langsam sind. Dann sollten Sie uns doch fairerweise zumindest zwei Jahre Zeit lassen. Und ich sage Ihnen: Wir werden es dieses Jahr vorlegen.
Vielen Dank.
(Beifall bei Abgeordneten der FDP, der SPD und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)
Lieber Herr Houben, zunächst will ich mal was Versöhnliches sagen: Sie leiden wahrscheinlich unter genau demselben Verzögerungsproblem beim Thema Bürokratieentlastungsgesetz wie wir; das hat drei Buchstaben. Es heißt: SPD.
(Beifall bei der CDU/CSU)
Das ist nämlich die Realität, vor der auch wir beim Thema Bürokratieentlastungsgesetz in der vergangenen Wahlperiode standen. Wir haben damals eigentlich noch viel weitergehende Vorschläge auf den Weg bringen wollen. Leider war es dann so, dass viel zu viel abgesattelt wurde.
(Dr. Till Steffen [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Sie haben gar nichts gemacht, oder was?)
Aber ich bin gespannt, ob Sie dieses Jahr das Bürokratieentlastungsgesetz IV vorlegen. Ich sage: Gerne. Es kommt aber nicht nur auf das Vorlegen eines Gesetzentwurfes an, sondern auf den konkreten Inhalt. Wenn Sie 22 von 22 Punkten der Union vorschlagen, dann gerne. Aber mir fehlt der Glaube, dass Sie sich da durchsetzen können in dieser linken Koalition, liebe Kolleginnen und Kollegen.
(Beifall bei der CDU/CSU)
Ich will auch noch mal jenseits der Inhalte und des Prozesses der Erarbeitung des Bürokratieentlastungsgesetzes sagen: Ein erhebliches Problem ist die Konzeptlosigkeit. Der Umzug des Nationalen Normenkontrollrats aus dem Kanzleramt in das Justizministerium ist der kapitale Fehler.
(Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU)
Bürokratieabbau ist bei aller Wertschätzung nicht zuallererst Sache der Wirtschaftspolitik, aber auch nicht zuallererst Sache der Rechtspolitik. Bürokratieabbau in Deutschland muss Chefsache sein, sonst wird es nicht funktionieren, liebe Kolleginnen und Kollegen.
Ich will das bei allem Respekt sagen: Den Bürokratieabbau in diesem Land soll jetzt der Parlamentarische Staatssekretär Benjamin Strasser auf großen Schultern voranbringen.
(Beifall bei Abgeordneten der SPD und der FDP)
– Sie können auch gleich weiterklatschen. Ich will Ihnen sagen: Sie haben deutlich schlechtere Staatssekretäre als Benjamin Strasser. Wir arbeiten kollegial zusammen.
Aber ich bin fest davon überzeugt, dass man, egal wer es ist, es im Justizministerium einfach nicht vernünftig und auf Augenhöhe angehen kann. Wenn aus der Fachlichkeit heraus das Justizministerium mit dem Haushaltsstaatssekretär, mit den Ministern in den großen Ressorts debattiert, dann wird jeder sagen: Aber mein Ressort ist das wichtigste. – Wenn Sie sich mit den Praktikern austauschen, die Bürokratieabbau in diesem Land auf den Weg gebracht haben, dann sagen die: Es gelang nur, weil es top-down und von der Führung her ging. Das ist das, was Ihnen konzeptionell fehlt, liebe Kolleginnen und Kollegen.
(Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU)
Zu wenig, zu spät, ohne Konzept – das ist Ihre Form von Bürokratieabbau. Mit uns könnten Sie das Gegenteil erreichen, mit unseren 22 konkreten Maßnahmen, und zwar nicht am Sankt-Nimmerleins-Tag, sondern jetzt. Stimmen Sie unserem Antrag zu!
Herzlichen Dank.
(Beifall bei der CDU/CSU)
Die Kollegin Dr. Zanda Martens hat jetzt das Wort für die SPD-Fraktion.
(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)
Quelle | Deutscher Bundestag, Nutzungsbedingungen |
Quellenangabe | Deutscher Bundestag via Open Parliament TV |
Abgerufen von | http://dbtg.tv/fvid/7552923 |
Wahlperiode | 20 |
Sitzung | 98 |
Tagesordnungspunkt | Wirtschaftsstandort Deutschland - Bürokratieabbau |