Manuel HöferlinFDP - Bericht Datenschutz und Informationsfreiheit 2022
Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Datenschutz und Informationsfreiheit sind Teil des Fundaments einer wehrhaften Demokratie, gerade in Zeiten der Digitalisierung. Entsprechend wichtig ist die Arbeit des Bundesbeauftragten für den Datenschutz und die Informationsfreiheit sowie auch der vorliegende Tätigkeitsbericht für uns heute. Denn als starker Rechtsstaat ist es unsere Aufgabe, die diffizile Balance zwischen Sicherheit und Freiheit auch und gerade im Digitalen zu bewahren; eine Aufgabe übrigens, die nach 16 Jahren unionsgeführter Regierung mit einer Liebe zu vielfältigen Überwachungsmaßnahmen nicht gerade einfacher wurde.
Herr Henrichmann, weil Sie die verfassungswidrige Vorratsdatenspeicherung wie bei jedem anderen Anlass auch wieder ausgepackt haben: Sie sind es, die es 16 Jahre lang nicht geschafft haben, ein geeignetes Instrument zu finden, um die sexuelle Darstellung von Kindesmissbrauch zu bekämpfen.
(Beifall bei der FDP und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der SPD – Zuruf des Abg. Stefan Müller [Erlangen] [CDU/CSU])
Sie haben es nicht geschafft. Deswegen ist es albern und falsch, zu behaupten, dass wir seit einem Jahr darum ringen, eine richtige Lösung wie das Quick-Freeze-Verfahren voranzubringen; das wird kommen, das ist im Koalitionsvertrag vereinbart.
(Zurufe von der CDU/CSU)
Sie haben es 16 Jahre lang nur zu wiederholt verfassungswidrigen Gesetzen gebracht, und Sie sind immer wieder gegen die Wand geknallt. Wir machen das eben anders.
(Beifall bei der FDP und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der SPD)
Herr Höferlin, möchten Sie eine Zwischenfrage von Herrn Henrichmann zulassen?
Unbedingt.
Die Freude ist groß. Danke für das Zulassen der Zwischenfrage.
Ich möchte nachfragen, ob Sie zur Kenntnis genommen haben, geschätzter Kollege, dass ich nicht die Vorratsdatenspeicherung ins Spiel gebracht habe, sondern ein Zitat von Frau Faeser, die die Vorratsdatenspeicherung in der „SZ“ gefordert hat, worauf es in der „SZ“ hieß – Zitat –: „Grüne und FDP sind sauer.“
Ich habe gesagt, dass wir das Urteil des EuGH nutzen wollen, wonach nämlich zur Bekämpfung schwerer Straftaten – das ist Kindesmissbrauch ohne Zweifel – die IP-Adressen gespeichert werden dürfen. Ich habe nicht von Vorratsdatenspeicherung gesprochen, sondern nur von dem Spielraum, den der EuGH uns gibt. Haben Sie das zur Kenntnis genommen? – Danke schön.
Lieber Kollege Henrichmann, ich danke Ihnen für die Frage. Sie gibt mir die Möglichkeit, noch einmal darzustellen, wie falsch Sie mit dem, was Sie unterstellen, liegen.
(Beifall der Abg. Sandra Bubendorfer-Licht [FDP])
Erstens kommentiere ich keine Bewertungen irgendwelcher Journalisten; denn wir haben eine Pressefreiheit und nicht nur eine Informationsfreiheit. Deswegen dürfen sie gerne kommentieren, wie sie möchten.
(Zuruf von der CDU/CSU: Ganz schwach!)
Zweitens. Das EuGH-Urteil nennt eine Fülle von Möglichkeiten, nämlich vier an der Zahl, wie man die Bekämpfung schwerer Straftaten angehen kann. Eine davon ist die Möglichkeit, IP-Adressen für den Bereich der Europäischen Union zu speichern – so sagt das EuGH. Das ist explizit das, was wir im Koalitionsvertrag nicht vereinbart haben, zumal der Vorschlag, den Sie immer wieder ins Spiel bringen, weit über das EuGH-Urteil hinausgeht.
Das EuGH-Urteil schreibt zur Speicherfrist nämlich auch: nur im äußerst zwingenden Maße. – In Ihrem Vorschlag ist immer von „sechs Monaten“ die Rede. Das ist eine Formulierung, die uns meines Erachtens zur nächsten Verfassungswidrigkeit führt. Das ist genau die Erfahrung, die Sie 16 Jahre lang gemacht haben: Sie haben immer Gerichtsurteile des Verfassungsgerichts genommen, sind bis zur äußersten Grenze des Möglichen und ein Stück darüber hinausgegangen und sind jedes Mal erneut mit dem Kopf gegen die Wand geknallt. Die Fortschrittskoalition wird das nicht tun.
(Zuruf der Abg. Mechthilde Wittmann [CDU/CSU])
Das kommt dem Ziel, das wir alle verfolgen, nämlich Kinder zu schützen und Terroristen zu bekämpfen, kein Stück näher, weil die Polizisten, die Staatsanwaltschaften kein wirksames Instrument in der Hand haben, um dagegen vorzugehen. Genau das wollen wir ändern.
Der dritte Punkt ist: Wir wollen Quick Freeze – das ist eine weitere Möglichkeit, die der EuGH in seinem Urteil explizit vorgibt – nutzen. Das heißt, wir tun genau das, was Sie gerade gesagt haben. Wir nutzen eine der Möglichkeiten, die der EuGH vorgibt. Wir nehmen eine andere als Sie. Es ist, glaube ich, im politischen Diskurs auch rechtens, dass man das umsetzt, was man vereinbart hat und machen möchte.
(Zuruf der Abg. Mechthilde Wittmann [CDU/CSU])
– Sie können das ja vorschlagen. Ich glaube, wir sind auf dem richtigen Kurs und Sie nicht.
(Beifall bei der FDP, der SPD und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN – Widerspruch bei der CDU/CSU)
Meine Damen und Herren, auch beim Thema Chatkontrolle wird der vorliegende Tätigkeitsbericht deutlich. Die Bundesregierung soll auf eine erhebliche und grundrechtskonforme Überarbeitung des Verordnungsentwurfs drängen. Ich habe es bereits im Januar an anderer Stelle und auch an verschiedenen Stellen immer wieder gesagt: Die Chatkontrolle wäre der größte Dammbruch der Vertraulichkeit der Kommunikation seit der Erfindung des Internets.
(Beifall des Abg. Petr Bystron [AfD])
Deshalb ist es gut, dass die Bundesregierung nun eine Stellungnahme zur sogenannten CSA-Verordnung verabschiedet hat, in der klar und deutlich auf die Einhaltung der Grundrechtsstandards bestanden wird. Ich gehe fest davon aus, dass die Bundesregierung sich, wie im Koalitionsvertrag übrigens vereinbart und im Bericht des Bundesdatenschutzbeauftragten gefordert, für die informationelle Selbstbestimmung der Menschen einsetzt und auch eine anlasslose Überwachung ablehnt.
(Beifall der Abg. Anna Kassautzki [SPD])
Im Koalitionsvertrag haben wir als Fortschrittskoalition auch festgehalten, dass wir allgemeine Überwachungspflichten, Maßnahmen wie zum Beispiel das Scannen privater Kommunikation, ablehnen. Einer der vielen Gründe hierfür ist die Tatsache, dass die Summe der verschiedenen Überwachungsmaßnahmen für die Bürgerinnen und Bürger in den letzten Jahrzehnten massiv zugenommen hat. Für uns als Freie Demokraten ist klar: So viel wie nötig, aber eben so wenig wie möglich. Dafür braucht es auch eine Übersicht der Summe der Maßnahmen zum aktuellen Zeitpunkt, die auch fortlaufend fortgeschrieben werden muss.
Sie ahnen, worauf ich hinaus möchte, nämlich auf die Überwachungsgesamtrechnung. Diese haben wir auch in den ersten Schritten auf den Weg gebracht. Sie wird kommen; denn sie ist eine wichtige Maßnahme, um Bürgerrechte gerade auch im digitalen Raum als Fundament unserer wehrhaften Demokratie sicherzustellen, um die Freiheit des Einzelnen und somit der Gesellschaft im Ganzen zu schützen, indem sie dort, wo es richtig ist, auch die Macht des Staates begrenzt.
All diese Punkte, liebe Kolleginnen und Kollegen der Union, haben Sie in den letzten 16 Jahren eher stiefmütterlich behandelt, getreu dem Motto: Wer nichts zu verbergen hat ... Das sind die Bürgerrechte, und diese gelten auch im Digitalen. Ein Mensch, der weiß, dass er jederzeit überwacht wird oder jederzeit überwacht werden kann, der verhält sich anders, und er verhält sich auch nicht mehr frei. Das passt nicht zu einer liberalen freien Gesellschaft, in der wir leben. Und selbst wenn dieser Mensch tatsächlich nichts zu verbergen hat, verhält er sich anders. Genau das wollen wir nicht zulassen, meine Damen und Herren.
(Beifall bei der FDP und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der SPD)
Eine Privatsphäre ist aber nicht nur ein Offlinerecht, sondern gerade in Zeiten der Digitalisierung ein Teil des Fundaments einer offenen Gesellschaft. An dieser Stelle möchte ich – wie meine Vorrednerinnen und Vorredner – Ulrich Kelber in seiner Funktion als Datenschutzbeauftragter herzlich danken, der mit seinem Haus für unsere liberale Gesellschaft, für den Schutz der Bürgerrechte offline wie online kämpft und dies auch bestätigt.
Wir Freie Demokraten sind davon überzeugt, dass Datenschutz heute mehr denn je auch die Ausübung des informationellen Selbstbestimmungsrechts ist. Datenschutz wird, ich glaube, in Umfragen, die zitiert wurden, oft negativ kommentiert. Aber eigentlich ist das heutige Datenschutzrecht ein Ausübungsrecht von informationeller Selbstbestimmung. Über die Nutzung oder Nichtnutzung der Daten sollen die Menschen entscheiden können. Es ist gut, dass wir in dem Bericht ganz konkrete Handlungsempfehlungen bekommen haben. Lassen Sie uns diese angehen.
Herzlichen Dank.
(Beifall bei der FDP, der SPD und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)
Martina Renner spricht jetzt für die Fraktion Die Linke.
(Beifall bei der LINKEN)
Quelle | Deutscher Bundestag, Nutzungsbedingungen |
Quellenangabe | Deutscher Bundestag via Open Parliament TV |
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Wahlperiode | 20 |
Sitzung | 98 |
Tagesordnungspunkt | Bericht Datenschutz und Informationsfreiheit 2022 |