Michael SchrodiSPD - Mobilitätsgeld statt Pendlerpauschale
Sehr geehrte Frau Präsidentin! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Bei der Entfernungspauschale werden Aufwendungen für Wege zwischen Wohnung und erster Tätigkeitsstätte steuerlich geltend gemacht. So richtig und so gut diese Regelung ist: Daran gibt es seit Jahren Kritik. Heute hören wir von der linken Seite, die Pauschale sei unsozial.
(Thomas Lutze [DIE LINKE]: Sie ist unsozial!)
Manche sagen, sie sei zu niedrig. Andere sagen, sie sei nicht ökologisch genug, sie sei klimaschädlich.
(Zuruf der Abg. Nicole Gohlke [DIE LINKE]: Ist! Nicht „sei“! – Thomas Lutze [DIE LINKE]: Ist!)
Die Kritik ist oftmals und weitgehend nicht berechtigt.
Was nur wenige wissen: Unabhängig von der Nutzung des Verkehrsmittels wird die Entfernungspauschale gezahlt bzw. kann man sie geltend machen. Das ist ein Anreiz zum Sparen. Wenn zum Beispiel eine Fahrgemeinschaft mit dem Pkw gebildet wird, kann jeder Einzelne diese steuerliche Regelung geltend machen. Wer mit dem Fahrrad fährt, profitiert genauso wie derjenige, der mit dem Pkw fährt.
(Zuruf des Abg. Ates Gürpinar [DIE LINKE])
Wer beispielsweise – das muss man sich in Zukunft mal anschauen – das Deutschlandticket für 49 Euro hat und die Entfernungspauschale in Anspruch nimmt, kann unter Umständen sogar eine höhere Entlastung bekommen, als das 49-Euro-Ticket kostet.
(Matthias Hauer [CDU/CSU]: Außer er wohnt auf dem Land!)
Ich finde, das ist ein ganz gutes Zeichen, meine sehr geehrten Damen und Herren, weil es noch einmal zeigt, wie richtig die Einführung des Deutschlandtickets war.
(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der FDP)
Die Wahl eines billigeren Fahrzeugs oder Verkehrsmittels kann also durch die Pauschale sogar belohnt werden; und das ist auch gut so.
Nicht alle Lenkungsmaßnahmen, die wir vornehmen wollen, sollten das Steuerrecht betreffen, auch nicht die Entfernungspauschale. Dafür ist das Steuerrecht nicht da. Aber man kann es wahrnehmen; man kann auch dort Lenkungswirkung entfalten. Das haben wir übrigens an vielen Stellen getan, beispielsweise mit dem Gesetz zur Umsetzung des Klimaschutzprogramms 2030 im Steuerrecht für das Jahr 2019 haben wir die Pauschale angehoben. Wir haben ein gutes Stück mehr soziale Gerechtigkeit geschaffen. Wir haben nämlich eine Mobilitätsprämie für Geringverdiener eingeführt. Wir haben uns gesagt: Der CO2-Preis wird ansteigen, und wir wollen diejenigen, die bisher nicht von der Entfernungspauschale profitieren, nämlich die Bürgerinnen und Bürger, die mit ihrem zu versteuernden Einkommen innerhalb des Grundfreibetrags liegen, über eine Mobilitätsprämie mitnehmen. Damit werden eben auch diejenigen entlastet, die diese Entlastung bisher nicht gespürt haben, nämlich die Geringverdienerinnen und Geringverdiener. Auch das war ein wichtiger Schritt.
Wir haben beispielsweise die Umsatzsteuer auf Bahntickets auf 7 Prozent gesenkt. Auch das war wichtig für Pendlerinnen und Pendler. Auch angesichts der gestiegenen Spritpreise haben wir im Steuerentlastungsgesetz 2022 die Entfernungspauschale noch einmal angehoben; ab dem 21. Entfernungskilometer beträgt sie jetzt 38 Cent. Das ist etwas, was wir erst 2024 machen wollten; das haben wir aber vorgezogen.
Also: Wir haben schon einiges im bisherigen Steuerrecht getan, um Lenkungswirkung zu entfalten und Entlastungen für die Menschen zu schaffen.
(Beifall des Abg. Dr. Johannes Fechner [SPD])
Herr Schrodi, gestatten Sie eine Zwischenfrage oder Zwischenbemerkung von Herrn Görke?
Natürlich, am Freitagnachmittag mache ich das gerne.
(Heidi Reichinnek [DIE LINKE]: Wir kommen eh nicht weg hier!)
Vielen Dank, Frau Präsidentin. – Lieber Kollege Schrodi, vielen Dank, dass Sie auch am Freitagnachmittag noch diese Frage zulassen. – Ich wollte Sie jetzt nicht beim Abfeiern Ihrer großen Taten stören.
(Heiterkeit des Abg. Matthias Hauer [CDU/CSU])
Aber wenn Sie schon diese sogenannte Mobilitätsprämie hier ansprechen und diese hier als Erfolg offerieren: Vielleicht können Sie uns mal sagen, wie viele Deutsche diese Möglichkeit denn genutzt haben. Können Sie uns sagen, wie viele von diesen 11 Millionen Pendlern, die wir haben, das genutzt haben? Und wenn Sie das nicht wissen, sage ich es Ihnen gleich.
(Heiterkeit bei Abgeordneten der CDU/CSU)
Dann sagen Sie es mir gleich, weil ich es nicht weiß.
(Christian Görke [DIE LINKE]: 250 000 Menschen! – Gegenruf des Abg. Christoph Meyer [FDP]: Ist doch besser als gar nichts, oder?)
– Ja, weil es – –
(Christian Görke [DIE LINKE]: Und insofern ist das – –)
– Herr Görke, jetzt keine Diskussion! Sie haben sagen können, wie viele es sind. Dass ich es nicht weiß, liegt daran: Wenn es 11 Millionen Pendlerinnen und Pendler sind, kommt es ja darauf an, wie viele darunter sind, die unter dem Grundfreibetrag liegen.
(Markus Herbrand [FDP]: Genau! Da hat er mal ausnahmsweise recht!)
Dann müssten wir die Zahl als Referenzgröße nehmen.
(Beifall bei Abgeordneten der SPD, des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN und der FDP)
Denn der Großteil liegt darüber. Also, wir müssen schon alle Zahlen nennen.
Außerdem muss man sie beantragen. Wenn diejenigen, die das Recht haben, sie nicht beantragen, können wir auch nichts machen. Es ist die Möglichkeit eingerichtet, Geringverdienern die Mobilitätsprämie zur Verfügung zu stellen. Das ist ein guter und richtiger Schritt gewesen, und ich glaube, den müssten Sie auch gut finden, Herr Görke.
(Zuruf des Abg. Christian Görke [DIE LINKE])
Jetzt fahre ich fort: Wir haben – das haben Sie richtig genannt, Herr Görke – zudem einen, wie ich finde, sehr guten Beschluss im Koalitionsausschuss gefasst, nämlich dass wir die Entfernungspauschale sozial und ökologisch reformieren wollen. Dazu wird das BMF Vorschläge machen, die wir uns dann auch anschauen werden.
Uns ist wichtig, dass es eine sozial-ökologische Reform gibt. In der Zielsetzung einer größeren sozialen Gerechtigkeit sind wir ja beieinander. Es ist so, dass sich die Entlastungswirkung der Entfernungspauschale an der Einkommensteuer orientiert, also dass diejenigen, die mehr verdienen, auch mehr profitieren. Da werden wir schauen, wie wir mehr Gerechtigkeit in das System bekommen. Wir müssen aber auch darauf achten, dass das mit den Vorgaben des Bundesverfassungsgerichts zum Beispiel zum objektiven Nettoprinzip vereinbar ist. Da haben wir große Bedenken bei Ihrem Vorschlag. Wir denken, dass die Vorgaben des objektiven Nettoprinzips nicht eingehalten sind.
Und zum Zweiten. Wir halten Verbesserungen für die Menschen mit kleinen und mittleren Einkommen für wichtig. Aber dass Sie gleichzeitig in Ihrem Konzept auch Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer, Erwerbstätige, die besser verdienen – nicht Reiche, Besserverdienende! –, schlechterstellen wollen, verwundert mich an der Stelle schon.
(Christian Görke [DIE LINKE]: Das steht da gar nicht drin!)
Dass Sie eine Partei sein wollen, die alle Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer vertritt, sehen wir nicht, wenn Sie auch einen Teil von ihnen – nicht die Bestverdienenden, nicht die Reichsten – belasten wollen. Wir wollen, dass keiner schlechtergestellt wird, sondern dass diejenigen, die es brauchen, bessergestellt werden, und das werden wir mit unserem Konzept, das wir ausarbeiten, auch tun.
Insofern lehnen wir aus den genannten Gründen Ihren Antrag ab.
(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN und der FDP)
Nächster Redner: für die CDU/CSU-Fraktion Dr. Hermann-Josef Tebroke.
(Beifall bei der CDU/CSU)
Quelle | Deutscher Bundestag, Nutzungsbedingungen |
Quellenangabe | Deutscher Bundestag via Open Parliament TV |
Abgerufen von | http://dbtg.tv/fvid/7552976 |
Wahlperiode | 20 |
Sitzung | 98 |
Tagesordnungspunkt | Mobilitätsgeld statt Pendlerpauschale |